Fragen, die uns alle beschäftigen
Autor: Stefan Geiger
Ebenhausen, Sonntag, 18. Mai 2014
Zum dritten Mal hat der Meditationskreis der Pfarrgemeinde Ebenhausen den Schriftsteller und Fotografen Ulrich Schaffer für ein Tagesseminar gewonnen.
Auch diesmal fesselte Schaffer die 50 Besucher, von denen ein Drittel aus der Umgebung und zwei Drittel aus ganz Deutschland wie aus Berlin oder München angereist waren. Sein Thema: "Merkmale des neuen Menschen".
Schaffer wurde 1942 geboren. Mit zehn Jahren wanderte er mit seiner Familie nach Kanada aus. Heute lebt er in Vancouver. Von der dort kam er früher zweimal, heute noch einmal jährlich, in den deutschsprachigen Raum zu Einzelvorträgen und Seminaren.
In den übrigen Monaten bereitet er neue Themen auf.
Herr Schaffer, wie entstand Ihre Verbindung nach Ebenhausen? Werden Sie wieder kommen?
Ulrich Schaffer Frau Anja Erz-Holschuh begegnete ich vor vielen Jahren. Sie setzt sich sehr mit meinen Büchern auseinander und möchte immer noch mehr wissen. Als sie nachfragte, zu einem Seminar nach Ebenhausen zu kommen, fanden wir rasch einen Termin. Wenn Anja möchte, komme ich gerne wieder.
Sie waren nach ihrem Studium zehn Jahre in Vancouver Dozent für Anglistik und Germanistik. Warum gaben Sie dies auf und sind jetzt freiberuflicher Schriftsteller?
Ich war sehr gerne Dozent, arbeitete gerne mit den Studenten. Aber mit blieb zu wenig Zeit für Schreiben und Fotografieren, um beispielsweise die wunderbaren Farben des Herbsts zum idealen Zeitpunkt aufzunehmen.
Worüber schreiben Sie?
Ich schreibe über die Dinge, die mich angehen, die mein Leben ausmachen: Was bedeutet das, was mir geschieht? Hat es einen Sinn? Wie ist der Sinn zu finden? Wie kann ich meinen Mitmenschen verstehen? Wo ist mein Platz im Leben? Wie lebe ich Liebe? Also Fragen, die uns alle beschäftigen.
Was bedeutet "Schreiben” für Sie?
Orientierung für mein Leben. Ich verstehe mich und meine Mitmenschen besser, weil ich das hinterfrage, was mir geschieht. Schon wenn ich einen Bleistift in der Hand habe oder vor meinem Rechner sitze, kann ich besser denken. Durch Schreiben komme ich mir selbst auf die Spur. Ich erkenne meine Fehler, meine Stärken. Schreiben ist für mich Berufung, auch Dank, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Wie passt Fotografieren dazu?
Es ist eine wunderbare Ergänzung. Schreiben ist oft ein Gefangensein im Kopf. Wenn ich mit der Kamera losziehe, geht es nur ums Sehen, um Licht, um Natur, um Kommunikation mit dem, was ich fotografiere. Ich fotografiere nicht, um meine Texte zu illustrieren. Auf Fotoreisen kann ich nicht schreiben. Erst später füge ich Texte und Fotos zusammen.
Sie gestalten Ihre Bücher selbst. Warum?
Meine Bücher sollen aus einem Guss sein. Das Äußere soll das Innere des Buches tragen und reflektieren. Umschlag, Schrift, Schriftgröße, Einband, Illustrationen jeglicher Art - sie alle sollen die Aussage des Buches transportieren.
Sind Sie ein religiöser Autor?
Das kommt darauf an, was Sie mit religiös meinen. Ich schreibe über das, was mich angeht, was mein Leben ausmacht und gehe davon aus, dass das auch andere angeht. Leser melden sich, dass ich in einem Text genau das ausdrücke, was sie in ihrem Innern nur ungenau und ohne Worte empfunden haben. So begegnen wir uns. Für mich ist Glaube das, was mich angeht, es sind nicht Dogmen, Lehrsätzen und Bräuche, sondern das, was mich im Tiefsten bewegt, wofür ich zunächst nicht einmal Worte habe.
Sie haben über 200 Bücher, Hefte und Kalender herausgegeben. Haben Sie ein Lieblingswerk? Haben Sie sich "ausgeschrieben"?
Schwer zu sagen. Wenn ich etwas wählen müsste, dann wahrscheinlich "Das Handbuch der Mutigen." In kurzen Texten kommt viel von dem zusammen, was ich über viele Jahre gedacht und durchgearbeitet habe. Es beschreibt in einfacher Form, wie die Mutige und der Mutige leben. Ganz neu sind "Du bist so viel mehr als du denkst" und "Im Fluss der Zeit" als Gedanken zum Älterwerden. Neues gibt es immer zu schreiben, auch in neuen Formen wie als Romane, in die ich Gedichte und Meditationen in Figuren hineinfließen lasse. Dieses Fabulieren und Erfinden macht mir Spaß.
Sie sind sehr erfolgreich mit mehr als fünf Millionen verkaufter Exemplare. Wie gehen Sie mit Erfolg um?
Erfolg ist relativ: Buchverkäufe, kritische Artikel über Bücher, Literaturpreise, Rückmeldungen von Lesern. Bei mir konzentriert sich der Erfolg auf die letzte Form: Meine Bücher scheinen anhand der Rückmeldungen nicht nur Lesematerial zu sein, sondern die Leser lassen sich von meinen Gedanken begleiten. Sie gehen ein Stück mit mir, ich gehe mit ihnen.
Wie ließe sich Ihre Botschaft zusammenfassen?
Wir Menschen sollen uns selbst treu bleiben, uns nicht von allem Möglichen manipulieren lassen. Jeder soll sich verinnerlichen, wie einmalig er ist. Nicht von ungefähr zählt "Weil du einmalig bist" zu den Werken, die jeder 50. Bundesbürger schon betrachtet hat.
Ihr Seminar hieß "Merkmale des neuen Menschen". Welche sind Ihnen wichtig?
Da ist die Hoffnung, nicht im Materiellen zu verhaften, sondern die innere Weite zu entdecken. Da ist die Achtsamkeit, um Kleinigkeiten wahrzunehmen. Und das ist das Herz, das letztlich entscheidet und nicht allein Verstand und Gefühl.
Das Interview führte unser Mitarbeiter Stefan Geiger