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Als die Amis nach Wartmannsroth kamen


Autor: Gerd Schaar

Völkersleier, Freitag, 03. April 2015

Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. An den Einmarsch der US-Soldaten am 5. April 1945 erinnert sich Zeitzeuge Bruno Koberstein.
Zeitzeuge Bruno Koberstein. Foto: Gerd Schaar


Der Sohn des früheren Bürgermeisters Ludwig Koberstein ist 1929 geboren und war 15 Jahre alt, als Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte. Nicht nur die Großstädte hatten bis dahin Tote zu beklagen.
Aus den Dörfern Völkersleier, Heckmühle und Heiligkreuz waren in den letzten Kriegstagen 40 Soldaten gefallen, wie ein Gedenkstein auf dem Friedhof aufzählt. Für die überlebenden Dorfbewohner gab es Leid und Not, sagt Koberstein.

An den Einmarsch der amerikanischen Soldaten am 5. April 1945 erinnert sich Koberstein noch genau. "Drei Wochen zuvor hatte ein alliierter Luftangriff Würzburg zerstört." Als 15-Jähriger sei er zusammen mit seinem Kameraden Karl Biemüller zur Wehrertüchtigung nach Kothen einberufen worden.

"Als die Amis Anfang April kamen, war ich daheim auf dem elterlichen Hof in Völkersleier", berichtet Koberstein. Schon im Vorfeld habe die Bevölkerung den Vorstoß einer amerikanischen Panzereinheit auf das Lager Hammelburg am 27. März mitbekommen - die Aktion Baum zur Befreiung von General George Pattons Schwiegersohn. Koberstein war zu dieser Zeit als Sturmmelder auf dem Fahrrad zwischen Waizenbach, Hetzlos und Hammelburg unterwegs.

"Täglich rückte die Front näher und die Anwohner lebten in Angst", beschreibt Koberstein die Lage. "Angst hatten wir nicht nur vor den Amerikanern, sondern auch vor den Deutschen selbst." Denn SS-Schergen hätten zum totalen Einsatz der Bevölkerung für die Aktion "Wehrwolf" aufgerufen und zum Teil hirnrissige Befehle erteilt. So musste Koberstein helfen, Stammholz für eine unwirksame Panzersperre auf die Straße zu rücken und Gräben auszuheben.

Ausgehungerte Kriegsgefangene

Kobersteins Schlepper der Marke Güldner mit 20 PS wurde vom deutschen Militär für Transportzwecke beschlagnahmt. "An Hitlers Wunderwaffe glaubten wir längst nicht mehr", sagt Koberstein.

Eine große Kolonne Kriegsgefangener aus einem Lager bei Bad Orb sei am Vortag, also am 4. April, auf Völkersleier zugekommen und ausgehungert über eine offene Rübenmiete am Dorfrand hergefallen. Die Wachsoldaten schossen, und es gab drei Tote sowie fünf Verletzte unter den Gefangenen. Die Überlebenden seien dann zur Übernachtung in Scheunen eingesperrt worden. "Wir Bauern mussten den Kartoffeldämpfer anschüren, den wir sonst für das Schweinefutter benutzten. Die Gefangenen waren so hungrig, dass sie die Kartoffeln mit bloßen Händen aus dem kochenden Wasser holten."

Und dann kamen die Amerikaner. Es war der 5. April. Koberstein erzählt: "Am Nachmittag waren Tiefflieger in der Luft, die über Waizenbach und Windheim Bomben abwarfen." Die verschreckten Pferde habe der Vater vom Hof laufen lassen.

Vom "Feldherrenhügel" am Reußenhain aus habe man das schreckliche Schauspiel überblicken können. Koberstein erklärt: "Ich sah Bomben explodieren und die Ketten der Leuchtspurmunition fliegen." Ein Flammenmeer und dicke Rauchschwaden habe es über Waizenbach gegeben.

Die Flieger seien dann über dem Wald von Wartmannsroth in Richtung Windheim verschwunden. Das Dröhnen amerikanischer Panzermotoren sei immer stärker zu hören gewesen. Chaos und Todesangst hätten geherrscht. Weiße Tücher in den Dörfern signalisierten die flehentliche Bitte der Bewohner um einen Waffenstillstand.
"Ich sah damals zum ersten Mal in meinem Leben Amerikaner", erzählt Koberstein, wie die Soldaten auf den heimischen Hof kamen und die Scheune nach dem Beschuss zu brennen anfing. Schnell konnte der Brand gelöscht werden. "Nun rollten Panzer und schweres Kriegsgerät in großer Anzahl in unser Dorf." Die Amerikaner quartierten sich über Nacht ein. Im Wohnhaus der Kobersteins wurde ein Lazarett eingerichtet, in dem auch verwundete Deutsche versorgt wurden.


Die Amerikaner rückten mit ihren schweren Fahrzeugen am nächsten Tag wieder ab. "Ihre Panzer hinterließen Straßenschäden und niedergemähte Zäune." Koberstein fügt an: "Wir hatten keinen Strom, keinen Bürgermeister, keinen Gemeinderat - aber eine amerikanische Militärregierung." Im ehemaligen Gasthaus "Zum Hirschen" tagte zwei Wochen lang eine Kommission von knapp 30 amerikanischen Offizieren, die den Nazis auf der Spur waren. Koberstein: "Es gab etliche Verhaftungen und Abtransporte in die amerikanischen Kriegslager."


Zum 70. Jahrestag der Bombardierung von Windheim findet am Sonntag, 5. April, um 19 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof statt. Danach gibt es ab 20 Uhr einen Vortragsabend im
Feuerwehrhaus.