Ewa und der Müll
Autor: Susanne Will
Münnerstadt, Dienstag, 06. Sept. 2022
Statistisch gesehen hat 2019 jeder in Deutschland 476 Kilogramm Abfall weggeworfen. Unser Unrat ist das Geschäft von Entsorgungsfirmen. Ewa Polatschka sortiert täglich, was für uns keinen Wert mehr hat. Deshalb liebt sie ihren Job im Müll.
Wir essen, wir bestellen, wir kaufen ein - wir konsumieren. Und wir werfen weg. Das Statistische Bundesamt hat es fürs Jahr 2020 festgehalten: Im ersten Corona-Jahr haben wir vier Prozent mehr Müll produziert als 2019. 39,6 Millionen Tonnen - 39 600 000 - Abfall kamen 2020 zusammen. Das macht pro Kopf 476 Kilogramm Müll. Sobald er in der Tonne landet, haben wir ihn vergessen. Doch für Menschen wie Ewa Polatschka beginnt jeder Tag mit unserem Abfall. Die 50-Jährige ist Müllsortiererin beim Entsorgungsfachbetrieb Seger in Münnerstadt.
Es ist ein heißer Sommertag wie so viele in den letzten Monaten. Heute treibt kein Wind Plastiktüten oder Papierfetzen über den großen, asphaltierten Platz, die Luft steht. Es riecht ein bisschen so wie in einer Seitenstraße einer großen Stadt in Südeuropa. Es riecht warm, feucht, süß nach Vergorenem, nicht einmal besonders unangenehm. Der Platz vor den riesigen, offenen Hallen, in denen sich bereits Papier und Pappe stapelt, ist übersät mit Abfall. Tische, Stühle, Kleidung, Papier, Plastik, verdreckt und sauber, Styropor, Eimer, Dokumente, an einigen Stellen ist der Müll kniehoch. Ewa Polatschka steht mittendrin, sie hat einen weggeworfenen Plastikschuh in der Hand und strahlt. Die 50-Jährige sortiert unseren Müll, jeden Tag, bei Sonne und bei Regen. Ein Gespräch über die Arbeit.
Guten Morgen! Seit ich ein Haus renoviere, bin ich sehr oft hier und werfe Ihnen meinen Müll vor die Füße. Egal, wann ich komme - Sie lächeln jeden an, haben für jeden ein nettes Wort.
Ein Beruf ist oftmals Aushängeschild für die Person, die ihn ausübt. Ein Chefarzt hat ein hohes Ansehen, Müll zu sortieren eher nicht. Ist das schlimm für Sie?
Nein, überhaupt nicht. Ich mag meinen Job.