Gericht: Gezanke vor den Kindern
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Dienstag, 25. Sept. 2018
Wenn sich Mama und Papa zoffen, leiden die Kinder oft am meisten. Das Kissinger Amtsgericht will bei diesem Prozess dafür sorgen, dass jetzt endlich Ruhe einkehrt.
Mit geschwollenen, roten Augen kommt Helena* in den Gerichtssaal. Heute wird ihr niemand Fragen stellen, erklärt die Richterin am Kissinger Amtsgericht. Auf der Anklagebank sitzt ihr Vater. Die Eltern hatten sich in die Haare gekriegt. Mal wieder.
Normalerweise würde Helena* (*Name von der Redaktion geändert) jetzt im Unterricht sitzen. Stattdessen der Termin am Gericht. Mal wieder. Sie und ihr kleiner Bruder hatten alles mitbekommen. Letztes Jahr, kurz nach Weihnachten.
Er soll die Mutter seiner Kinder beleidigt und herabgewürdigt haben. Hausfriedensbruch, üble Nachrede, gefährliche und fahrlässige Körperverletzung stehen außerdem auf der Liste der Staatsanwältin. Verheiratet war das Paar nie. Stress gab es immer. Die Richterin hatte dem Angeklagten schon einmal Arbeitsstunden aufgebrummt. "Ratz-fatz" waren die abgeleistet, sagt sie. Erst vor zwei Wochen war zuletzt verhandelt worden wegen einer der anderen Sachen, die zwischen den beiden stehen. Nicht der erste Prozess. Und nicht der letzte: Die Auseinandersetzung vom letzten Monat hat das Gericht heute noch gar nicht auf dem Zettel.
Zoff in der Zimmertür
Letztes Jahr, die Bescherung war gelaufen, Weihnachtsstimmung: naja. Als ihr Papa mittags zur Wohnung kommt, wo früher alle gemeinsam gewohnt hatten, ist die 17-jährige Helena* mit ihrem Bruder gerade in ihrem Zimmer. Die Eltern zoffen sich und schreien rum. Gerangel an ihrer Zimmertür. Mamas Fuß wird eingeklemmt. Am gleichen Tag postet Papa auf Facebook, was für ein "grausamer, seelenlsoer Mensch" seine Ex-Partnerin sei. Dazu ein Foto und ein Video. "Das dürfen Sie nicht ungefragt veröffentlichen: Das geht einfach nicht", sagt die Richterin.
Was für die Staatsanwältin außerdem gar nicht geht: Die Kinder bekommen all das mit. Die Streitereien. Immer wieder. Als Helenas* Mutter vom Gericht befragt wird, findet die junge Vertreterin der Schweinfurter Staatsanwaltschaft deutliche Worte: "Das müssen Sie sich sagen lassen: Sie wissen hoffentlich, dass Sie Ihren Kindern schwere Schäden zufügen. Sie müssen Ihre persönlichen Befindlichkeiten zurücknehmen - nicht vor den Kindern."
Die Frau ist gerade durch mit einer stationären Therapie in einer psycho-somatischen Klinik. Arbeiten kann sie schon seit einigen Monaten nicht mehr. "Hysterisch" sei sie, wenn es um den Umgang mit den Kindern geht, meint der 47-jährige Angeklagte. Er ist müde vom ewigen Gezanke. Ständig Stunk macht mürbe. Sein Verteidiger an seiner Seite erzählt von einem Telefonat mit der Ex seines Mandanten, bei dem sie ununterbrochen geschrien habe: "Da fragen Sie sich: Ist das noch menschlich?"
Vermittlerin stellt Regeln auf
Seit sich eine Vermittlerin vom Familiengericht eingeschaltet hat, ist Ruhe eingekehrt. Einigermaßen. Eine Woche bei Mama, eine bei Papa, Mitte der Woche wird getauscht - so die Regelung für Helenas* Bruder, der gerade eingeschult worden ist.