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Grabesstille im Bienenhaus


Autor: Benedikt Borst

Bad Kissingen, Sonntag, 20. Januar 2013

Forscher gehen davon aus, dass ein Viertel der Bienenvölker den Winter nicht übersteht. Im Landkreis gibt es schon erste Meldungen über Teil- und Totalausfälle.
Matthias Kleinhenz Foto: Benedikt Borst


Matthias Kleinhenz klopft auf Holz. "Bisher habe ich noch keines meiner Völker verloren. Toi toi toi!" Ob er im Frühjahr allerdings immer noch zehn Bienenvölker besitzt, weiß der Imker derzeit noch nicht. Gewissheit hat er erst im April, wenn es wärmer wird und die Bienen wieder zu fliegen beginnen. Ein ungutes Gefühl hat der Bienengesundheitswart des Landkreises dennoch: "Ich bin bereits von anderen Imkern angerufen worden, die mir von Teil- und auch Totalverlusten berichtet haben", sagt er.

Schuld ist die Varroamilbe, die sich in den Zellen einnistet und die Brut befällt. Der Parasit gilt als Hauptursache für das großflächige Sterben, auch wenn die Wissenschaft bisher keine genaue Erklärung dafür hat. Sicher ist, dass sich befallene Larven schlecht entwickeln. Außerdem werden Viren übertragen, die das Immunsystem der Bienen weiter schwächen.

Forscher der Universität Hohenheim gehen jetzt davon aus, dass 23 Prozent des deutschen Bestandes den Winter nicht überlebt. "Ab einem Varroa-Befall von etwa sechs Prozent, also sechs Milben auf 100 Bienen, droht Bienenvölkern ein deutlich erhöhtes Risiko", schreiben sie. 2050 Völker wurden untersucht - bei knapp einem Viertel stellten die Wissenschaftler einen zu hohen Milbenbefall fest.

Die Beobachtung bestätigt Kleinhenz. "Dieses Jahr habe ich den höchsten Varroadruck, seit ich Imker bin", stellt er fest. "Einige Stöcke haben vier Prozent Befall." Und das, obwohl er regelmäßig mit Milch- und Oxalsäure oder dem Ausschneiden von Drohnenrahmen die Schädlinge bekämpft. Aber: " Milbenfrei bekommen wir unsere Völker nicht mehr, das ist vorbei."


Nur Schadensbegrenzung

Die Bilanz des Hygieneexperten fällt ernüchternd aus. Mehr als Schadensbegrenzung ist nicht möglich. Immerhin müssen sich laut Kleinhenz die Verbraucher keine Sorgen um etwaige Rückstände im Honig machen. Ein Großteil der Schädlingsbekämpfung findet nach der Honigernte statt. Außerdem werden nur Naturprodukte eingesetzt und der Honig wird streng kontrolliert.

Bisher machte sich das großflächige Bienensterben nicht beim Verbraucher bemerkbar, der Honig für das Frühstücksbrötchen wurde nicht teurer. Volker Wedde vom unterfränkischen Einzelhandelsverband HDE erläutert, dass sich in der Vergangenheit eher schlechte Wetterbedingungen auf den Preis bestimmter Sorten auswirkten. Sollten die Erzeugerkosten jedoch durch massives Bienensterben steigen, muss der Handel reagieren. Dann wird es teurer. "Ein Einzelhändler kann es sich heute aber gar nicht mehr leisten, die Preissteigerung komplett an den Verbraucher weiterzugeben", schränkt Wedde ein.

Der Schaden betrifft nicht nur die Honigproduktion. "Den kann ich importieren, Bestäubungsleistung nicht", spricht der Kreisvorsitzende des Imkerverbandes, Erhard Bieber, ein Problem an. Fliegen im Frühling zu wenig Bienen, sind nicht nur die Imker, sondern auch Obstbauern und die Natur im Ganzen betroffen. "Die wirtschaftlichen Schäden lassen sich nur schwer beziffern", sagt Bieber.


Schmerzhafte Verluste

Dass ein paar Bienenvölker den Winter nicht überleben, bezeichnet er als normal. "Früher ist man generell von etwa zehn Prozent Verlust ausgegangen." Gründe können das Wetter oder Nahrungsengpässe sein. Das hält sich aber im Rahmen und ist keine Katastrophe. Auch 23 Prozent Verlust sind für den Imker aus Maßbach zwar sehr schmerzhaft, aber zu verkraften. "Wenn die Völker fehlen, versucht man den Bestand durch Kunstschwärme oder Brutableger wieder aufzubauen", sagt Bieber, der 2011 fast die Hälfte seiner Bienen verloren hat. Für ihn als Hobby-Imker ist es unproblematisch, wenn ausnahmsweise ein Jahr die Honigernte ausfällt.

Ein Berufsimker wird dagegen härter getroffen. "Wenn beispielsweise von 300 Völkern 200 sterben, ist das eine Katastrophe", betont Matthias Kleinhenz. Jeder Imker, jede Region ist anders vom Bienensterben betroffen. Das bestätigen auch die Wissenschaftler der Universität Hohenheim. Es treten "große Unterschiede zwischen Bienenständen und einzelnen Bienenvölkern" auf.


Ansteckungen verringern

Kleinhenz rät, dass sich benachbarte Imker bei der Milbenbehandlung abstimmen. Die Bekämpfung ist am effektivsten, wenn die Imker gleichzeitig vorgehen. "Jedes Volk, das zusammenbricht, stellt eine Infektionsquelle dar. Kranke Bienen betteln sich in andere Stöcke ein und stecken sie an."

Leider können die gesunden Bienen nicht wie andere Nutztiere in Quarantäne gesteckt werden, um sie zu isolieren. Das Risiko wird nur gesenkt, wenn alle Imker gleichzeitig gegen Varroa behandeln. Und auch das ist keine Garantie.