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Für die Wallfahrer ein unbezahlbares Erlebnis


Autor: Stefan Geiger

, Montag, 17. Sept. 2012

"Die Wallfahrt nach Retzbach gibt mir so viel, dass ich das ganze Jahr davon zehren kann", sagt Monika Nöth. Zum 40. Mal war sie dabei und wurde mit einem Ehrenbild ausgezeichnet. Im Jahr 1969 war sie das erste Mal mitgepilgert, mitgenommen von ihrer Tante Emma Büttner.
Mehr als 300 Pilger ziehen durch einen Wiesengrund bei Schwebenried.  Foto: Stefan Geiger


"Damals waren wir etwa 100 Teilnehmer. So eine perfekte Versorgung wie heute gab es noch nicht. Wir hatten Essen und Trinken für die Raststationen meist selbst dabei. Heute werden wir unterwegs optimal betreut", ergänzt sie. "Noch nie bin ich ohne Blasen an den Füßen durchgekommen."

An zwei Tagen nacheinander 100 Kilometer zu laufen, geht nicht ohne Spuren. Jeweils zwölf Stunden sind die Pilger unterwegs, unterbrochen durch Pausen, um neue Kräfte zu tanken und manche Beschwerden von den Sanitätern Rudi Baier und Günther Gößmann-Schmitt behandeln zu lassen. "Neben Blasen machten vor allem Kniebeschwerden zu schaffen."

Als Jüngster war der Zwölfjährige Daniel Erhard zum dritten Mal dabei. "Jeder unterhält sich mit mir, jeder spricht mir Mut zu, jeder ist für jeden da.

Es ist einfach schön, mit so vielen zusammen zu sein", erzählt er, begleitet von seinen Eltern und seiner Schwester. 116 Teilnehmer machten sich am frühen Samstag um 2.30 Uhr in der Kirche in Oerlenbach auf den Weg.

Unterwegs schlossen sich in Ebenhausen, Poppenhausen, Kronungen, Kützberg, Obbach, Brebersdorf und Kaisten viele weitere Wallleut an. In Schwebenried zählte der Zug 323 Personen, die über Arnstein weiter nach Retzbach zogen. Oberhalb des Ortes stießen weitere Wallfahrer dazu, die mit Doppeldeckerbus und Privatautos gekommen waren. Müde und begeistert zogen sie in die Wallfahrtskirche. Dann folgte der Kreuzweg. 1000 Gläubige feierten die abendliche Liturgie. Lichterprozession und Eucharistie rundeten die Feier ab.

Früh aufstehen hieß es am Sonntag, um den Morgengottesdienst um 6 Uhr mitzufeiern. Auch diesmal übernahmen vier Pilger den Ministrantendienst. Nach dem Frühstück machten sich 161 Teilnehmer auf den Rückweg auf gleicher Tour mit Rast in Reuchelheim, Schwebenried, Brebersdorf und Kronungen. Hin- und Rückweg füllten etwa zu drei Viertel der Zeit Gebete, Betrachtungen, Meditationen, Musikstücke und Lieder, zusammengestellt von Otmar Lutz und seinem Vorbereitungsteam. Der Auflockerung dienten Mundartgeschichten.

Nicht wegzudenken sind die "Retzbachmusikanten" mit Otmar Lutz. "25 Musiker aus 26 Ortschaften", sagte er. Sie begleiten den Gesang. Seit sieben Jahren in Folge reist Paul Goldmann aus München an, um mitzuspielen. Der gebürtige Rannunger wechselte vor 13 Jahren beruflich in den Süden. Für Retzbach nimmt er sich Zeit. "Ein solches Erlebnis kann ich mir in der Stadt nicht kaufen. In der Kapelle werde ich so toll aufgenommen. Hier mitmachen zu dürfen, das möchte ich nicht missen", bekennt er.

Viele Mitstreiter braucht Wallfahrtsführer Otmar Seidl. Begleitfahrzeuge sind nötig, um Gepäck und Instrumente mitzunehmen. Helfer kümmern sich um die Sicherheit, zumal manche Abschnitte auf Bundes- und Gemeindestraßen verlaufen. Andere tragen Wallfahrtsbild, Fahnen und Lautsprecher. Dazu gehörte wieder der 24-jährige Christian Wetterich, der zum 12. Mal dabei war und barfuß einen Lautsprecher übernahm.

Pilger mit Leib und Seele ist Wilhelm Karch, der jahrzehntelang die Wallfahrt leitete und wieder die Übernachtungen organisierte. Als ältester Teilnehmer mit 84 Jahren meisterte er zu Fuß fast die gesamte Strecke und hat für jeden ein Wort der Ermutigung. Mit Wanderungen in der Umgebung und der Wallfahrt nach Vierzehnheiligen hält er sich fit.

Es war schon dunkel, als die Prozession am Sonntagabend Oerlenbach erreichte. Nach kurzem Halt am Wallfahrtskreuz mit der Melodie "Leise sinkt der Abend nieder" schlossen ein feierlicher Lichtereinzug in den Ort und ein "Großer Gott wir loben dich" die Wallfahrt ab. "Ich bin sehr zufrieden und dankbar", resümierte Wallfahrtsführer Otmar Seidl, "alle haben äußerst diszipliniert mitgemacht."