Druckartikel: Gespaltenes Ende

Gespaltenes Ende


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Montag, 20. Juli 2015

Die Wiener Akademie ließ die Klangfarben der Klassik wieder aufleben. Aber bei Beethovens Tripelkonzert harmonierten die Solisten nicht.
Nach dem Tripelkonzert: Im Vordergrund Giuliano Carmignola, dahinter Martin Haselböck und Melvyn Tan, rechts Jan Vogler. Foto: Ahnert


Wie haben Mozart, Beethoven und Schubert ihre Musik gehört? Also, Beethoven, als er noch hören konnte. Eine endgültige Antwort auf diese Frage ist natürlich nicht möglich. Aber es gibt durchaus überzeugende Rekonstruktionsversuche, die sich an den Gegebenheiten des Instrumenten baus, der Materialkunde und an Aussagen von Zeitzeugen orientieren.

Gut, ein solcher Rekonstruktionsverein ist die "Wiener Akademie" von Martin Haselböck, die schon mehrfach beim Kissinger Sommer zu Gast war. Dieses Orchester und ihr Leiter richten ihr spieltechnisches und materielles Augenmerk auf die Zeit der Vorklassik bis Frühromantik und erfassen damit natürlich genau die drei großen Vertreter der Wiener Klassik. Und so begannen sie ihr Konzert zum Abschluss des Kissinger Sommers im Großen Saal mit Mozart, mit zwei seiner Konzertarien: "A questo seno" KV 374 und "Vorrei spiegarvi, o Dio" KV. Dabei begleiteten sie die junge brasilianische Sopranistin Ludmilla Bauerfeldt, die sich 2014 als Adina in der konzertanten Aufführung von Donizettis "L'elisir d'amore" vorgestellt hatte.

Souveräne Gerstalterin

Sie bot auch dieses Mal eine überzeugende Vorstellung. Sie hat eine außerordentlich biegsame, warme Stimme, mit der sie starke Klangfarben variieren kann. Sie hat ein breites, gut bestücktes Höhenspektrum, das ihr ermöglicht, auch in der lauten Höhe nicht zu schreien. Sie kann sehr gut Emotionen charakterisieren. Und sie ist absolut intonationssicher.
Was sie bei den beiden Arien auch sein muss, vor allem bei der zweiten. Denn da ließ Mozart seine Schwägerin Aloysia Weber dafür büßen, dass er nicht sie, sondern nur ihre Schwester Konstanze abbekommen hat. Die technischen Gemeinheiten, die er da hineinpackte wie Intervallsprünge über zwei Oktaven ins tiefste Register, bewältigte Ludmilla Bauerfeldt durchaus bravourös. Die Wiener Akademie bot ihr da eine sehr gut ausgewogene, stützende, klanglich angepasste Begleitung.
Hoch interessant war der Abschluss des Konzerts. Franz Schuberts große C-dur-Sinfonie Nummer 8 in der historisch orientierten Spielweise der Wiener. Denn vieles konnte man durch die gedeckten Klangfarben der Streicher und der Naturblasinstrumente völlig neu hören. Da wurde nicht krachend musiziert wie mit modernen Instrumenten, sondern da ging es um Differenzierungen des Leisen, um Klangfarbenkon-traste, um Rhythmisierungen - der Paukist mit seinen zwei Pauken und seinen zwei Schlegeln spielte da eine herausragende Rolle. Da wurde man geradezu gezwungen zuzuhören. Aber genau das machte großen Spaß. Der lange Beifall zeigte, dass die Konzeption angekommen war.
Aber vorher! Vor der Pause erklang das berühmt-beliebte Tripelkonzert für Klaviertrio und Orchester von Ludwig van Beethoven. Vor vielen Jahres gab es das schon einmal mit dem Trio Fontenay, vor geschätzten vier Jahren mit den Capuçon-Brüdern und Lars Vogt. Da ging's zur Sache.
Aber dieses Mal? Man soll ja immer etwas Positives schreiben. Also: Die Wiener Akademie hatte sich bestens vorbereitet. An ihr lag es nicht, dass die Aufführung nicht zu einem bleibenden Erlebnis wurde. Es lag an den drei Solisten, die schon das Problem hatten, überhaupt nicht zusammenzupassen und auch nicht aufeinander eingespielt waren.

Präzise, aber zu leise

Melvyn Tan spielte mit der von ihm bekannten Zuverlässigkeit, bot Stabilität, wenn man sie suchen wollte. Bei ihm war das Problem, dass er einen Hammerflügel, eine schöne Kopie der Bamberger Manufaktur Neupert, spielte, der einfach zu leise war. Die perkussiven Aspekte seiner Töne waren immer mal zu hören, die melodischen gingen unter. Das war schade, denn das Klavier zieht immer eine Art Fazit der beiden Streicher.
Der Geiger Giuliano Carmignola gilt als Spezialist für alte Musik. Ist er auch. Aber er war sichtlich nicht vorbereitet, hing an den Noten wie die Wespe am Marmeladenglas. Er leistete sich erstaunliche Ungenauigkeiten, wurde immer leiser, wenn's schwieriger wurde, und hatte keine Zeit, auch einmal zu seinen Mitspielern zu schauen. Dass er immer wieder mit seinem linken Fuß den Rhythmus klopfte, war kein Zeichen einer eingespielten Zusammenarbeit.
Das hätte man alles vielleicht in den Griff kriegen können, aber mit Jan Vogler war das nicht zu machen.Das lag weniger daran, dass sein Instrument von der Besaitung und Stimmung nicht zu dem Orchester und zu Carmignolas Violine passte. Sondern daran, dass Vogler sich - wie letztes Jahr bei seinem Debüt mit den Rokoko-Variationen auch schon - an den Grenzen seiner technischen Möglichkeiten bewegte, zwar oft pünktlich begann, aber verspätet aufhörte und immer wieder in den romantischen Tonfall verfiel. Und weil er, um nicht allzu auffälig zu werden, immer wieder das Tempo herausnahm. Man hätte gerne Lippen lesen können, als Martin Haselböck Vogler seinen Einsatz zum dritten Satz gab und der sofort die Handbremse zog. Das ist auch für die Mitspieler nicht angenehm, die nicht immer wussten, an welchem Tempo sie sich orientieren sollten.
Schade um die nicht begeisterten Wiener. Man darf gespannt sein, wann der Bayerische Rundfunk die Aufzeichnung sendet.