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Flüchtlinge auch in die Kernstadt


Autor: Sigismund von Dobschütz

Bad Kissingen, Dienstag, 10. März 2015

Außer in den Stadtteilen Garitz und Reiterswiesen werden jetzt auch in der Innenstadt Unterkünfte für Flüchtlinge eingerichtet. Die Stadt suchte ehrenamtliche Helfer, die den Heimatlosen bei der Eingliederung zur Seite stehen.
Informationen zu Asylbewerber-Unterkünften in der Kernstadt Bad Kissingens gaben im Tattersall (von links) der städtische Sozialreferent David Rybak, Oberbürgermeister Kay Blankenburg, Stefan Seufert als Leiter der Koordinierungsstelle im Landratsamt und Thomas Weingart, Sachgebietsleiter für Flüchtlingsbetreuung und Integration bei der Bezirksregierung von Unterfranken.  Foto: Sigismund von Dobschütz


Nach Garitz und Reiterswiesen werden jetzt auch in der Kernstadt Unterkünfte für Flüchtlinge bereitgestellt. Über Notwendigkeit und Möglichkeiten zur Hilfe informierten am Montag Vertreter von Stadt, Landkreis und Bezirksregierung im Tattersall.

Schon bei früheren Informationsveranstaltungen in Garitz und Reiterswiesen war von dortigen Bewohnern mehrmals kritisiert worden, warum anscheinend nur in den Stadtteilen Flüchtlinge untergebracht würden, nicht aber in der Kernstadt. Doch jetzt wurde das für die Flüchtlingshilfe zuständige Landratsamt auch im Stadtzentrum fündig, wie der städtische Sozialreferent David Rybak die Zuhörer informierte. In der Kolpingstraße 23 werden ab Ende März bis zu zwölf Personen eine neue Bleibe finden, vielleicht auch in der Promenadestraße 24 bis zu 20 Flüchtlinge, wobei es sich wie anderenorts um Familien mit Kindern handeln dürfte. Sechs unbegleitete etwa 17-jährige Jugendliche sollen im Haus Hahn in der Maxstraße 10 eine zweite Heimat finden. Hier wird sich die evangelische Jugendhilfe um die Minderjährigen kümmern. "Die Lage ist gut, das Jugendzentrum in der Nähe", sah Rybak eine gute Chance zur schnelleren Integration.

Während es sich bei diesen drei Häusern um dezentrale Unterkünfte handelt, in denen sich die Flüchtlinge selbst versorgen müssen, lediglich unterstützt von ehrenamtlichen Helfern, wird es ab August im alten Postgebäude an der Winkelser Straße 1 auch eine größere Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 80 Personen geben. Diese wird von der unterfränkischen Bezirksregierung verwaltet, ein oder zwei hauptamtliche Betreuer sollen eingesetzt werden.

"2007 kamen im ganzen Jahr 20 000 Asylbewerber nach Deutschland, jetzt sind es 20 000 im Monat", verdeutlichte Thomas Weingart, Sachgebietsleiter für Flüchtlingsbetreuung und Integration bei der Regierung von Unterfranken, den wachsenden Bedarf an Unterkünften. "Wie viele es letztlich werden, wissen wir nicht." Bis zu 300 000 Anträge können es heuer sogar werden. "Wir werden es gut bewältigen", war Weingart zuversichtlich.
Alle Asylbewerber müssen während der Dauer von maximal sieben Monaten bis zum Abschluss des Asylverfahrens in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften (aktuell 2200 Menschen im Bezirk Unterfranken) oder kommunal versorgten dezentralen Häusern (3400) untergebracht werden. Die Aufteilung auf Bundesländer, Bezirke, Landkreise und Gemeinden erfolgt nach festgelegtem Prozentsatz.

"Jede Woche muss der Landkreis durchschnittlich etwa 16 Asylbewerber aufnehmen", rechnete Stefan Seufert als Leiter der Koordinierungsstelle im Landratsamt vor. "Bisher konnten wir dies erfüllen." Im Landkreis werden Asylbewerber in 15 dezentralen Unterkünften und demnächst sechs Gemeinschaftshäusern einquartiert.

Die Stadt Bad Kissingen wird etwa 120 Heimatlose aufnehmen. "Dazu brauchen wir ehrenamtliche Helfer", rief Rybak zur ehrenamtlichen Mitarbeit auf. Hierbei geht es ihm vorrangig um den Aufbau sozialer Kontakte zwischen Flüchtlingen und Einwohnern, um Deutschunterricht für den Hausgebrauch, Hausaufgabenhilfe für Kinder und Jugendliche, die hier zum Schulbesuch verpflichtet sind, und um Unterstützung bei Behördengängen und dem Ausfüllen von Anträgen. Rybak: "Wir suchen Menschen für Menschen." Wichtig sei Hilfe zur Selbsthilfe, denn "wer zu viel hilft, macht den anderen nur schwach."

Ulrich Wittfeld, der sein Haus in der Promenadestraße dem Landratsamt als Flüchtlingsunterkunft vermieten will, berichtete in der anschließenden Diskussion von Ängsten der Nachbarn, die eine Wertminderung ihres Eigentums oder Schwierigkeiten befürchteten, für ihre Wohnungen neue Mieter zu bekommen. Rybak zeigte Verständnis, hält solche Befürchtungen aber aus bisheriger Erfahrung für unbegründet.

Olena Kais (42), die selbst vor 15 Jahren aus der Ukraine geflohen ist und jetzt ihr Haus in der Kolpingstraße zur Verfügung stellt, berichtete von ihrem Anfang in Deutschland bis zur deutschen Staatsbürgerschaft und schloss den Informationsabend mit einem flammenden Plädoyer: "Wir sind auch Menschen und brauchen eine neue Chance."

Helfer-Treffen

Kissinger Bürger, die bei der Unterstützung und Integration von Asylbewerbern mithelfen wollen, werden zu einem Treffen mit Information über Aufgaben und Arbeitsweise eingeladen: Jugend- und Kulturzentrum (JuKuZ), Geschwister Scholl Platz, am Dienstag, 17. März, um 18 Uhr.