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Absolventenshow im Circus Luna: von nachdenklich bis lautstark


Autor: Ralf Ruppert

Langendorf, Dienstag, 02. August 2022

Die Absolventen der einzigen deutschen Artistenschule zeigen im Circus-Luna-Zelt die ganze Bandbreite moderner Zirkusarbeit. Das Flüstern ist dabei oft noch eindrucksvoller als das Schreien.
Zwischen den Solo-Auftritten gibt es immer wieder Anklänge modernen Tanztheaters. Selbst die Umbauten werden dadurch zu spannungsreichen Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe.


Vor 20 Jahren zog die Familie Bethäuser mit dem Circus Luna in die Mühle zwischen Langendorf und Westheim um. Als es im Jahr 2005 die erste Absolventenshow der Staatlichen Artistenschule Berlin gab, holte sie Zirkusdirektor Peter Bethäuser auch ins Saaletal: Das Zelt zog damals extra in den Garten des Hotels "Ullrich" um, erinnert sich Bethäuser. Mit in der Manege war 2005 Maik Pulsen als frisch gebackener Absolvent. Mittlerweile managt er die Absolventenshow und organisiert die Tour durch ganz Deutschland. Seit zwölf Jahren ist dabei Langendorf durchgehend die kleinste Station. Auch das neue Programm "Whisper and Shout" zog bei drei Aufführungen die Zuschauer im Saaletal in seinen Bann.

Aus Idee wurde "Never-Ending-Story"

Der besondere Reiz der Absolventenshow ist laut Maik Paulsen, dass in jedem Jahr "eine eigene Welt" entstehe. Durch die "künstlerische Potenz" der unterschiedlichen Jahrgänge würden immer wieder neue Maßstäbe gesetzt. Auch er selbst habe es bei der Premiere 2005 nicht für möglich gehalten, dass die Absolventenshow zu einer "Never-Ending-Story" werde. In diesem Jahr erarbeiteten Ronald Wendorf als künstlerischer Leiter der Staatlichen Artistenschule Berlin sowie die Künstler Stefan Sing und Christiana Casadio die Show mit den elf Schülern. Verletzungsbedingt fehlte in Langendorf Mikkel Stamp.

"Ich habe meine eigene Welt bei mir"

Whisper and Shout, also Flüstern und Schreien, zieht sich durch die gesamte Show und jeden einzelnen Solo-Auftritt. Das Flüstern, also die leisen und ruhigen, oft nachdenklichen, zum Teil sogar bedrückenden Passagen sind dabei die eigentliche Überraschung des Abends. Wer in den Zirkus geht, liebt meist das Grelle, Bunte und Spektakuläre. Das gab es auch bei der Absolventenshow, immer wieder klatschte das Publikum vor Begeisterung mit. Mindestens genauso eindrucksvoll waren aber die ruhigen Elemente, bei denen es mucksmäuschenstill war. Zu hören waren auch immer wieder eigene Texte: "Ich habe meine eigene Welt bei mir", flüsterten die Absolventen zum Beispiel wild durcheinander. An anderer Stelle kommen Zukunftsängste zum Ausdruck, etwa wenn sich die Absolventen nach dem Ende von Schule und Pandemie auf den Gang zum Arbeitsamt einstimmen.

Zum Start und zwischen den Soloteilen schlüpften die zehn Absolventen immer wieder in graue Overalls, tanzten mal mit-, mal gegeneinander durch die Manege. Die Anklänge modernen Tanztheaters wurden durch Lichteffekte und oft jazzartige Musik unterstrichen. Zum ersten Solo hängte sich Arvid Gansäuer abwechselnd mit einem und zwei Armen an langen Bändern ein. Ob langsame Rollen an den Bändern oder schwungvolle Kreise an einem Arm: Die Leichtigkeit der athletischen Bewegungen unterstrich die hohe Kunstfertigkeit. Unbekannte Muster und Formen präsentierte der mehrfache Jonglage-Weltrekordhalter Aaron Berliner, der für seine Bilder am Boden und in der Luft auch andere Mitglieder der Gruppe einband. Mit elastischen Bällen jongliert dagegen Pascal von Ow, die Bälle werden nicht nur geworfen, sondern springen auch auf dem Boden auf. Pascal von Ows Alleinstellungsmerkmal ist ein Gestell mit vier Gelenken und fünf Platten, durch das völlig neue Bewegungsmuster möglich werden.

Kraft und Beweglichkeit bringt Laya Lia Yo immer wieder in die Show ein. Nicht nur am Tanz-Trapez, sondern auch bei den Auftritten der Gruppe oder anderer Absolventen fasziniert ihre grazile Beweglichkeit. Am Cyrwheele, einem einzelnen Metallreifen, scheint Carolin Liesegang mit den Grenzen der Schwerkraft zu spielen. Leonie Ihrig dagegen verzaubert mit einem deutlich kleineren Reifen, dem Hula-Hoop. Immer wieder kreiert sie perfekte Illusionen. Ebenfalls einen Alltagsgegenstand bringt Monique Schröder in die Manage: Mit einem Pezziball turnt sie verblüffende Übungen. Selbst kreiert hat Taja Götz ihre elastische Bungee-Schlaufe, die sie bis hoch in die Zirkuskuppel katapultiert. Kraftvoll und ästhetisch kreiselte Joone Dankou auf Rollschuhen durch die kleine Manage des Langendorfer Zirkusses. Und Jonas Roth wirbelte bis zu drei Diabolos kunstvoll durch die Luft.