Gänge an die Grenze
Autor: Christian Dijkstal
Bad Kissingen, Montag, 14. Januar 2013
Es ist schon eine lange Tradition, dass im Kissinger Winterzauber ausgesuchte Nachwuchskünstler aus der Region eine Bühne finden. Die 18-jährige Samira Spiegel hatte für ihr Winterzauber-Debüt ein ehrgeizig-anspruchsvolles Programm zusammen gestellt - in dreifacher Hinsicht: technisch schwierig, stilistisch differenziert und lang.
Mit diesen geballten Ansprüchen geriet die junge Pianistin in der Matinée an ihre Grenzen, gelegentlich auch weiter. Wer ein Nachwuchskonzert hört, erwartet keinen fertigen Star. Allerdings schmerzt es, wenn ein ambitionierter, fleißiger, mit guten pianistischen Fähigkeiten ausgestatteter junger Mensch sich überfordert.
Schön gestaltet, weich gehalten war die Barcarole Fis-dur von Chopin: Verträumt klang die Melodie zum regelmäßigen Wellen- und Ruderschlag. Samira Spiegel legte, auch in klanglich intensiven Passagen, nicht zu viel Kraft in ihr Spiel. Das ließ ahnen, dass das Konzert keine der üblich gewordenen "Lauter-Schneller-Pompöser"-Paraden werden würde. Ein Pluspunkt.
In Beethovens "Les-Adieux"-Sonate vermisste man eine klare Gestaltung. Flach wirkte sie, kühl, ihre Brüche ungelenk kantig. Der eine oder andere Ton ging in die Irre oder verloren. Die Sonate wollte keine Kontur bekommen.
In Prokofjews Sonate Nr. 3 a-moll war zu hören, dass die Hände auch kräftig zupacken können, ohne ins Brutale abzugleiten. Die Gegenüberstellung herber, von stereotypen Figuren geprägter Abschnitte und lyrischer Passagen überraschte, wenn auch nicht immer deutlich wurde, was die Aussage sein sollte. Faszinierend jedenfalls war es, wie die junge Spielerin sich den Herausforderungen des Werkes stellte. Auch bei Liszts Fantasie und Fuge über B-A-C-H. Die große Klangkraft kam hier oft aus dem Gebrauch des rechten Pedals, was nicht immer zum Vorteil der Klarheit war. Am schönsten waren Debussys acht Préludes, weil sie am abwechslungsreichsten waren, wenn auch farblich relativ ähnlich; hier hatte man eher Vergnügen an der Wiedergabe der Formen. Der 2. Ungarischen Rhap sodie von Liszt hätte es nicht mehr bedurft. Es blieb der Eindruck, dass jemand mit seinem Können um jeden Preis beeindrucken wollte oder sollte. Fraglich, ob das musikalisch, pädagogisch, menschlich sinnvoll ist.
Eine Sache sei noch angemerkt: Die Pianistin hätte einen besser gestimmten Flügel verdient. Dessen Unsauberkeiten waren eine Zumutung.