Gemeinsam statt einsam
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Freitag, 08. Juli 2016
Die Tagesstätte des Diakonischen Werks für psychisch Kranke in Bad Kissingen besteht seit zehn Jahren. Mitarbeiter, Betreute und Gäste feierten gemeinsam.
Vor zehn Jahren eröffnete das Diakonische Werk Schweinfurt seine Tagesstätte für psychisch kranke Menschen in Bad Kissingen am Standort des früheren Theresien-Krankenhauses in der Steinstraße. Am Freitag feierten nun Diakonie-Vorstand, Mitarbeiter und Betreute mit Partnern und Gästen aus der Sozialwirtschaft dieses Jubiläum mit Festansprachen und geselligem Miteinander am Grill.
"Die Besucher unserer Tagesstätte sind heute die Gastgeber, deshalb
helfen sie bei der Bewirtung unserer Festgäste kräftig mit", betonte Leiter Jürgen Wolfer, der in seinem Vortrag die etwa 70 Gäste mit der inhaltlichen Arbeit der Einrichtung vertraut machte.
Zuvor hatten Pfarrer Jochen Keßler-Rosa als Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks und Elke Krug, Leiterin des Geschäftsbereichs Soziale Dienste, die in zehn Jahren geleistete Arbeit der Mitarbeiter gewürdigt und an die Anfänge der Tagesstätte im April 2006 als teilstationäre Einrichtung erinnert.
16 Plätze
Damals begann die Diakonie zunächst mit zwölf Betreuungsplätzen für Bewohner des Landkreises. Doch bevor mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden konnte, mussten in den ersten Wochen erst einmal leere Räume mit dem Notwendigsten ausgestattet werden. In den folgenden zehn Jahren wurden insgesamt über 50 Menschen umsorgt.
Heute bietet die Tagesstätte 16 Plätze, betreut werden aktuell sogar 20 Betroffene, alle zwischen 30 und 60 Jahren alt, in täglich vier Stunden. "Vier Stunden sind für viele schon recht anstrengend", weiß Ergotherapeutin Janette Heß aus Erfahrung. Deshalb sind zwischen den Beschäftigungsphasen mit Basteln, Flechten, Knüpfen oder handwerklichen Tätigkeiten ganz gezielt Entspannungsphasen eingebaut. Bei solchen Beschäftigungen entdeckt mancher Betreute ein bisher ungekanntes Talent, woraus er selbst wieder stärkeren Lebenssinn schöpft und vielleicht einen Rückweg aus seiner Depression in ein halbwegs selbstständiges Leben finden kann.
Alle Schichten vertreten
Die Gründe für die Anmeldung der Besucher in der Tagesstätte sind so unterschiedlich wie deren gesellschaftliche Herkunft.
"Vom Handwerker bis Akademiker war bei uns schon alles vertreten", machte Wolfer deutlich. "Manche wurden mitten aus ihrem normalen Leben gerissen." Ursachen sind meistens Psychosen, Schizophrenien, manisch-depressive Erkrankungen oder vermehrt auch Persönlichkeits- oder Borderline-Störungen, also mangelnde Gefühlskontrolle.Für diese psychisch Kranken, so hat Jürgen Wolfer festgestellt, dient die Diakonie-Einrichtung getreu dem Tagesstätten-Motto "Gemeinsam statt einsam" vorrangig als Treffpunkt, um aus der persönlichen Isolation herauszufinden, unter andere Menschen zu kommen, Ansprache zu erhalten, eine sinnvolle Tagesstruktur sowie Beschäftigungsmöglichkeiten und nicht zuletzt auch ein gutes Mittagessen zu bekommen.
Einige Tagesstätten-Besucher leben eingebunden im Familienkreis, manche auch mit Partner in der eigenen Wohnung. Zehn von ihnen leben völlig allein in ihrer Wohnung in und um Bad Kissingen. Sie werden regelmäßig, nach Terminvereinbarung oder bei Bedarf von der Diakonie-Abteilung "Ambulant betreutes Einzelwohnen" besucht. "Wir helfen unseren Schützlingen zuhause beim Ausfüllen von Anträgen, bei Arzt- oder Klinikbesuchen, geben Hilfe bei der Hauswirtschaft, sorgen für den Aufbau sozialer Kontakte und für die Freizeitgestaltung", erläuterte Jennifer Stanton ihre Aufgabenvielfalt. Ihre Abteilung bildet zusammen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, den Luisa Mühlstein im Haus leitet, und der Tagesstätte in der Steinstraße das Sozialpsychiatrische Zentrum der Diakonie. Wolfer: "Wir arbeiten zum Wohl unserer Betreuten eng zusammen."
Bald wird die Tagesstätte noch um einen Gruppen- und einen Ausstellungsraum erweitert. Die Erhöhung der Betreuungsplatzzahl ist nicht angedacht, obwohl Bedarf da wäre. "Vor vier Jahren hatten wir im Betreuten Wohnen nur 16 und heute 28 Bewohner", brachte Luisa Mühlstein als Beispiel. Die Gründe für den wachsenden Bedarf sind offensichtlich. Wolfer: "Der Leistungsdruck wächst und die Gesellschaft geht offener mit dem Thema um. Eine psychische Erkrankung ist heute kein Tabu mehr."