Gerichtsvollzieher mit dem Messer bedroht
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Mittwoch, 20. März 2013
Im Amtsgericht Bad Kissingen wurden ein junger Mann und seine Frau verurteilt, weil sie einen Gerichtsvollzieher mit einem Messer bedroht haben sollen. Die Aussagen der Zeugen waren jedoch vor Gericht sehr widersprüchlich.
Eigentlich begann die Geschichte ja noch ganz einvernehmlich. Ein junges Paar stand jetzt in Bad Kissingen vor dem Amtsrichter, weil die beiden den Hammelburger Gerichtsvollzieher mit einem Messer bedroht und beleidigt haben sollen, als dieser mit zwei Haftbefehlen bei ihnen vor der Tür gestanden war - beziehungsweise in die Wohnung gekommen war.
Der Vollstreckungsbeamte hatte es vormittags schon einmal ohne Erfolg versucht und war am Nachmittag wiedergekommen. Die jungen Leute müssten jetzt da sein. Er habe ein Rollo gehört, meinte ein Nachbar. Also stieg er in den ersten Stock und klopfte an der Tür. Aber es öffnete ein junger Mann mit dem Kind des Ehepaars auf dem Arm. Er stellte sich als Babysitter vor. Seine Freunde seien nach Bad Kissingen gefahren, kämen aber erst am nächsten Tag zurück.
Der Gerichtsvollzieher trat ein paar Schritte in den Flur, weil er sich von dem jungen Mann die Handy nummer der beiden geben lassen und notieren wollte. Tatsächlich waren sie auf dem Balkon, um eine zu rauchen. Und da beginnt die Geschichte, auseinander zu laufen. Und zwar deshalb, weil jetzt ein Messer ins Spiel kommt, das es angeblich nicht gegeben hat und das nur der Gerichtsvollzieher gesehen haben will.
"Vielleicht etwas aggressiv"
Der Angeklagte: "Ich habe mit dem Gerichtsvollzieher schon mal schlechte Erfahrungen gemacht. Ich bin vielleicht etwas aggressiv auf ihn zugegangen und habe ihn aufgefordert, sofort die Wohnung zu verlassen." Er habe kein Recht, sich in den Räumen aufzuhalten. Der Gerichtsvollzieher habe sich dann vor die Wohnungstür zurückgezogen. Er selbst habe vor Wut die Wohnungstür zugeschlossen und den Schlüssel abgezogen: "Das mache ich immer, wenn ich wütend bin." Dann sei er raus gerannt, um sich bei einem Spaziergang abzureagieren.
Dabei kam er an dem Gerichtsvollzieher vorbei, dem er einen unflätigen Ausdruck zuwarf. Erst wollte er nicht sagen, welchen: "Arschloch war es jedenfalls nicht." Aber später räumte er ein: "Ich habe ihn ,Assi' genannt. ,Arschloch' nenne ich nur liebevoll meine Kumpel." Ein Messer, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwarf, habe er nicht in der Hand gehabt. Das sei ein Schlüsselbund mit einem silbrig glänzenden Band gewesen: "Wer weiß, was der durch das Geländer gesehen hat." Er habe zwar Messer, aber die seien ihm als gelerntem Koch heilig. Er habe auch schon mal ein Schnappmesser gehabt: "Das wurde schon vor Jahren von der Polizei eingesackt."
Das Klopfen nicht gehört
Die Angeklagte: "Ich habe das Klopfen überhaupt nicht gehört. Ich stand dann hinter meinem Mann und habe gesagt, dass der Gerichtsvollzieher hier nichts zu suchen hat." Schon im Dezember habe sie den Freund darauf hingewiesen: "Der darf hier nicht rein." Sie sei immer hinter ihrem Mann geblieben, weil sie wissen wollte, was passiert und worum es eigentlich geht.
Mulmige Erinnerungen
Der Gerichtsvollzieher: "Das mit Bad Kissingen kam mir gleich komisch vor wegen dem kleinen Kind. Die beiden sind vielleicht vom Balkon gekommen, weil sie dachten, dass ich wieder weg bin." Zu körperlichen Übergriffen sei es von beiden Angeklagten nicht gekommen. "Ich habe mich zurückgezogen, um die Sache nicht eskalieren zu lassen. 14 Tage zuvor war ein Kollege von mir in Karlsruhe erschossen worden."
Umso erschrockener war er, als der Angeklagte plötzlich mit einem Messer direkt vor ihm im Treppenhaus stand, auch wenn er es nicht direkt auf ihn gerichtet hatte. Es sei ein Schnappmesser gewesen mit acht bis zehn Zentimeter langer Klinge und kleinen Schnüren am Ende. Ein Schlüsselbund sei es auf jeden Fall nicht gewesen. Auf dem Treppenpodest habe er die Polizei angerufen. Da sei der junge Mann an ihm vorbei gerannt und habe "Arschloch" zu ihm gesagt. Dann sei die Frau noch einmal aus der Wohnung gekommen und habe zu ihm gesagt: "Das mit dem Messer war eine Überreaktion."
Ein bisschen anders erinnert
Der Freund und Zeuge: "Als es geklopft hat, haben die beiden durch den Türspion geschaut, wer draußen ist. Dann sind sie zum Rauchen auf den Balkon gegangen." An alles kann er sich nicht mehr erinnern. Aber: "Den Schlüsselbund hat er in der Hand gehabt, als er den Mann zur Wohnung rausgedrängt hat. Das mit dem Schlüsselbund war in der Wohnung." Er selbst habe sich immer im Hintergrund gehalten. Warum er den Gerichtsvollzieher überhaupt in die Wohnung gelassen habe, könne er heute nicht mehr sagen.
Der ermittelnde Polizeibeamte: "Wir haben eine Fahndung nach dem Täter ausgelöst, weil wir ihn für flüchtig halten mussten." Aber der sei von alleine wieder zurückgekommen, wo er von den Kollegen in Empfang genommen wurde. Der Polizist bestätigte aufgrund seiner Ermittlungen im wesentlichen die Aussagen des Gerichtsvollziehers. Eines sei allerdings auffällig gewesen: "Als der Angeklagte seine Hände für eine Durchsuchung auf das Polizeiauto legen sollte, fingerte er schnell aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund mit der Frage: ,Wollt ihr mal mein Messer sehen?' Aber eigentlich konnte er überhaupt nicht wissen, dass wir nach einem Messer suchen."
Schlüsselgeschichte kam nicht an
Richterin Eva Kloos ließ sich auf die etwas unsortierte Schlüsselgeschichte nicht ein. Die Widersprüche in den Aussagen der Beklagten und des befreundeten Zeugen waren ihr zu offensichtlich. Zudem wollte sie den Satz der Angeklagten wegen der Überreaktion nicht übergehen. Andererseits rechnete sie den beiden ihre Geständigkeit in Teilen positiv an. So folgte sie im Wesentlichen den Forderungen der Staatsanwaltschaft und verurteilte den jungen Mann wegen Widerstands in einem besonders schweren Fall zu sieben Monaten Freiheitsentzug und zu zwei Wochen - als Gegenrechnung zu 20 Tagessätzen - wegen Beleidigung.
Die Strafe wurde zur Bewährung auf drei Jahre angesetzt Die junge Frau wurde wegen einfachen Widerstands zu 30 Tagessätzen zu 10 Euro verurteilt. Außerdem müssen beide 750 Euro an die Hammelburger Tafel überweisen. Das Urteil wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig: Weder die Verurteilten noch die Staatsanwaltschaft kündigten Widerspruch an.