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Fahrradfreundliches Bad Kissingen? Fehlanzeige!


Autor: Ellen Mützel

Bad Kissingen, Sonntag, 07. Juni 2020

Umweltfreundlich zum Einkaufen oder zum Arzt? In Bad Kissingen ist das gefährlich. Das ist die vorherrschende Meinung unter den Radlern in der Kurstadt.
Foto: Ellen Mützel


Mit dem Fahhrad durch die Stadt? Gefährlich, umständlich, zu wenig Platz. Das ist der Tenor von Radfahrern, die regelmäßig in der Kurstadt unterwegs sind. Neben dem Hobby- und Freizeitaspekt nutzen viele das Rad, um zur Arbeit, zu Terminen oder zum Einkaufen zu fahren.

Peter Bretscher ist überzeugter Radfahrer. Ihn beschäftigt schon lange die Sicherheit der Radelnden in der Stadt. Zuletzt hat er es mit einer Unterschriftenaktion versucht (wir berichteten). Sie zählte 807 Unterschriften, die ohne digitale Hilfe zusammenkamen. Er habe die Unterschriftenliste Herrn Blankenburg übergeben. "Als nächstes trete ich auch an den neuen Bürgermeister, und erkläre ihm mein Anliegen noch mal", sagt er.

Fehlende Radfahrspuren

Ihn stören viele Kleinigkeiten, die alle zusammen zu einer fahrradunfreundlichen Kurstadt führen. Zum einen ist es der Sicherheitsaspekt. Als gefährlich empfindet er die Schlachthofkreuzung oder die Schönbornstraße, die aus Garitz in die Stadt führt. "Ich kenne viele, die an diesen Stellen Angst haben und daher auch eher nicht fahren", sagt Bretscher. Auch stört ihn, dass Radfahrer immer den kürzeren ziehen müssten: "Ich fahre immer von Arnshausen nach Bad Kissingen, da endet der Radweg bei der Einmündung zum Aldi", sagt der 76-Jährige. Manche würden ihm dann raten, auf den Weg an der Eishalle auszuweichen. "Würde man den Autofahrern das sagen, dann würden die einen wohl auslachen", meint er dazu.

Er findet: "Man merkt, dass der Verkehrsraum für das Rad dem des Autos weit untergeordnet ist. In Schweinfurt am Bahnhof zum Beispiel gibt jetzt eine Radspur, für die hat man sogar eine Autospur geopfert", weiß Bretscher. Teilweise sei kein Platz für Räder, da dieser anderen zugeteilt werde. Hierzu nennt er die Kurhausstraße, bei der rechts und links ein Gehweg verläuft und Autos parken.

Diesen Tenor lässt auch Antje Kopp anklingen. Die Grüne Gemeinderätin fährt viel und gerne Rad. Sie fährt von Aschach zum Bad Kissinger Bahnhof, um nach Schweinfurt zur Arbeit zu kommen. Sie radelt auch zum Einkaufen in die Kurstadt, nach Garitz zum Chor.

"In Kissingen und noch mehr in unserer Gemeinde fehlen einfach standardmäßig Fahrradwege", sagt sie. Das fände sie in Schweinfurt besser, wo sie von ihrer Arbeit aus mit dem Rad unterwegs ist. "Nicht vorhandene Fahrradwege oder zu enge Straßen mit angrenzenden Parkplätzen provozieren immer wieder gefährlich Situationen", sagt sie. Sie meint Strecken wie bei der Sparkasse, wo der Radweg entgegengesetzt zur Fahrtrichtung der Autos führt.

Das kennt auch Tom Kröger. Er fährt ab und zu mit dem Rad zur Arbeit und findet es gefährlich, in der Stadt zu fahren: "Man wird überholt und beim Überholvorgang sogar noch geschnitten, dass man schnell auf den Bürgersteig ausweichen müsste." Die gekennzeichneten Radwege in den Parkanlagen oder zum von Bad Kissingen nach Arnshausen funktionieren für ihn super. "Ich würde mir wünschen, dass es mehrere gekennzeichnete Wege auf den Straßen geben würde, wo nur der Radfahrer fährt", sagt er.

Lieber grau und kurz, als schön und lang

So lange für die Radfahrenden also genügend Platz geschaffen ist, findet auch Vielfahrerin Antje Kopp: "Insgesamt sollten die Radwege straßenbegleitend laufen." Zur alltäglichen Benutzung sei wichtig, nicht längere oder umständlichere Wege fahren zu müssen. "Der Sightseeing-Aspekt spielt bei meiner täglichen Fahrt zum Bahnhof keine Rolle, da möchte ich schnellstmöglich ankommen. Kein Autofahrer fährt dafür freiwillig längere Strecken oder benutzt schlechtere Wege."

Ähnlich klingt die Aussage von Mountainbikefahrer Daniel Hof: "Die Stadt ist meiner persönlichen Einschätzung nach alles andere als fahrradfreundlich." Er nennt als Beispiel den Weg vom Bahnhof in die Stadt über die Kurhausstraße: "Ich müsste durch die Tische vom Kaiserhof fahren oder andere Dinge überfahren, um auf der Fahrradspur zu bleiben".

Auch er bemängelt fehlende Radfahr- und Schutzstreifen. Das schränke ihn persönlich zwar nicht ein, aber er bemerkt: "Da durch den e-Bike-Boom auch wieder vermehrt Menschen in hohen Alter unterwegs sind, merkt man bei vielen Unsicherheit und Ratlosigkeit."

Mimi Schmidt fährt über den Ostring zur Arbeit. An diesem finden derzeit Straßenbauarbeiten in statt. "Das ist für Radfahrer nicht ganz so erfreulich, weil man dort ständig vom Radweg auf die Straße umgeleitet wird und dort für die vorbei rasenden Autos ein Hindernis darstellt." Sonst sei sie jedoch weitestgehend zufrieden mit den Radwegen.

Ein Lösungsansatz kommt von Peter Bretscher: "Sinnvoll finde ich die Forderung der Bundesgrünen, die wollen Tempo 30 in den Städten. Wenn man das macht, entfällt auch der Grund für viele Radwege." Denn die Autos würden nicht mehr so schnell an den Radfahrenden vorbeifahren. Ein weiterer Vorschlag Bretschers, die Kurstadt radelfreundlicher zu machen: "Wir haben bis 10/11 Uhr Lieferverkehr in der Innenstadt, aber Radfahrende dürfen nicht durch. Das wäre doch auch ein Ansatzpunkt."

Von Thomas Hack, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bad Kissingen, heißt es, dass momentan an Radwegekonzepten gearbeitet werde. Das Thema habe bereits den vorigen Stadtrat schon länger begleitet. Die Stadt hat vor, sich auch in der Zukunft weiterhin damit auseinanderzusetzen: Auf Wunsch des Oberbürgermeisters Dirk Vogel (SPD) befinde sich ein Mobilitätsbeirat in der Gründung. Ehrenamtliche und Experten sollen dem Stadtrat in diesem Gremium zur Seite zu stehen.