Finnische Depressionen
Autor: Thomas Ahnert
Staatsbad Brückenau, Montag, 17. Juni 2019
IIro Rantala (p), Dan Berglund (b) und Anton Eger (dr) spielten im König-Ludwig-I.-Saal ein phantastisches Konzert mit Standards und typisch finnischen Eigenkompositionen.
Um es gleich vorweg zu sagen: Es war einer der beiden besten Jazzabende in der Historie des Kissinger Sommers (welcher war eigentlich der andere?) - der finnische Pianist Iiro Rantala mit seinen beiden Kollegen Dan Berglund (Bass) und Anton Eger (Percussion), also das klassische Jazztrio.
"Keep it simple" hieß das Programm. Naja, wie sollte man das verstehen? Vielleicht, dass die Musik so einfach, so logisch klang, weil sie so grandios gespielt war. Denn da waren drei absolute Könner am Werk: Jiro Rantala, Jazzer und Klassiker gleichermaßen, mit einer sprudelnden Phantasie, die keine Pause kennt, mit grenzenloser technischer Kondition und mit einem Witz, der zum Zuhören geradezu zwingt. Dan Berglund, der seinen Bass spielt, als sei er ständiger Solist, der auch dann, wenn er nur begleitet, das mit überraschender Virtuosität tut. Die Übergänge der Soli sind meist fließend. Und Anton Eger, der gerne so tut, als ginge ihn alles nichts an, aber eine Grundierung liefert, die unglaublich differenziert ist, die nicht den Krach sucht, sondern die Klangfarben, der auch die kompliziertesten Rhythmen locker rüberbringt; Keep it simple.
Geradezu überfahren von der musikalischen und virtuosen Wucht konnte sich das Publikum im ersten Teil fühlen bei einem pausenlosen Durchzieher durch die Geschichte der Standards von Keith Jarrett bis Jimi Hendrix, von Bud Powell bis Thelonius Monk. Das war ein Musizieren mit einer Dichte, die man selten erlebt.
Und dann gab's Eigenkompositionen von Iiro Rantala, der sich und seine Mitfinnen so gerne auf die Schippe nimmt. Etwa einen Satz aus seinem "Finnischen Kalender", zwölf Monate, einer depressiver als der andere, allen voran der November, der musikalisch auch entsprechend immer zäher, immer belasteter wurde. Oder "2016", das Jahr mit "drei Katastrophen: Nationalratswahl zu Hause, Brexit und Trump" - entsprechend molltönig, widerborstig wurde die Musik. Aber auch die köstliche Charakterisierung von den beiden Söhnen - Rantala und seine Kollegen sind drei Leute, die mit ihrer Musik wunderbare Geschichten erzählen können, und das auf eine sehr persönliche Weise. Man könnte ihnen stundenlang zuhören.