Die Erziehungsberatung der Caritas Bad Kissingen hilft, wenn bei Mama und Papa die Fetzen fliegen. 340 Fälle wurden 2015 zum Wohl der Kinder bearbeitet.
Ein kleines Loch in der Hose hat gereicht. Dann war Krieg. Mama und Papa hatten schon viele Schlachten ausgefochten. Einen Sieger gab es nie. Der Verlierer aber war immer derselbe: Paula
(Name von der Redaktion geändert). An diesem Punkt merken Eltern nicht mehr, dass sie ihrem Kind nichts Gutes tun, sagt Katja Schulze-Forster. Sie leitet die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche bei der Caritas Bad Kissingen.
Ein Drittel der Kinder, die sie und ihre Kollegen im vergangenen Jahr betreut haben, war jünger als sechs Jahre.
Kinder fallen auf, haben Probleme in der Schule, Schwierigkeiten in der Entwicklung oder mit der eigenen Gefühlswelt, es gibt immer wieder Streit in der Familie - warum Menschen bei Katja Schulze-Forster Hilfe suchen, hat verschiedene Gründe.
Meist kommen die Menschen von selbst, oft tauchen sie auf einen richterlichen Beschluss hin auf, häufig schickt sie das Jugendamt. Fast ein Drittel aller Familien, die mit dem Aufzug in den zweiten Stock des sanierten Altbaus in der Hartmannstraße fahren, stecken in einer Trennung oder sind geschieden.
Katja Schulze-Forster ist Vermittlerin. Die Psychologin und ihre drei Sozialpädagogen haben sich im vergangenen Jahr um 340 Fälle gekümmert.
Manche kommen ein Mal. Viele sitzen häufiger in den Besprechungszimmern. Einige begleitet das Team bis zu einem Jahr. Manche länger.
Katja Schulze-Forster spricht von Fingerspitzengefühl und Frustrationsresistenz. "Es geht nicht darum, dem einen oder anderen Recht zu geben, sondern um das Wohl des Kindes", sagt sie. Früher hat sie mit gestörten Persönlichkeiten gearbeitet.
Viel Geduld und Einfühlungsvermögen braucht sie als Leiterin der Erziehungsberatung bei ihrem Job heute noch. Sie versucht ständig, zwischen zwei "Kriegsparteien" zu schlichten. So nennt sie die einstigen Paare, die sich in einem Konflikt verrannt haben. Die Kinder hält sie bei der Vermittlung raus. So lange und so gut es geht.
Sprechstunde für Jugendliche
Zum ersten Mal seit es die Beratungsstelle gibt, wurden
mehr Mädels als Jungs betreut. Die kamen im vergangenen Jahr immer öfter von selbst. An den Dienstagnachmittagen zwischen 15 und 16 Uhr gibt es eine Sprechstunde für Jugendliche - ohne Termin. Mal ist es ein Streit mit den Eltern, den Freunden oder dem Freund. Oft spielt ein niedriges Selbstwertgefühl eine Rolle, sagt die Psychologin.
In einzelnen Fällen stecken die Mädchen zwischen 13 und 17 Jahren in einer "depressiven Verstimmung", erzählt Katja Schulze-Forster.
Manche von ihnen ritzen sich oder verletzten sich auf eine andere Art selbst. In der Statistik sind diese Fälle in der Kategorie "Störungen im Gefühlsbereich" gelistet. 41 Jugendliche und Erwachsene hat die Beratungsstelle neben Ängsten und Zwängen der "emotionalen Labilität" zugeordnet.
Eine Zahl die im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist.
"Ich begleite sie so lange, bis sie mich nicht mehr brauchen", sagt Katja Schulze-Forster. Die Psychologin hört den Jugendlichen zu. Nicht immer weiß die Familie, dass die Mädels und Jungs nach der Schule bei ihr vorbeigehen. Es ist keine Therapie, aber mehr als eine Beratung. Sie ist keine Freundin für die Jugendlichen, aber eine neutrale Person.
Wichtig für die Psychologin: "Wie viel, was, wann - es ist immer ein sorgsames Abwägen." Werden die Familie und das Umfeld einbezogen? Zu welchem Zeitpunkt? Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erfordert eine besondere Behutsamkeit.
Für Neun- bis Elfjährige bietet die Erziehungsberatung ein spezielles Programm: "soziales Kompetenztraining". Das Angebot ist für Kinder gedacht, die anecken.
Solche, die immer wieder in Konflikte geraten, die sie mit Gewalt lösen wollen. "Die Kinder lernen, auf ihr Gefühl zu gucken und Gefühle bei anderen zu erkennen", sagt Katja Schulze-Forster. Das soll ihnen auch erleichtern, Kontakte und Freundschaften zu schließen. Oft melden Eltern ihre Kinder auf Empfehlung der Lehrer zu dem sozialen Kompetenztraining an. Bei denen sitzen immer mehr "aufgedrehte Kinder" im Unterricht, sagt die Psychologin.
Oder das exakte Gegenteil.
Spielen und streiten
Für diejenigen bietet die Beratungsstelle das Pendant an. Der "Ermutigungskurs" soll Kindern helfen, ein Sozialverhalten zu entwickeln, sagt Katja Schulze-Forster. "Die Lebenswelt von Kindern hat sich sehr verändert." Wie? Das erklärt die Leiterin so: Kinder wachsen mit weniger Geschwistern auf; in der Nachbarschaft gibt es keine Spielgefährten; in sämtlichen
Fördermaßnahmen ist das Programm gesetzt, Kinder können sich nicht ausprobieren. Wo nicht gespielt wird, wird nicht gestritten.
Im Moment feilt eine Arbeitsgruppe an einem Angebot für Mamas und Papas mit einer psychischen Diagnose. Solche Beeinträchtigungen werden in Familien immer häufiger, meint die Psychologin. Die Beratungsstelle hat also noch viel zu tun, damit es Paula* und den anderen Kindern gut geht.