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Faszinierendes Preisträgerkonzert in Bad Kissingen


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Montag, 30. Mai 2022

Max Volbers, der im vergangenen Jahr den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen hat und seine Partnerin Elisabeth Wirth führten dem Publikum vor, wie glasklar man die Blockflöten spielen kann. Und viele hörten zum ersten mal eine Sub-Subgroßbassblockflöte.
So unterschiedlich von Gestalt, und doch ist alles Flöte: Max Volbers und Elisabeth Wirth hatten zu einem unterhaltsamen Nachmittag in den Rossini-Saal geladen.     Foto: Gerhild Ahnert


Man musste sich erst wieder an den Anblick gewöhnen, der auch vor Corona keineswegs der Normalfall war: ein vollbesetzter Rossini-Saal an einem Samstagnachmittag. Und dann auch noch bei einem Konzert für zwei Blockflöten. Klar, durch die Blockflötenfesttage, die an diesem Wochenende in der Stadt im Allgemeinen und im Regentenbau im Besonderen stattfanden, war das nicht allzu überraschend. Aber es waren eben nicht nur Fachleute gekommen, wie aus der einen oder anderen Reaktion im Konzert zu erkennen war.

An diesem Nachmittag eingeladen war das Blockflötenduo Max Volbers und Elisabeth Wirth aus Wien. Max Volbers hat im vergangenen Jahr, vielleicht ein bisschen am Rande des öffentlichen Interesses, Schlagzeilen gemacht, als er den Deutschen Musikwettbewerb gewann. Dass er ihn gewann, war an sich nicht so überraschend. Es war das Gerät, das erstaunte. Es war das erste Mal in der Geschichte des Wettbewerbs, dass eine Blockflöte auf dem Siegerpodest ganz oben stand - oder in die Höhe gehalten wurde. Da war von vorn herein klar, dass auch seine Duopartnerin Elisabeth Wirth verdammt gut sein musste, wenn sie Schritt halten wollte. Das tat sie auch mühelos - sonst hätten die beiden vielleicht auch nicht geheiratet.

Staunen setzte bei dem einen oder anderen bereits vor dem ersten Stück ein, beim Betreten des Saales. Da standen, nehmen einigen Notenpulten für verschiedene Spielstandorte, zwei übermannshohe Holzskulpturen vorne auf der Bühne, die aussahen, als wären sie aus Holzresten für ein schwedisches Möbelhaus gefertigt - oder seien in einer Zeit entstanden, als schon die Zimmerei erfunden war, aber noch nicht der Blasebalg - oder seien aus einer Domorgel geklaute und umgebaute tiefe Holzpfeifen.

Jaja! Die Sub-Subgroßbassblockflöte und die Subgroßbassblockflöte haben sich daran gewöhnt, immer für einen Scherz gut zu sein. Sie sehen halt nicht so aus, wie man sich eine Blockflöte vorstellt. Sie sind nicht aus einem runden Holz gebohrt und haben Grifflöcher und werden vor der Brust gehalten. Sondern sie haben einen quadratischen Durchschnitt, sind nicht aus Massivholz - das wäre viel zu schwer - sondern meist aus Birken-Sperrholz.

Sie müssen ein verstellbares Mundstück haben, denn die Menschen sind nicht gleich groß. Und sie haben Klappen, die die Löcher verschließen, weil man sie auf kleinere Spieler anpassen kann. Und sie sind verdammt teuer. Aber es sind faszinierende, höchst bewegliche Instrumente, die bis in Tiefen hinunterkommen, in denen man die Töne nicht mehr hört, sondern nur noch spürt. Aber, mit entsprechender Anblastechnik, auch bis in schrille Höhen.

Mit diesen beiden Flöten und dem Stück "Verzweigungsmuster" für zwei Paetzold-Blockflöten (so nennt man die Dinger), die der Italiener Francesco Ciurlo (*1987) für das Duo Volbers/Wirth komponiert hat, wurde das Konzert eröffnet - also alles andere als behutsam. Denn dadurch, dass diese Flöten Klappen haben, lassen sie sich in hohem Maße auch perkussiv einsetzen. Und so entstand eine Musik, die nicht auf Melodien zielt (wäre auch möglich), sondern auf Strukturen, Emotionen und Überraschungen - ein sich belauerndes Musizieren, das eine enorme Präzision und einen starken Zugriff erfordert, um nicht zufällig zu werden.

Als Zuhörer konnte man sich dieser Spannung nicht entziehen. Denn im Gegensatz zu einer Mozart-Sonate wusste man hier nie, wie der nächste Ton klingen, wann er vom wem kommen würde. Und so fokussierte man sich wirklich auf die einzelnen Töne und vergaß die Frage, wo eigentlich der Titel herkommt. Aufgrund des Schlusses, bei dem die Intensität stetig zunahm, hätte er auch "Reichsbahnausbesserungswerk" heißen können.

Noch zweimal kamen die Paetzold-Flöten zum Einsatz. Bei "Bezel" des Italieners Mario Garuti (*1957) zum Ende des Konzerts war der Überraschungseffekt natürlich ein bisschen verpufft. Auch hier war das Staccatospiel dominierend, aber es kamen ganz andere Klangfarben zum Tragen und eine höhere Stufe einer gewissen Aggressivität. Interessant war Thanos Sakellaridis" (*1995) "Please enter the Underground" - gemeint ist wohl die U-Bahn. Denn hier waren es erst eine Paetzold- und eine Blockflöte, die mit- und gegeneinander spielten, sich kontrastierten, aber auch erweiternd ergänzten. Vielleicht erst nach dem Einsteigen sorge die zweite Paetzold für lebhafte Harmonie.

Schön war, dass Sakellaridis' Gegenwartswerk eingerahmt war von jeweils zwei Sätzen aus Wilhelm Friedmann Bachs Duetto G-dur F. 59. Das war absolut fabelhaft musiziert, aber man merkte plötzlich, wie sehr man sich an diese Art der vorklassischen Musik gewöhnt hat.

Ansonsten bot das Duo ein interessantes und abwechslungsreiches Programm aus Barock und Frühbarock. Aus dem liturgischen Bereich wie das "Miserere" von Nathaniel Giles, aber vor allem aus dem Bereich der stilisierten Tanz- und Unterhaltungsmusik wie Giuseppe Giambertis zwei Duos aus dessen "Duo tessuti con diversi solfeggiamenti..." oder die "Sonata seconda" (1728) von Michel Blavet oder das berühmte "Amarilli mia Bella - Philis schoon Harderinnne" aus "Der Fluyten Lust-Hof" von Jacon van Eyck".

Dieses Musizieren machte einfach Spaß: den beiden Duettierenden auf der Bühne, und dem bestens unterhaltenen Publikum, das vorgeführt bekam, wie glasklar man die Blockflöten spielen kann und wie transparent die Musik werden kann, auch wenn sich die beiden Instrumente klanglich nur wenig unterscheiden.

Ein bisschen überraschend war das vorletzte Werk: "Uppon La Mi Re" des Engländers Thomas Preston, der nach 1559 in Windsor gestorben sein muss. Es war das älteste Werk im Programm, aber mit seinen auffälligen melodischen Wendungen und seinen prägnant herausgespielten Basslinien wirkte es am modernsten (vor dem 20. Jahrhundert).

Zur Zugabe zog die Karawane in den Max-Littmann-Saal. Dort spielten Max Volbers und Elisabeth Wirth mit zwei ukrainischen Kolleginnen ein Volkslied aus deren Heimat: "Haiduk". Das war ein Partisanenrebell aus dem 16. Jahrhundert. Die Türken haben ihn kennen gelernt.