Druckartikel: Erkennen Sie die Melodie?

Erkennen Sie die Melodie?


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Dienstag, 30. Juni 2015

Die Tschechische Philharmonie unter Leitung des Amerikaners James Gaffigan und die japanische Geigerin Midori spielten Werke von Antonin Dvorák und Robert Schumann.
Midori spielte das Violinkonzert von Robert Schumann. Foto: Ahnert


Es war ein Konzert, das einige Fragen aufwarf: das "Prager Virtuosenkonzert", das zweite Konzert der Tschechischen Philharmonie in diesem Jahr, jetzt mit dem amerikanischen Gastdirigenten James Gaffigan.
Schon bei dem ersten Werk begannen die Fragen. Warum musste Antonin Dvorák ausgerechnet das Märchen von der "Mittagshexe" zu einer Sinfonischen Dichtung verarbeiten? Musste es ausgerechnet die brutale Geschichte von einem völlig sinnlosen Kindstod

sein? Sicher, Dvorák wollte mit diesem Werk seinen Kritikern seine nationale Gesinnung beweisen. Aber die Musik ist beliebig, zumal ja auch nicht gesungen wird. Aber er brauchte wohl eine Vorlage, bei der musikalisch kräftig hingelangt werden kann, und da kam ihm die Kompromisslosigkeit der Hexe gerade recht. Dem Orchester freilich auf. Denn das malte mit derart drastischen Farben, dass man dem Kind nicht den Hauch einer Chance einräumen könnte.
Die Frage in die entgegengesetzte Richtung kam mit dem nächsten Werk: Wie leise kann man das Violinkonzert von Robert Schumann spielen? Wer die Japanerin Midori im Großen Saal erlebt hat, kann die Antwort geben: sehr, sehr leise. Fragt sich nur, was das Publikum, vor allem in den hinteren Reihen, davon hatte.
Denn man kann nicht sagen, dass Midori von einem ausgeprägten Darstellungswillen getrieben war. Sie spielte sehr sauber, machte auch einige Strukturen erkennbar, aber sie spielte mit zu flachen Phrasierungen, um auch nur die Spannungen in ihrem Solopart erkennbar zu machen - von denen zum Orchester hin ganz zu schweigen. Wer mehr in den Boden als in den Saal hineinspielt und immer nur die mittlere Hälfte des Bogens verwendet, kann keinen großen Ton erzeugen
Für das Orchester muss das unbefriedigend gewesen sein, denn das Konfrontative kam zu kurz. Man muss es den Pragern hoch anrechnen, dass sie sich rücksichtsvoll zurückhielten. Trotzdem war die Solistin nicht immer zu hören. Aber Entschädigung war in Sicht: Antonin Dvoráks 7. Sinfonie. Das ist ein Werk voller Konfrontation und kämpferischer Auseinandersetzung. Und Dvorák hat seine Schwäche bei Durchführung durch großzügig spendierte Melodien ausgeglichen. Das macht seine Musik zu Recht so beliebt. Und das genoss auch das Orchester. Die Prager haben nun mal das beste Blech (unvorsichtig ausgedrückt!).
Aber James Gaffigan muss sich fragen lassen, ob alles in einem Einheitsfortissimo sein musste. Ob man bei aller Kraft nicht auch ein bisschen mehr auf einzelne Stimmen und spannende Zusammenhänge hätte setzen können. Vielleicht hat er ja gewollt. Aber für das Orchester ist diese Sinfonie ein Selbstläufer.
Und die Zugabe? Na, was wohl? Dvoráks Slawischer Tanz Nr. 1, ein Presto-Furiant.