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Flüchtlinge sind Chefsache im Landkreis


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Freitag, 17. Oktober 2014

Der Landkreis sucht händeringend nach Unterkünften, weil jede Woche zwölf neue Asylbewerber kommen. Neben neuem Personal sind Ehrenamtliche wichtig.
Mehr als Servietten-Falten: Wenn Fachlehrerin Gabi Steige (Mitte) mit Asylbewerbern den Tisch deckt, geht es vor allem um das Erlernen der Sprache und um Orientierungshilfe. Leider ist die neue Klasse der Berufsschule ein zu seltenes Angebot, in vielen Orten springen Ehrenamtliche in die Bresche. Foto: Ralf Ruppert


Eigentlich ist Stefan Seufert der Sprecher des Landrates, wer ihn derzeit aber zu einem anderen Thema als Asyl erreichen will, hat Pech: "Ich habe eine lange Liste an Leuten, die ich zurückrufen soll, oben liegen", erzählt er. Stattdessen begutachtet er mögliche Flüchtlingsunterkünfte, spricht mit Sozialverbänden über die Betreuung von Asylbewerbern, verhandelt mit dem Schulamt, kümmert sich um Postzustellung, Winterdienst und vieles mehr: Stefan Seufert

koordiniert den Ansturm der Flüchtlinge im Landkreis.
"Vor zwei Jahren lebten 100 Asylbewerber hier, derzeit sind es rund 400, bis zum Frühjahr vielleicht schon 700", sagte Landrat Thomas Bold (CSU) gestern in der Bürgermeister-Dienstbesprechung. Deren Betreuung sieht er als "gesamtgesellschaftliche Aufgabe", deshalb müssten sich auf kurz oder lang auch alle 26 Kommunen beteiligen: "Da kann sich keiner wegducken", lautete Bolds klare Ansage.
Der Wildfleckener Bürgermeister Gerd Kleinhenz (SPD) verwies trotzdem darauf, dass seine Kommune in den vergangenen Jahrzehnten "eine enorme Leistung bei der Integration erbracht" habe. Deshalb gebe es dort ja auch noch keine Gemeinschaftsunterkunft, obwohl durchaus Räumlichkeiten vorhanden seien, gestand Bold zu, wollte aber nicht ausschließen, dass bald auch Asylbewerber nach Wildflecken kommen.

Werben um Verständnis

Der Landrat appellierte an alle Bürgermeister, sich nicht auf fremdenfeindliche oder Neid-Diskussionen einzulassen. Deshalb achte der Landkreis darauf, dass die Kommunen möglichst frühzeitig in die Suche nach Unterkünften eingebunden werden. Die Bürgermeister würden vor Miet-Verhandlungen informiert, versicherte der Landrat und bat um Vorschläge, denn: "Unsere Mitarbeiter laufen sich die Hacken ab, aber finden nichts." Bei Unterkünften habe der Landkreis "Null Vorlauf".
"Wir brauchen hier im Landkreis dringend Asyl-Unterkünfte, die auch sofort beziehbar sind", sagte auch Koordinator Stefan Seufert. Genau 358 Asylbewerber seien derzeit im Landkreis untergebracht: In den vier Gemeinschaftsunterkünften Münnerstadt, Volkers, Hammelburg und Ebenhausen sowie dezentral in Wernarz und Euerdorf. Schondra und Bad Bocklet sind die nächsten Stationen, mehr stehe bislang nicht fest.
Genau 358 Asylbewerber wohnen laut Seufert aktuell im Landkreis. "Jede Woche kommen zwölf Menschen." Oberste Priorität habe natürlich deren Unterbringung. Trotz der gestiegenen Nachfrage könne sich aber niemand bereichern, betont Seufert: "Die Mieten halten sich im ortsüblichen Bereich." Zudem würden Beherbergungsverträge abgeschlossen, allerdings immer nur für höchstens ein Jahr. Seufert betonte, dass vorerst vor allem Unterkünfte für mindestens 20 Menschen gesucht würden, um die Betreeung zu vereinfachen.
Weitgehend einig waren sich die Bürgermeister, dass weder Kreis, noch Kommunen eigene Gebäude für Flüchtlinge kaufen oder bauen können. Zudem würdigten mehrere Ortsoberhäupter betroffener Kommunen den Einsatz von Ehrenamtlichen: "Das hätten wir von der Stadt niemals leisten können", sagte etwa die Bad Brückenauer Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks (CSU).

Südlink Die geplante Gleichstrom-Höchstspannungsleitung von der Nordsee nach Grafenrheinfeld beschäftigte die Bürgermeister der 26 Kommunen auch gestern. Landrat Thomas Bold stellte die aktuelle Lage vor und rief die Gemeinden auf, sich auf eine Klage vorzubereiten: "Wenn das Verfahren erst einmal startet, haben wir die Zeit nicht mehr", plädierte er für Vorratsbeschlüsse in Stadt- und Gemeinderäten. Bold sah es als Erfolg an, dass die bayerische Staatsregierung den Bedarf neu prüfen lasse. Wenn das Ob geklärt sei, müsse der Landkreis auf die Suche nach dem Verlauf und die genauen Bedingungen vorbereitet sein.

Vorstellung Die neue Innentwicklungs- und Konversionsmanagerin Dotothee Schmitt stellte sich vor: Die 26-jährige Bad Kissingerin tritt die Nachfolge von Verena Mörsner an. In ihrer Masterarbeit befasste sie sich mit Regionalmarketing, zu ihren Aufgaben zählen die Leerstandsbörse, eine Vortragsreihe zur Innenentwicklung sowie die Planung des Viehmarktes in Hammelburg.

Wechsel Landrat Bold gab in der Dienstbesprechung bekannt, dass Nadine Bock zur Regierung von Unterfranken zurück kehrt. Bock kam im Dezember 2010 als Abteilungsleiterin "Kommunales und Soziales", zudem war sie Gleichstellungsbeauftragte. Sie verlässt das Landratsamt Ende Oktober. "Wir bedauern das", sagte Bold, und: "Es wird zeitnah eine Nachbesetzung geben."