Große Gegensätze im Kreis Bad Kissingen
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Montag, 17. November 2014
Die Resonanz auf die Umsetzung des neuen Kinderschutzgesetzes für Ehrenamtliche ist sehr unterschiedlich. Das "Kissinger Modell" wird eher selten in Anspruch genommen.
Ehrenamtliche, die bei der Stadt Bad Kissingen ihr erweitertes Führungszeugnis beantragen, landen meist bei Sachbearbeiterin Tanja Schottdorf. "In der Regel dauert das höchstens fünf Minuten", beschreibt sie den Ablauf. Im Juli hatte das Jugendamt rund 1050 Vereine und Organisationen angeschrieben und zur Umsetzung des Bundes-Kinderschutzgesetzes aufgefordert. Etwa 90 Führungszeugnisse haben Ehrenamtliche seitdem bei der Stadt beantragt. Angesichts der vielen Vereine eine geringe Zahl, allerdings gibt es sogar Kommunen, in denen es bisher noch gar keine Nachfrage gab.
"Das geht quer durch alle Vereine", berichtet Tanja Schottdorf über die Anträge. Offenbar hätten sich vor allem einige größere Vereine intensiv mit dem Thema beschäftigt, dagegen seien viele andere Vereine noch gar nicht aktiv geworden. "Die Rückmeldung der Bürger ist überwiegend positiv", berichtet sie von Gesprächen. Allerdings gebe es auch ab und zu Kritik, vor allem, wenn sich Ehrenamtliche für den Antrag extra frei nehmen müssten.
Viele legen wohl Original vor
Geht es nach dem Jugendamt, sollen die Ehrenamtlichen sogar noch ein zweites Mal zu ihrer Kommune: Um Vereine zu entlasten und rechtlichen Konflikten zu entgehen, hat der Landkreis Bad Kissingen ein Modell aus Regensburg übernommen. Dabei zeigt der Betroffene das Führungszeugnis vor und die Gemeinde stellt eine Bescheinigung für den Verein aus. Dabei werden nur Delikte berücksichtigt, die im Zusammenhang mit dem Jugendschutz stehen.
Die Resonanz auf dieses in Unterfranken einmalige Kissinger Modell scheint jedoch gering zu sein: In der Stadt Bad Kissingen seien es bislang rund zehn Bescheinigungen gewesen, berichtet Sprecher Thomas Hack. "Ich denke, dass viele ihr Führungszeugnis doch im Original vorlegen", vermutet Tanja Schottdorf. Dabei sei der Aufwand für die vom Jugendamt vorgeschlagene Lösung gering: "Wir machen die Bescheinigung sofort fertig." Zudem ist der Nachweis ebenso kostenfrei wie das Führungszeugnis.
In anderen Kommunen scheint das Thema noch gar nicht angekommen zu sein: "Es wurde bislang keines dieser Führungszeugnisse ausgestellt", berichtet etwa Anton Kiefer, Geschäftsleitender Beamter der Stadt Bad Brückenau. Insgesamt wurden seit Juli rund 500 Führungszeugnisse im Kreis beantragt, und die Kommunen gaben etwa 200 Bescheinigungen heraus, wie eine Umfrage der Saale-Zeitung ergeben hat (Ergebnisse im Info-Kasten).
Mit der Umsetzung des Bundes-Kinderschutzgesetzes hat sich auch der Jugendhilfeausschuss des Landkreises gestern befasst. Rund 1050 Gruppierungen wurden angeschrieben, darunter alleine 350 aus der katholischen Kirche. "Bis jetzt haben 140 Gruppierungen die Vereinbarung unterschrieben", berichtet Jugendamtsleiter Siegbert Goll, und: "Es sind sicherlich noch einige Vereine und Verbände, die sich noch nicht angeschlossen haben, aber gesetzlich dazu verpflichtet wären." Aufgabe des Jugendamtes sei es deshalb, "zu beraten und auf den individuellen Beitritt hinzuwirken". 200 Beratungsgespräche habe das Jugendamt seit Juli zu dem Thema geführt.
Für Goll ist zweitrangig, ob des Kissinger Modell angenommen wird: "Jeder, der sein Führungszeugnis vorliegen hat, kann damit machen, was er will." Wenn es keine Eintragungen gebe, sei nachvollziehbar, dass der Ehreanamtliche das Zeugnis direkt vorlege. Aber: "Der Verein darf das Führungszeugnis auf keinen Fall behalten." Es dürfe lediglich ein Verzeichnis geführt werden, wer das Zeugnis eingesehen hat und wann es erneut vorgelegt werden muss, nämlich alle fünf Jahre.
Grundlage Anfang 2012 trat ein neues Bundes-Kinderschutz-Gesetz in Kraft. Darin wurde unter anderem für alle Mitarbeiter in der Jugendarbeit die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses vorgeschrieben: Für Hauptamtliche sofort, die Einführung für Ehreanamtliche wurde damals noch offen gelassen.
Landkreis 20 von 26 Kommunen haben sich an der Umfrage der Saale-Zeitung zum Thema Führungszeugnisse beteiligt. Ein Ergebnis ist, dass bisher alle beantragten Bescheinigungen auch ausgestellt wurden. Es gab also keine bekannte Eintragung in Führungszeugnissen, die einer weiteren Mitarbeit in der Jugendarbeit entgegen gestanden hätte.
Zahlen Bislang keine Führungszeugnisse haben Ehrenamtliche nur in Bad Brückenau, Motten und Zeitlofs beantragt. In Wildflecken wurden 47 Führungszeugnisse beantragt, 33 Ehrenamtliche holten sich auch die Bescheinigung, ähnlich hoch war die Quote in Münnerstadt mit 33 Zeugnissen und 23 Bescheinigungen. Am striktesten arbeiten wohl die Nüdlinger Vereine mit dem Kissinger Modell: Dort stellte die Gemeinde bereits 45 Bescheinigungen aus. In Oberthulba waren es 62 Führungszeugnisse und zehn Bescheinigungen, in Bad Kissingen 90 und zehn, in Hammelburg rund 45 und zwölf, in Bad Bocklet 41 und acht sowie in der VG Euerdorf insgesamt 27 Zeugnisse und elf Bescheinigungen. Wartmannsroth meldete nur die Zahl der Führungszeugnisse (22), Oerlenbach nur die der Bescheinigungen (25). Die VG Bad Brückenau führt keine Statistik, dort gab es eine "zweistellige Zahl" von Zeugnissen und nur einzelne Bescheinigungen für die vier Mitgliedsgemeinden.