Druckartikel: Freie Trauungen werden im Landkreis Bad Kissingen immer beliebter

Freie Trauungen werden im Landkreis Bad Kissingen immer beliebter


Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz

LKR Bad Kissingen, Sonntag, 09. Oktober 2022

In der Pandemie haben so wenige Menschen geheiratet wie lange nicht mehr. Es gibt einiges aufzuholen. Einige feiern ihre Liebe lieber mit einer freien Rednerin statt mit der Kirche.
Nicht nur für gleichgeschlechtliche Paare ist die freie Trauung eine Alternative zur kirchlichen Trauung. Auch viele heterosexuelle Paare wählen diese Form der Zeremonie. Hier spricht  Traurednerin Anna Franz bei der Zeremonie von Nina und Julia.


Anna Franz aus Nüdlingen entdeckte während der Pandemie das Schreiben von Hochzeitsreden für sich. Der Auslöser: Die Hochzeit einer Freundin. "Alles musste abgesagt werden. Das war so schade." Es blieb das Standesamt im kleinsten Kreis. Anna Franz hielt eine kleine persönliche Rede.

"Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht", sagt sie. Sie recherchierte im Internet und besuchte online einen Kurs. In zwei Jahren begleitete sie 20 Paare im Rahmen einer freien Trauung.

"Ja" zur Zeremonie, "Nein" zur Kirche: So könnte man in Kurzform die Entscheidung vieler Paare zusammenfassen, die mehr wollen als die standesamtliche Trauung, sich aber nicht für die Kirche entscheiden. Am Geld liegt es nicht, denn eine freie Trauung kostet in der Regel etwas mehr.

Etwa 900 Euro verlangt Anna Franz für das Gesamtpaket, ein üblicher Preis, manchmal teurer.

Freie Rednerinnen wie sie entwickeln meist ein Konzept für die Zeremonie, lernen das Paar in einem vorbereitenden Traugespräch intensiv kennen, halten regelmäßigen Kontakt mit dem Paar und sprechen sich mit der Familie, Musikern oder Trauzeugen ab, wenn diese an der Zeremonie teilhaben.

Hochzeit in der katholischen Kirche

25 Euro kostet es, wenn Kirchenangehörige in Bad Kissingen kirchlich heiraten möchten, teilt das katholische Pfarramt mit. Zur sogenannten "Stolgebühr für Trauungen" der Diözese Würzburg kommt üblicherweise noch eine freiwillige Spende für die Kirche und den Organisten hinzu.

Wie viele Paare sich in den vergangenen Jahren für eine freie Trauung entschieden haben, ist schwer messbar. Gerade wenn diese privat gestaltet wird, wird das in keiner Statistik erfasst. Lässt sich trotzdem ein Trend weg von der kirchlichen Trauung hin zur freien Zeremonie beobachten? "Es hält sich ganz gut die Waage", macht Anna Franz die Erfahrung. Aber: "Die freie Trauung ist auf jeden Fall im Kommen."

Gibt es Kritiker? "Ich habe immer mal Bedenken, dass manche Omas und Opas sagen: ,Was für ein neumodischer Quatsch'", sagt Anna Franz. Bis jetzt habe sie aber sehr viel Positives von der älteren Generation gehört. Das sei "draußen im Sommer so schön" und vor allem "so persönlich und individuell".

Persönlich und individuelle Zeremonie

"Genau das macht freie Trauungen auch aus", sagt auch Jaqueline Edgü-Mihm aus Hammelburg, die seit vielen Jahren Reden formuliert und sich 2018 zur Hochzeitsrednerin ausbilden ließ. Unterschiedliche Menschen gestalteten in Abstimmung mit den individuellen Ideen und Wünschen ganz unterschiedliche Zeremonien. Dennoch gebe es feste Muster: "Einzug und Auszug des Hochzeitspaares, in durchaus unterschiedlicher Gestaltung, ein lautes Ja-Wort sowie der Hochzeitskuss finden sicher bei 98 Prozent der Trauungen statt."

Edgü-Mihm sagt: "Der Zuspruch zu freien Trauungen wächst seit Jahren ungebremst." Was hört sie von den Paaren? Warum lassen sich diese nicht kirchlich trauen? "Menschen werden immer kirchenferner, die Zahl der Austritte steigt." Kirche sei nur noch selten ein selbstverständlicher Teil des gemeinsamen Lebens. "Außerdem hat ein kirchlicher Gottesdienst eine eigene Agenda, die Liturgie dient der Verkündung des Wort Gottes, da bleibt nur begrenzt Raum für individuelle Gestaltung mit dem Paar im Zentrum", meint sie.

Vom Bistum Würzburg war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.

Kommentar: Liebes Umfeld, haltet euch raus!

"So eine freie Trauung..., das ist gar keine richtige Trauung. Die Kirche gehört doch dazu!" Solche Kommentare müssen sich Hochzeitspaare immer wieder von ihren Gästen und Mitmenschen anhören, wenn sie sich nach dem Gang zum Standesamt für eine freie Trauung entscheiden. Verletzend und unnötig sind solche Kommentare. Das gilt umgekehrt natürlich auch für andere übergriffige Bewertungen, wenn sich ein Paar für die Heirat mit der Kirche entscheidet, ihr Umfeld das aber nicht nachvollziehen kann.

Der intransparente Umgang mit Missbrauch, Homophobie, das Nein zur Frauenordination, Verschwendungssucht einzelner kirchlicher Amtsträger, der Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren oder Geschiedenen - es gibt viele Gründe, sich nicht von einer solchen Institution trauen zu lassen. Für manche Paare ist andersherum das Ja-Wort vor Gott, der kirchliche Segen oder der Vermerk im Kirchenbuch so wichtig, dass sie unbedingt kirchlich heiraten wollen.

Liebe Paare, setzt Eurem Umfeld ruhig klare Grenzen. Und liebes Umfeld, take it easy! Außenstehende geht es einfach nichts an, wie zwei Menschen ihre Liebe zueinander feiern. Dazu zähle ich all die Menschen, die nicht das Paar selbst sind, also Eltern, Schwiegereltern, Geschwister, Großeltern und Freunde und natürlich schon gar nicht irgendwelche Bekannten. Die mischen sich viel zu häufig ein. Das Stichwort heißt Toleranz. Einfach mal die Fähigkeit zeigen, das Anderssein der anderen zu akzeptieren, auszuhalten und nicht zu kommentieren. Freut Euch an der Liebe und über eine Einladung zur Feier.

von Charlotte Wittnebel-Schmitz