GSG9-Mann Aribert Martin 45 Jahre nach Befreiung der "Landshut": Ein "Job, der getan werden musste"
Autor: Steffen Standke
Oberwildflecken, Mittwoch, 12. Oktober 2022
Der Rhöner Aribert Martin gehörte vor 45 Jahren zu den GSG9-Männern, die die entführte Lufthansa-Maschine "Landshut" stürmten. Der 66-Jährige berichtet, was er empfand und was die heutige Jugend von den Ereignissen damals wissen will.
Angst? Verspürte Aribert Martin keine, als er, die Waffe im Anschlag, am 18. Oktober 1977, kurz nach 2 Uhr Ortszeit, in die "Landshut" eindrang. Dabei lauerte drinnen der Tod. Vier palästinensische Terroristen, zu allem bereit, hatten 91 Menschen in ihrer Gewalt, darunter 23 Deutsche. Eine Geisel, Flugkapitän Jürgen Schumann, hatten sie bereits erschossen.
Doch es war ein Job, den Aribert Martin und seine Sondereinheit GSG9 tun mussten. "Und wir erledigten ihn gut". Nach sieben Minuten waren alle vier Terroristen, zwei Männer und zwei Frauen, "ausgeschaltet". Drei waren tot, eine Entführerin, von den Geiseln als besonders gnadenlos beschrieben, überlebte schwer verletzt. Verletzt wurden auch ein GSG9-Mann und eine Flugbegleiterin. Aber alle Geiseln überlebten.
Dimension erst später klargeworden
Erst später, auf dem Rückflug mit den Befreiten in einer anderen Maschine, wurde dem damals 21-Jährigen Martin bewusst, was da gerade geschehen war. Wie traumatisierend es für den dreijährigen Steffen, der bei ihm saß, gewesen sein muss, als ein Terrorist direkt neben ihm Flugkapitän Schumann per Kopfschuss hinrichtete. Wie unendlich lang und angstbeladen die Geiseln die fünf Tage unter dem Joch ihrer Entführer empfunden haben mussten.
Es war ein politisch dunkles Jahr, dieses 1977. Die linksextremistische Rote Armee Fraktion (RAF) hatte am 5. September den Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hanns-Martin Schleyer, entführt. Ihr Ziel: elf Gefangene der sogenannten ersten RAF-Generation wie Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe freizupressen.
Mehr Druck auf Regierung aufbauen
Als das nicht gelang, die Sache sich über drei Wochen hinzog, wollte die RAF den Druck auf die bis dahin unnachgiebige Bundesregierung erhöhen. Dazu nutzten die deutschen Terroristen ihre hervorragenden Kontakte zu ähnlichen Organisationen in Palästina.
Der Plan: Ein palästinensisches Kommando sollte eine Lufthansa-Maschine auf dem Weg von der spanischen Urlaubsinsel Mallorca nach Frankfurt entführen. Was am 13. Oktober 1977 über französischem Luftraum geschah. So sollte die Freipressung der Gefangenen doch noch gelingen.
Aribert Martin erinnert sich, wie fieberhaft er und seine GSG9-Kameraden im September und Oktober in Kölner Hochäusern nach Hanns-Martin Schleyer gesucht hatten.