Ganze Familie auf der Anklagebank
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Freitag, 08. April 2022
Sie waren wiederholt auf Diebestour: Nun gab es Freiheitsstrafen auf Bewährung. Bei einer Durchsuchung der Wohnung hatte die Polizei in Koffern und Taschen gestohlene Waren gefunden.
Großvater, Eltern und Sohn saßen gemeinsam auf der Anklagebank des Bad Kissinger Amtsgerichts und wurden des gemeinschaftlich begangenen schweren Diebstahls beschuldigt. Teilgeständnisse und Leugnungen hielten sich in dieser von zwei Dolmetschern übersetzten Verhandlung die Waage. Doch Zeugenaussagen und eindeutiges Foto- und Videomaterial aus dem bestohlenen Supermarkt ließen keine Zweifel an der Schuld der Familie.
Im Januar vergangenen Jahres war die vierköpfige Familie zum ersten Mal im Verbrauchermarkt erschienen. Während die Mutter ihren Einkauf ordentlich erledigte und später an der Kasse auch bezahlte, verließen Vater und Sohn mit zwei vollen Einkaufswagen den Markt durch die Gemüseabteilung abseits der Kasse. Als der aufmerksam gewordene Markt-Mitarbeiter die Verfolgung aufnahm, wollte die Mutter ihn aufhalten und stellte sich ihm in den Weg. "Die Frau war nicht direkt beteiligt, hat aber offensichtlich gewusst, was passiert", sagte die Polizistin vor Gericht, die im Rahmen ihrer Ermittlungen alle Videos ausgewertet hatte. Während der Sohn bei Befragung durch die Richterin in seiner Aussage unklar blieb, gab der Vater diese Tat im Januar für beide zu. Doch den zweiten der Familie vorgehaltenen gemeinschaftlichen Diebstahl im Februar bestritt er wiederholt.
Als die Familie im Februar erneut den Verbrauchermarkt betrat, wurde sie von den als Zeugen geladenen Markt-Mitarbeitern sofort erkannt und sowohl im Ladengeschäft verfolgt als auch über die dort installierten Kameras vom Büro aus beobachtet. Während sich der Sohn diesmal draußen vor dem Markt zurückblieb, verteilten sich die drei Erwachsenen im Geschäft. Das Elternpaar schien die Überwachung durch das Markt-Personal bemerkt zu haben. Nur beim Großvater fand man später in einer Papiertüte Kosmetikartikel im Wert von 270 Euro, deren Diebstahl er vor Gericht auch zugab. Der Kassenbon der Frau wies im Abgleich mit der bei ihr gefundenen Ware keine Unstimmigkeit auf.
Bei Durchsuchung der Wohnung entdeckte die Polizei in Koffern und Taschen verborgenes Diebesgut - Kosmetik, Elektronik und Bekleidung - im Gesamtwert von etwa 10.000 Euro, größtenteils noch mit den Preisschildern der Märkte und Warenhäuser. "Das ist unmöglich", meinte der Vater zum genannten Warenwert. Und weiter: "Das war alles Eigentum der Familie." Doch die Richterin ließ sich nicht beirren: "Ich habe nicht so viele Sachen zu Hause." Der Gesamtwert von 10.000 Euro stünde zudem in keinem Verhältnis zur Höhe der Sozialhilfe, die die Familie erhält.
Professionelle Arbeitsteilung
Während der Verhandlung äußerten sich nur die beiden Männer zu den Taten, während Mutter und Sohn reglos dem Geschehen folgten, als hätten sie mit beiden Fällen nichts zu tun. Dennoch sah der Staatsanwalt nach Anhörung aller Zeugen den Sachverhalt als erwiesen an, auch wenn die Angeklagten in unterschiedlicher Weise beteiligt waren. Auch die Ehefrau habe durch ihr Verhalten deutlich gezeigt, dass sie Bescheid gewusst habe. Gerade die "professionelle Arbeitsteilung" beim gemeinschaftlichen Vorgehen und der Fund des Diebesguts in der Wohnung würde den Vorwurf des gewerbsmäßigen Diebstahls erhärten. Die Richterin folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Vater zu neun Monaten Freiheitsstrafe und 100 Arbeitsstunden, die Mutter zu sechs Monaten und 50 Stunden, den Großvater nur zu fünf Monaten angesichts seines Gesundheitszustands und den Sohn zu einem Wochenende Freizeitarrest. Da die Erwachsenen bereits nach vorherigen Diebstählen zu Geldstrafen verurteilt worden waren, waren es diesmal Freiheitsstrafen, die beim Vater zu drei Jahren, bei den beiden anderen zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurden. Doch gerade diese ihm zu lang scheinende Bewährungszeit erzürnte den Großvater: "Ich gehe lieber drei Monate ins Gefängnis als dass ich zwei Jahre Bewährungszeit habe."
Die Richterin verstand und bat deshalb den Dolmetscher, dem Verurteilten noch einmal klarzumachen: "Er darf in diesen zwei Jahren nicht mehr klauen."