Druckartikel: Fühlen, riechen, schmecken mit dem Stollenprüfer

Fühlen, riechen, schmecken mit dem Stollenprüfer


Autor: Sabine Memmel

Bad Kissingen, Montag, 12. November 2012

In der Schalterhalle der Sparkasse hat es gestern besonders gut gerochen. Stollenprüfer Manfred Stiefel hat das Gebäck alles andere als satt.
Mit allen Sinnen: Nach strengen Richtlinien prüft der Stollenprofi Manfred Stiefel das Festtagsgebäck auf Herz und Nieren.  Fotos: Sabine Herteux


Der verführerische Geruch steigt sofort in die Nase. Obwohl die Stollen alle noch in Folie verpackt sind. Lässig streift sich Manfred Stiefel seinen weißen Kittel über. Zig Stollen liegen vor ihm auf dem Tisch, wurden eigens für ihn kreiert und warten jetzt darauf, von dem Tester am Institut für Qualitätssicherung von Backwaren (IQ Back) gekostet zu werden. Ein beneidenswerter Job. Vor allem um diese Jahreszeit. "Letztes Jahr waren es insgesamt 1000 Stollen. Und mir schmeckt es immer noch gut", sagt er.


Champagner und Kirschmandeln

Und auch aus der 49 Mitglieder großen Bäckerinnung Bad Kissingen/ Rhön-Grabfeld gibt es für Stiefel heuer wieder viel zu probieren: Champagnerstollen, Vollkornstollen, Kirschmandelstollen mit Schokotropfen - für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Die Bäcker nehmen freiwillig an der Stollenprüfung teil, "um zu wissen, wo sie qualitätsmäßig stehen und ob sie sich weiter verbessern können", erklärt Stiefel.

Der Stollenprofi packt inzwischen das erste Gebäck aus und schneidet es vorsichtig auseinander. Ein leichter Christstollen, gebacken von Heribert Hedrich, Bäckermeister und stellvertretender Obermeister der Bäckerinnung Bad Kissingen/Rhön Grabfeld. Behutsam nimmt Stiefel den Stollen in die Hand, riecht daran, ertastet ihn, begutachtet ihn von allen Seiten. Und dann kommt das Beste: die Kostprobe. Die nimmt er sich aus der Mitte des Stollens. "Der Geschmack am Rand ist anders", sagt er und nimmt einen kräftigen Bissen. Anschließend heißt es für ihn kauen... langsam kauen. Denn: "Kauen braucht seine Zeit. Man muss dem Aroma eine Chance geben, sich zu entfalten."

Als Qualitätsprüfer ist Stiefel in ganz Süddeutschland unterwegs. Stollen prüft er jetzt schon seit drei Wochen. Noch bis Weihnachten. Vor acht Jahren hat der Bäckermeister aus Konstanz eine Schulung zum Qualitätsprüfer gemacht. Eine eigene Bäckerei hat er seitdem nicht mehr. "Manchmal backe ich aber schon auch noch zuhause", sagt der gebürtige Berliner.


Stollen auch privat auf dem Tisch

Der Christstollen ist mittlerweile fertig gekaut. Jetzt vergibt Stiefel an seinem Computer Punkte für Aussehen, Geschmack und Co. Bäcker trudeln währrenddessen mit neuen Stollen ein. Pro Tag darf Stiefel höchstens 30 Stück probieren. "Sonst schmeckt man irgendwann nichts mehr." Stollen mit Datteln oder Ingwer waren bisher das Außergewöhnlichste, was ihm serviert wurde. "Zum Glück ist noch keiner auf die Idee gekommen, einen herzhaften Stollen mit Käse- oder Wurstfüllung zu machen."

Und es wird weiter geprüft. Heute in Hammelburg, morgen in Bad Neustadt. "Ich bin ehrlich genug, um zu sagen, dass es schon gut ist, dass das nach Weihnachten wieder vorbei ist." Aus den Ohren hängt ihm der Stollen aber noch lange nicht. Den gibt es nämlich zur Zeit auch bei ihm zuhause. "Das gehört einfach dazu", sagt der Tester und spült seinen Mund mit Mineralwasser - für den nächsten Stollen.