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Grippe: Impfen oder Ausbaden?


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Freitag, 07. Oktober 2016

Die erste Erkältungswelle läuft bereits, die echte Influenza folgt aber erst später. Wer vorbeugen will, muss das trotzdem bald tun.
Die Grippe-Impfung muss jedes Jahr erneuert werden, weil sich die Virenstämme ständig verändern.  Foto: Fredrik von Erichsen


Die nächste Grippe-Welle kommt bestimmt: Ab Dezember, spätestens aber in den ersten Monaten des neuen Jahres schlagen Fieber, Gliederschmerzen, Husten und Schnupfen wieder verstärkt zu. In Schulen und Kindergärten beginnen die Erkältungen zum Teil schon früher, weil Kinder mit Beginn des Schuljahres neu oder zumindest verstärkt in Kontakt mit Erregern kommen: "Ja, bei uns fängt das gerade wieder an", erzählt zum Beispiel Andrea Böhm, Leiterin

des Winkelser Kindergartens "Kleine Strolche".


Immunsystem stärken

Die Frage bei jeder Erkältung ist, ob es sich um die Influenza, also die "echte Grippe", handelt, bei der die Symptome stärker auftreten und länger dauern. Allgemeinmediziner Dr. Hans-Peter Oepen rät, "nicht gleich zum Arzt zu rennen." Allerdings sollte man spätestens nach drei bis vier Tagen und bei Fieber den Arzt aufsuchen. Langzeitschäden bei einer Grippe seien dagegen äußerst selten und beschränkten sich auf ein geschwächtes Immunsystem, etwa bei älteren Menschen.

Oepen plädiert vor allem dafür, sein eigenes Immunsystem zu stärken durch Sport und viel frische Luft. Im Sommer seien die meisten ja auch wegen viel Sonneneinstrahlung und Zeit im Freien gesünder und fitter. Auch sein Kollege Dr. Ralph Brath rät zu viel Bewegung und "vernünftiger Ernährung": "Wenig Junkfood, viel Obst und Gemüse" laute die goldene Regel fürs Immunsystem. Daneben solle der direkte Kontakt mit Erkrankten zumindest vermindert werden. Hände waschen sei dabei besonders wichtig. Die wichtigste Rolle kommt aber den Erkrankten selbst zu: In die Ellbogenbeuge zu niesen und andere nicht anzuhusten nennt Brath als Beispiele zur Vorbeugung.

Wer sollte sich jetzt impfen lassen? "Ich bin kein Freund einer Generalisierung. Das muss jeder für sich selbst entscheiden", sagt Dr. Hans-Peter Oepen dazu: Er rät, seinen eigenen Körper einzuschätzen: Wie anfällig bin ich für Krankheiten? Welche anderen Leiden habe ich? Er berate seine Patienten und impfe "Bedürftige", wenn sie fit genug sind. Denn: "Jede Impfung ist ein Eingriff."

Auch Kollege Brath hält nichts von allgemeinen Regeln: Für Kindergarten-Kinder gebe es zum Beispiel keine feste Impf-Empfehlung. "Das müssen die Eltern entscheiden." Große Diskussionen gebe es im Gegensatz zu anderen Impfungen wie bei den Masern nicht, weil die Grippe-Impfung ja freiwillig sei: "Alle, die die Impfung wollen, kommen von sich aus", berichtet Brath. Er selbst und sein Praxis-Team lassen sich jedes Jahr impfen, auch wenn der Mediziner weiß, dass die Impfung keinen hundertprozentigen Schutz bietet: "Die Virenstämme werden ja bereits im Frühjahr festgelegt, man weiß nie, wie schnell sich der Virus verändert." Deshalb muss die Impfung auch jährlich wiederholt werden.


Amtliche Empfehlungen

Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut empfiehlt im Impfkalender 2016 eine Grippeimpfung vor allem für Menschen über 60 Jahren oder mit chronischen Grundleiden, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, für Schwangere sowie für Berufstätige im Gesundheitsbereich. Kinder haben dagegen ein eher starkes Immunsystem und müssten nicht zwangsläufig geimpft werden. Menschen, die gerade eine Impfung hinter sich haben, oder geschwächt sind durch eine Krankheit, sollten sich nicht impfen lassen. Auch das Gesundheitsamt Bad Kissingen richtet sich nach den Stiko-Empfehlungen.

Im Kindergarten Kleine Strolche rät man nicht explizit zur Impfung. "Das müssen die Eltern mit dem Kinderarzt selbst entscheiden. Ich will da niemandem irgendwas aufschwatzen", sagt Andrea Böhm. Sie selbst lässt sich - wie auch Dr. Oepen - nicht impfen, obwohl sie laut Robert Koch-Institut zu einer sogenannten Risikogruppe gehören. Beide berichten, selten krank zu sein, und der Hausarzt meint, dass das Immunsystem abgehärtet wird, wenn es oft mit Erregern in Kontakt kommt. Gefährlich sei die Impfung nicht. "Vor allem bei jungen, gesunden Menschen kommt es fast überhaupt nicht zu Nebenwirkungen", erklärt Oepen.

Zahlen zum Impf-Verhalten gibt es kaum, da weder Grippeimpfungen, noch Erkrankte statistisch erfasst werden. Das Landratsamt lässt bei der jährlichen Impfbuchdurchsicht in den 6. Klassen keine Grippeimpfung prüfen. Auch der Kindergarten "Kleine Strolche" kontrolliert bei der anfänglichen Impfbuchdurchsicht nur die Tetanusimpfung und die Grunduntersuchungen. Nur wenn Patienten auf Grippeviren getestet werden - was nur selten vorkommt - kommen sie in die Statistik.


Kein eindeutiger Trend

2015 wurden laut Landratsamt im Kreis 87 Menschen positiv auf Influenza getestet, 2016 waren es 39. Auch bayernweit wurden 2016 weniger Erkrankte als im Vorjahr gemessen. Das könne aber auch daran liegen, dass das Jahr 2016 noch laufe, vermutet Brath. Er selbst könne jedenfalls keinen Trend bei den Influenza-Erkrankungen der vergangenen Jahre feststellen.