Familienvater verurteilt: Jugendliche mit Soft-Air-Waffe bedroht
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Donnerstag, 07. Sept. 2017
Zum "Selbstschutz" hatte sich der 28-Jährige die Druckluft-Waffe unters Shirt gesteckt. Muss er auch seinen nächsten Geburtstag hinter Gittern feiern?
Es war einer der letzten Spaziergänge mit Freundin, Tochter und Hund. Vier Tage später würde er vorerst nicht mehr draußen herumlaufen dürfen wann und wo er will. Marcel K. (Name geändert) sitzt seit Ende März ein. An diesem Donnerstagnachmittag verschaffte sich der 28-Jährige den nächsten Termin bei der Richterin, der er bei der Verhandlung am Kissinger Amtsgericht nicht zum ersten Mal begegnet.
Gestreiftes Polo-Shirt, Weste, Jeans. Marcel K. streckt die Arme aus. Einer der beiden Polizeibeamten öffnet das Schloss der Handschellen. Die Freiheit hält eine Stunde.
Dem Angeklagten wird der Prozess gemacht, weil er eine Gruppe Jugendlicher mit einer Druckluft-Waffe bedroht haben soll. Außerdem hat die Polizei ein Gramm Marihuana bei ihm gefunden. Das Reden überlässt er vor Gericht seinem Pflichtverteidiger. Vorerst.
Jugendliche mit Waffe bedroht
Der 28-Jährige habe sich bedroht gefühlt. Zur Abschreckung habe er seine Jacke und sein Shirt beiseitegeschoben und der Gruppe seine Waffe präsentiert, erklärt der Rechtsanwalt. Die verfehlte ihre Wirkung nicht: "Im ersten Moment bin ich erschrocken. Das hätte ich nicht erwartet", sagt der 18-Jährige. Er war einer der Jugendlichen, auf den Marcel K. an diesem Nachmittag in Bad Kissingen traf. Dazu der lockere Spruch: "Ihr braucht gar nicht so zu schauen, ich habe neun Kugeln, die reichen für euch alle." Was war passiert?Der Kumpel des Zeugen hatte sich am Zigarettenautomaten zu schaffen gemacht, nachdem der das falsche Päckchen ausgespuckt hatte. "Aus Elan heraus habe ich den Automaten geschlagen, gestoßen", sagt er. Grund für den Angeklagten, sich an diesem Nachmittag einzumischen.
Angeklagter gibt alles zu
Sein Verteidiger liefert dem Gericht ein Geständnis. Der Angeklagte räume alles ein, sagt er. Der angeklagte Kissinger war gerade auf dem Heimweg von seinem Spaziergang mit der Familie, als er an einer Gaststätte vorbeikam, vor der sich die Jugendlichen um den Zigarettenautomaten sammelten. "Was soll der Scheiß?", habe er in die Runde geschrien als er die Randale beobachtete. Sowie sich zwei der Jugendlichen umdrehten, wurde ihm "mulmig"."Er hatte keinen bösen Hintergrund", meint sein Verteidiger. Warum er überhaupt eine Waffe bei sich hatte, wollte die Richterin wissen. Schließlich war er vor sieben Jahren schon einmal verurteilt worden, weil er auch damals unerlaubterweise eine Waffe dabeihatte. Die Gegend, in der sein Mandant unterwegs gewesen war, sei ein "unsicheres Pflaster" in der Stadt. Die Druckluft-Waffe trug er "zur Abschreckung" bei sich, "falls er mal angegriffen wird", antwortet der Verteidiger stellvertretend.
Eine durchsichtige Plastiktüte liegt neben Marcel K. auf dem Boden. Zwischen dem Zellophan eine Handvoll persönlicher Sachen. Ende nächster Woche soll er aus der Justizvollzugsanstalt in Schweinfurt entlassen werden. Dann wird er zwei Drittel seiner Strafe abgesessen haben. Ein knappes halbes Jahr.
"Die Haft hat ein Umdenken ausgelöst", liest die Richterin aus dem Führungszeugnis des 28-Jährigen vor. "Völlig unauffällig" hat er sich im Gefängnis laut Schreiben verhalten. Selbstkritisch sei er geworden. Und er leide spürbar unter der Trennung von seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen achtjährigen Tochter.
"Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken", sagt Marcel K. "Ich werde alles anders machen." Beim ersten Mal auf der Anklagebank kam er mit einer Geldstrafe davon. Das war im Jahr 2010. Seither häuften sich die Prozesse: Körperverletzungen, Sachbeschädigung und Beleidigungen. Als der Mann im März mit seiner Pistole vor den Jugendlichen prahlte, stand er unter einer offenen Bewährungsstrafe. Auch ein Grund für die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, ihm keine Bewährung mehr zu billigen.
Acht Monate Freiheitsstrafe fordert sie für Marcel K. Die Staatsanwältin geht von einer "ungünstigen Sozialprognose" aus und will, dass der 28-Jährige auch seinen nächsten Geburtstag hinter Gittern feiert.
"Ich kann nur sagen, dass es mir leid tut - alles", meint der. Sein Pflichtverteidiger bittet um eine "milde Strafe". Hauptsache, sie werde zur Bewährung ausgesetzt.