Druckartikel: "Früher roch das Gradierwerk anders"

"Früher roch das Gradierwerk anders"


Autor: Thomas Mäuser

Bad Kissingen, Dienstag, 20. Oktober 2015

Hilla Schütze glaubt, dass die Saline nicht richtig bewirtschaftet wird. Die Staatsbad GmbH weist die Vorwürfe zurück.
Die grünlichen Algenablagerungen zeugen nach Meinung von Hilla Schütze von einem falschen Betrieb des Gradierwerkes. Fotos: Thomas Mäuser


Hilla Schütze zeigt auf die Ablagerungen, die sich von oben bis nach unten ziehen. "So haben die Dörner am Gradierbau früher nicht ausgesehen", sagt sie, und als Beweis zeigt sie auf ein kleines Stückchen gleichmäßig mit festen Ocker-Ablagerungen umhülltes Stück Reisig. Sie ist der Meinung, dass das Gradierwerk schon lange nicht mehr richtig bewirtschaftet wird. Ein Vorwurf, dem die Staatsbad GmbH energisch widerspricht.

"Als alter Kissinger merkt man, dass die Luft am Gradierbau nicht mehr stimmt", fährt Hilla Schütze fort. Früher, da sei es eine enorm frische, anregende Salzluft gewesen, "die ist nicht mehr vorhanden".


Stimmt die Zusammensetzung?

Sie weiß, dass sie Laie ist, doch Hilla Schütze glaubt, dass irgendwas mit der Zusammensetzung des Wassers nicht stimmt. Das erkenne man auch daran, dass der Schwarzdorn-Reisig nicht versteinere. Stattdessen bilde sich grünliches Zeug, das wie Algen aussehe: "Nie in seiner Geschichte hat der Gradierbau ein solches Gesicht geboten."

Hilla Schütze glaubt auch, dass die therapeutische Wirkung der Saline deswegen eher marginal sei. Und das, obwohl das Gradierwerk im Internet-Auftritt der Stadt als Bestandteil des Bad Kissinger Gesundheitsangebotes beworben wird.

Kurdirektor Frank Oette weist all diese Vermutungen zurück. "Es ist Fakt, dass wir das Gradierwerk seit der Übernahme von der OHG im Jahr 2000 ohne Veränderung immer gleich betrieben haben." Auch das mit den "Algen" habe schon immer so ausgesehen.


"Wir machen nichts falsch"

Die Fachfirma, die in gewissen Abständen das Reisig austauscht, habe nicht festgestellt, dass hier etwas falsch laufe, sagt Oette. Kurz: "Es ist dasselbe Wasser, es wurde nichts geändert, nach unseren Erkenntnissen machen wir nichts falsch."

Das bestätigt auch Hubert Kirchner vom Gebäudemanagement der Staatsbad GmbH. Nach Gründung der Staatsbad GmbH habe die Kurgärtnerei den Betrieb der Saline von der Bäderverwaltung OHG übernommen, samt der Mitarbeiter. Seit 2006 sei die frühere Haustechnik, das heutige Gebäudemanagement, zuständig. "Wir betreiben den Gradierbau genau so, wie es uns von den Mitarbeitern der OHG gezeigt wurde", sagt Kirchner. Und diese altgedienten Mitarbeiter hätten ausdrücklich betont, dass man das Reisig auf keinen Fall zur Reinigung mit Wasser abspritzen sollte, da dann der Ocker nicht mehr versteinern könne.

Das Reisig sei 2007 gewechselt worden und befindet sich laut Kirchner noch in gutem Zustand. Normalerweise sei alle zehn bis 15 Jahre ein Wechsel nötig, aktuellen Handlungsbedarf gebe es derzeit nicht.


Erhöhte Salzkonzentration

Die im Gradierbau zirkulierende Sole werde zwei Mal im Jahr gewechselt, drei Mal pro Woche werde nachgespeist, so Kirchner weiter. Der nur zweimalige Wechsel des Wassers sorge dafür, dass die Salzkonzentration - wie beabsichtigt - immer stärker werde.

In einem Punkt gibt Frank Oette Hilla Schütze Recht. Dass vom Gradierbau nur noch ein Torso übrig ist, sei nicht optimal. "Wir sagen dem Freistaat regelmäßig, dass es im Interesse von Bad Kissingen wäre, den Gradierbau wieder auf die frühere Länge bringen zu lassen." Doch dann weise der Staat ebenso regelmäßig darauf hin, dass es in Bad Kissingen derzeit andere Prioritäten gebe.

Wie viele Kissinger und Gäste ist Hilla Schütze unglücklich darüber, dass vom einstigen Gradierwerk nur ein 40 Meter langer Neubau-Torso übrig geblieben ist. Andere Kurorte hätten weit größere Gradierbauten. So verweist sie auf Bad Nauheim, dort seien in den vergangenen fünf Jahren fünf Gradierbauten mit einer Gesamtlänge von 650 Metern für fünf Millionen Euro neu gebaut worden. In Bad Salzuflen sei 2007 Europas modernstes Gradierwerk entstanden, in dem täglich über 600 000 Liter Sole über das Reisig rieseln. Aber eines ist Hilla Schütze klar: "Wir haben hier so viele andere Attraktionen, in manch anderen Kurorten ist das Gradierwerk oft die einzige."