Erinnerungen: Das waren unsere 80er
Autor: Annett Lüdeke, Susanne Will, Steffen Standke, Arkadius Guzy, Ulrike Müller, Kerstin Väth
Bad Kissingen, Sonntag, 03. November 2019
Sechs Redakteure der Saale-Zeitung erinnern sich an ihre ganz persönlichen Begebenheiten dieses Jahrzehnts. Spielzeug, Schmuck, Ostbesuche, Geld und Essen - Themen gab es viele.
Wenn es schmeckt wie bei Erich
von Annett Lüdeke
Kindheitserinnerungen haben oft auch mit Gerüchen und Geschmack zu tun. Und da meine Kindheit in den 80er Jahren nun einmal in der DDR stattfand, sind das mitunter aus heutiger Sicht ungewöhnliche und zuweilen auch sehr selten gewordene Geschmacksrichtungen. Glücklicherweise pflegt meine Mutter diese Erinnerungen hin- und wieder und bereitet mir zum Beispiel eine Soljanka nach "traditionellem" Rezept zu. Wo bei das mit der Tradition so eine Sache ist. Wahrscheinlich hatte jede Familie ihre eigenen Vorstellungen davon, wie eine Soljanka zu schmecken hatte und welche Zutaten unentbehrlich waren.
Aber dass die Soljanka in der DDR bekannt war, weiß schon das Internetlexikon Wikipedia: "In Deutschland ist die Suppe besonders im Osten verbreitet, da Soljanka zu den beliebtesten Eintöpfen in der DDR-Gastronomie gehörte", ist dort zu lesen. Warum ich mich bei den "Klassikern" der DDR auf meine Mutter verlasse: Ich war neun Jahre alt, als die Mauer gefallen ist, bis dahin hatte ich mit dem Thema Kochen noch nicht viel am Hut, und nach der Wende waren es andere Gerichte, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Ich bin froh, dass es heute bei mir zu Hause nicht mehr nur "wie bei Erich" schmeckt. Ich mag die mediterrane Küche, und gern darf es auch einmal ein fränkisch deftiges Gericht sein.
Aber einige Küchenhelfer haben die DDR überlebt und sind heute noch im Einsatz. Egal ob es der Eierbecher in Form eines Hahns ist, der ein wenig Berühmtheit als Ossi-Kultobjekt erlangt hat, oder ein orangefarbenes Nudelsieb, in das ich meine Spaghetti abgieße. So haben meine persönlichen 80er und die mediterrane Küche doch noch zusammengefunden.
DDR-Besuche und Zahnpasta-Neid
von Susanne Will
Für mich hängt die Erinnerung an die DDR auch mit Zahnpastatuben zusammen. Ich bin mit DDR-Verwandtschaft mütterlicherseits aufgewachsen. Für uns zwei Schwestern hieß das: Wir saßen gefühlte Ewigkeiten auf dem Weg nach Leipzig auf maximal 20 Quadratzentimetern auf dem Rücksitz, weil unter, über, zwischen und hinter uns alles mit Care-Paketen zugestellt war. Einmal mussten wir Skianzüge für die Verwandtschaft über unsere Klamotten anziehen, weil auch die letzte Lücke dafür zugestopft war Es war eng, stickig, heiß, spätestens ab der Grenze zofften wir uns schwitzend um mehr Platz, spätestens ab Erfurt wurde es einer schlecht, spätestens wegen der rußgeschwängerten Luft am Stadtschild von Leipzig beiden. "Die haben doch nix", hieß es dann immer. Und was war mit uns? Denn zwischen Klamottenbergen waren die wirklich guten Sachen versteckt: die Süßigkeiten.
Bei uns zuhause gab es ganz selten Schokolade, die mussten wir uns vom Taschengeld kaufen. Nutella gab es auch nicht, das war meiner Mutter viel zu teuer, zu fettig, viel zu ungesund. Und die Zahnpasta "Blendi", die mit dem lustigen Tier drauf, die gab es bei uns zuhause natürlich auch nicht - "da zahlste nur die Verpackung mit", pflegte mein Vater konsumkapitalismuskritisch zu sagen.