Freigeflogen mit 71
Autor: Redaktion
Bad Kissingen, Montag, 26. Sept. 2016
Nach 128 Starts mit seinem Fluglehrer ist Michael Hanft jetzt das erste Mal mit dem Segelflugzeug alleine aufgestiegen. Sein Alter stört ihn dabei wenig.
"Ich kann ja nicht den ganzen Tag nur dasitzen und warten bis die Sonne untergeht." Deshalb beschloss der Michael Hanft mit seinen 71 Jahren auf Raten seiner Frau Bärbel, einen neuen Sport anzufangen. Nachdem er viele Jahre lang in seiner alten Heimat, auf der Insel Fehmarn, Wassersport betrieben hat, möchte er nun das nächste Element bezwingen: die Luft.
"Das Fliegen fand ich schon immer gut und habe deshalb auch vor Jahren mal einen Drachenfliegerschein gemacht", erzählt Hanft. In Bad Kissingen nimmt ihn Matthias Albert, Vorsitzender der Segelfluggemeinschaft Bad Kissingen, zuerst mit einem Motorflugzeug mit. Endgültig wird die Begeisterung des 71-Jährigen aber erst bei einem Flug mit einem Segelflugzeug geweckt. "So ohne Action ist das nichts für mich.
Beim Segelfliegen hat man immer eine Aufgabe", sagt Hanft über den Reiz, ohne Motor zu fliegen. Hier muss er Thermik suchen, um in der Luft zu bleiben und hat "nur einen Versuch beim Landen".
Eine gute Gemeinschaft
Außerdem ist der Rentner begeistert von der Gemeinschaft im Verein. "Das ist schon immer lustig und ich fühle mich sehr wohl", schwärmt Hanft. Und auch mit den jungen Flugschülern kommt er gut aus.
Deshalb ist er auch drei bis vier Mal pro Woche, vor allem am Wochenende, am Flugplatz. "Wer fliegt, entwickelt da schon eine geheime Liebe für diesen Sport". Auch wenn das Wetter mal keinen Flugbetrieb zulässt, gibt es genug zu tun. Bei Reparaturen packt der ehemalige Handwerker gerne mit an. Sein für den Flugsport ungewöhnliches Alter war nie Thema.
Mittlerweile ist "Michi" ein beliebtes Mitglied.
Nach 128 Starts alleine fliegen
2014 hat Michael Hanft mit seinem Ultraleichtsegelflugschein begonnen. Die erste Flugstunde war für ihn absolutes Neuland. Zweifel, den Schein zu machen hatte er jedoch nie: "Ich wusste, irgendwann wirst du's schaffen." Und tatsächlich: Am Sonntag beschloss sein Fluglehrer Patrick Kneier nach einigen gemeinsamen Starts, dass sein Schüler für
den "Alleinflug" bereit sei. Nach 128 Starts, also rund 25 Flugstunden, flog Hanft dann das erste Mal alleine. Dieser war über den Termin zwar etwas überrascht, meisterte seine drei Flüge aber souverän. Ob er aufgeregt war? "Nein, ich habe mich ganz auf meine Aufgaben konzentriert." Sein Fluglehrer hatte in seinen elf Jahren nie einen Flugschüler in diesem Alter. In der Regel sind seine Schüler zwischen 14 und 35 Jahre alt. "Ja, mutig ist er", kommentiert Kneier Hanfts Wunsch, seinen Ultraleichtsegelflugschein zu machen. Das Segelflugzeug wird durch Pedale und gleichzeitig mit dem Steuerknüppel geflogen. Das erfordert vor allem eine präzise Bewegungskoordination. "Ich hätte vermutet, dass ich das schneller lerne. Aber man ist eben nicht mehr 20", sagt Hanft. Es kommt vor allem darauf an, die Bewegungsabläufe zu automatisieren. Aber auch schon 35-Jährige sind hier langsamer als 14-jährige Fluganfänger. Insgesamt stellt er kaum Unterschiede zu den Jüngeren fest. "Die Älteren wollen nur meistens mehr wissen, was passieren kann, und denken mehr nach", ergänzt Kneier. Er sieht keine Gefahr, dass sich der 71-Jährige "freigeflogen" hat: "Wenn jemand alleine fliegen darf, sind wir uns auch sicher, dass er es kann."
Für den endgültigen Schein muss Hanft im Frühjahr 2017 noch eine Theorieprüfung und einen weiteren Flug mit einem externen Fluglehrer absolvieren. Dann kann er auch endlich seinen eigenen Segelflieger fliegen. Diesen hatte er sich schon gekauft, als andere Flugschulen einen "Schein in drei Wochen" versprochen hatten. Trotz - oder gerade wegen - der langen Dauer ist der 71-Jährigen froh, in Bad Kissingen zu fliegen und ein neues, herausforderndes Hobby gefunden zu haben.