Abschiedsinterview mit dem Kommandeur
Autor: Arkadius Guzy
Hammelburg, Freitag, 09. Sept. 2016
Gert-Johannes Hagemann gibt das Kommando über das Ausbildungszentrums Infanterie ab.
Nach drei Jahren verlässt Gert-Johannes Hagemann den Lagerberg. Am Freitag übernimmt Brigadegeneral Andreas Hannemann das Kommando über das Ausbildungszentrum Infanterie - Zeit für ein Abschiedsgespräch mit Hagemann, der seit wenigen Tagen als Generalmajor nun seinen zweiten Stern trägt.
Mit welchen Erinnerungen verlassen Sie Hammelburg?
Gert-Johannes Hagemann: Ich gehe ungern. Im Laufe meiner Offiziersausbildung konnte ich viele Seiten des Standorts Hammelburg kennenlernen. Er bietet hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten für uns Infanteristen auf dem Lagerberg sowie im Umfeld. Dies verlangt von allen Bürgern eine Akzeptanz der Bundeswehr, die in Hammelburg, den umliegenden Gemeinden und natürlich auch bei den Ämtern verschiedenster Zuständigkeiten immer gegeben ist.
Ich fühlte mich damals als Lehrgangsteilnehmer und heute als Kommandeur in Hammelburg immer gut aufgehoben. Wir Soldaten fühlen uns wohl in Hammelburg.
Was zeichnet Hammelburg aus?
Die Integration der Soldaten in die Bevölkerung ist gut. Wir sind selbstverständlicher Teil der Garnisonsstadt und überall herzlich willkommen. Und das nicht nur, weil wir ein wichtiger Arbeitgeber in dieser Region sind. Es gibt viele Berührungspunkte. Da wären zu nennen: unsere Ausbildungen, die unter Einbeziehung des Umfelds des Übungsplatzes stattfinden müssen, die aber auch das Umfeld belasten; die feierliche Vereidigung unserer Offizieranwärter, die im Wechsel in Hammelburg und in den Patengemeinden durchgeführt wird; Tage der offenen Tür am Lagerberg oder auch die Beteiligung bei der 1300-Jahrfeier in Hammelburg.
Läuft alles so reibungslos ab?
Bundeswehr in der näheren Umgebung - seien wir ehrlich - bringt auch einen bestimmten Grad an Belastung für die Bürger und die Flora und Fauna mit sich. Die Verantwortlichen am Lagerberg beschränken dies auf ein Minimum, sodass es im Neben- und Miteinander funktioniert. Dass wir einen guten Mittelweg gefunden haben, bestätigt sich in den anlässlich der im letzten Herbst im Rahmen der Feierlichkeiten zu "60 Jahre Bundeswehr" geführten Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern unserer Garnisonsstadt.
Was bedeutet es Kommandeur auf dem Lagerberg zu sein?
Ich trage die Verantwortung. Verantwortung für die Qualität der Ausbildung junger Menschen, für deren Einsatz in infanteristischen Verbänden. Dies gilt auch für infanteristisch eingesetzte Kräfte der Luftwaffe und Marine.
Ich trage Verantwortung dafür, dass die zukünftigen Gruppen- und Zugführer, Kompaniechefs und Bataillonskommandeure das Handwerkszeug erhalten, das sie zur Erfüllung ihres Auftrages benötigen. Wir - das heißt: mein Stab, meine Ausbilder und ich - sehen uns als Dienstleister für die Truppe. Ausbildung ist keine Einbahnstraße. Fortentwicklung der Ausbildung ist neben der Einbindung moderner Ausbildungsmittel und der Aufnahme neuer, immer komplexer werdender Ausstattung auch die Berücksichtigung der Forderungen aus der Truppe. Eine angemessene Mischung dieser Faktoren in der Ausbildung umzusetzen, sehe ich unter der Berücksichtigung der Ressource Zeit als meine vordringliche Aufgabe. Die Truppe als Bedarfsträger muss sich und kann sich auf uns verlassen.
Wie fassen Sie Führung auf?
Einerseits ist Verantwortung unteilbar, anderseits brauchen sie ein starkes Team, das sie unterstützt. Befehl und Gehorsam bilden zwar eine klare rechtliche Grundlage, greifen aber hier zu kurz. In der Bundeswehr gilt das Prinzip der Auftragstaktik. Dabei wird das Ziel vorgegeben, der Weg zum Ziel ist zunächst offen und hängt von den Ressourcen ab. Blinder Gehorsam ist nicht gefragt. Im Gegenteil: Der im Sinne des Auftrages mitdenkende und selbstständig Handelnde ist gefordert. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Führungskultur und basiert auf gegenseitigem Vertrauen.
Während Ihrer Zeit als Kommandeur wandelte die Infanterieschule sich zum Ausbildungszentrum Infanterie. Was steckt dahinter?
Der Umbau ist abgeschlossen.
Er lief trotz der Fülle an Sonderaufgaben geräuschlos ab - ich erinnere nur an die Ausbildung der kurdischen Peschmerga. Wir haben die früheren, unabhängigen Ausbildungseinrichtungen in Hammelburg, Altenstadt und Mittenwald zu dem Ausbildungszentrum Infanterie zusammengefasst. Für die Führerausbildung der Jäger-, Gebirgsjäger- und Fallschirmjägertruppe bedeutet das eine erhebliche Qualitätssteigerung. Diese besteht darin, dass alle zunächst gemeinsam querschnittlich zum Führer in der Infanterie - unabhängig von der Truppengattung - ausgebildet werden. Erst in einem zweiten Ausbildungsschritt werden sie durch die speziellen Anforderungen an einen Jäger, Gebirgsjäger oder Fallschirmjäger am Ausbildungszentrum Infanterie geprägt.
Was hat der Standort dadurch gewonnen?
Wir waren und sind das "Mutterhaus der Infanterie". Dies wird durch das Zusammenführen der gesamten infanteristischen Grundlagenausbildung für die zukünftigen taktischen Führer vom Truppführer bis zum Bataillonskommandeur in der neuen Struktur unterstrichen. "Ausbildung aus einer Hand" ist jetzt umgesetzt. Dies ist für mich die wichtigste Entwicklung. Darüber hinaus wurde die Einzelkämpferausbildung wieder am Ausbildungszentrum Infanterie verortet. Mit der Rückführung der Einzelkämpferausbildung ist die Einrichtung des Kompetenzzentrums Nahkampf an unserer Ausbildungseinrichtung verknüpft. Neben der Schießlehrerausbildung stellt die Einzelkämpfer- und Nahkampfausbildung ein Alleinstellungsmerkmal des Ausbildungszentrums Infanterie in der Bundeswehr dar.
Nur in Hammelburg werden diese Ausbildungsthemen für alle Soldaten in der Bundeswehr angeboten.
Neben den Aufgaben am Standort beschäftigten sie sich als Leiter "Team Infanterie" mit der weiteren Nutzung des Gewehrs G 36.
Dieser Auftrag des Generalinspekteurs der Bundeswehr hat mich in alle Einsatzgebiete der Bundeswehr geführt. Dies war eine spannende aber auch zeitintensive Herausforderung.
Was war Ihnen als Kommandeur noch wichtig?
Die Bundeswehr war schon immer international eingebunden. Spätestens mit unserem Einsatz in Afghanistan ist die Notwendigkeit der multinationalen Zusammenarbeit in aller Munde. Multinationale Einsätze verlangen eine intensive gemeinsame Vorbereitung. Gemeinsame Ausbildung, der Austausch von Ausbildern und gemeinsame Übungen erleichtern das Erschließen der Fähigkeiten, des Könnens und der Verfahren des Partners.
Dieser Erfahrungsaustausch wirkt sich natürlich auch auf die rein nationale Ausbildung an unserem Ausbildungszentrum Infanterie aus. Ich habe deshalb ein großes nationales und internationales Netzwerk geknüpft und gepflegt. Es gibt Patenschaften und Partnerschaften mit Ausbildungseinrichtungen in Großbritannien, Frankreich, den USA und Israel, enge Beziehungen zum Beispiel mit Georgien und enge Kontakte zu Österreich und der Schweiz. Der Gedanke der "Großfamilie Infanterie" ist mir sehr wichtig.
Was ist Ihre neue Aufgabe?
Ich gehe nach Frankreich, nach Lille. Dort gibt es ein hohes militärisches Kommando der französischen Streitkräfte, das der Nato zugeordnet ist. Ich werde dort als stellvertretender Befehlshaber eingesetzt. Ich freue mich auf diese Aufgabe.