Druckartikel: Eric Satie & Freunde oder: Wie aus Protest gegen Wagner und Strauss das Chanson entstand

Eric Satie & Freunde oder: Wie aus Protest gegen Wagner und Strauss das Chanson entstand


Autor: Gerhild Ahnert

Bad Kissingen, Sonntag, 12. Juli 2015

Beim Late-Night-Konzert gab es neben der Musik eine kleine kulturelle Lehrstunde.
Amélie Sandmann und Siegfried Mauser im Kaisersaal. Foto: Ahnert


Es war ein wunderbar rundes und interessantes Programm und passte genau in den Jugendstilsaal im Hotel Victoria. Im Late Night Concert II erzählte der Musik-Professor Pianist Siegfried Mauser von der Geburt des französischen Chansons aus dem vordadaistischen Protest Eric Saties gegen die Gefühlsschwelgerei und den Bombast der auch in Frankreich tonangebenden deutschen Spätromantiker wie Richard Wagner und Richard Strauss.

Aber einige der Besucher im dicht gedrängten Kaisersaal des Hotels Victoria hatten sich offenbar ihre eigene Vorstellung gemacht von dem, was da geboten werden sollte. Ziemlich rüde unterbrachen sie Mausers kurzweilige Auslassungen über den "skurrilen Satie" und forderten: "Wann kommt denn jetzt die Sängerin?" Das Programm des Abends enthielt schon immer Klaviermusik von Satie und Debussy neben Ravels "Chants populaires", drei Chansons von Satie und einem Edith Piafs. Und genau diese Abfolge wäre ohne die Erläuterungen Mausers nur einfach im Raum gestanden. Die da mit viel Getöse den Raum verließen, hätten nur das Programm vorher anschauen müssen.

Alles in dreifacher Ausführung

Mauser begann mit den "Drei Gymnopedies" und erklärte, dass Satie alle Stücke in dreifacher Ausführung komponierte, um gegen die romantische Vorstellung von der Subjektivität und Einzigartigkeit des Kunstwerkes und die Hybris seiner Schöpfers zu protestieren, weshalb "Drei vorletzte Gedanken" und "Drei Walzer eines vornehmen Dandy" folgten, die Popart, vorwegnehmend. Absolut modern klang es, als er Saties bewusst absurde Vortragsbezeichnungen mitsprach wie "Hier berührt der recht große Zeh des Pianisten sein linkes Ohr". Satie, der Barpianist, markiert den Beginn der Moderne in der französischen Musik, er war die Vaterfigur der Avantgarde um 1900, auch für Debussy und Ravel.

Begeisterung für Fernöstliches

Amélie Sandmann sang aus Maurice Ravels "Chants populaires" das spanische, französische, italienische und hebräische Chanson mit sehr differenzierter Interpretation und klangvoller warmer Stimme. Die zeitgenössische Begeisterung für das Fernöstliche erläuterte Mauser an Claude Debussys "Pagode", wo dieser versucht, Schlagwerkklänge nachzuahmen, was auch dem Pianisten eindrucksvoll gelang. Vier "Preludes" Debussys folgten. Vor allem das vierte und letzte Prelude, "Feux d"artifice", nach Mauser der "Höhepunkt der impressionistischen Musik", wurde zu einem eindrucksvollen Schluss des Klavierteils.

Eric Saties "Drei Chansons" zeigten, dass dieser auch die populäre Musik des 20. Jahrhunderts, vor allem das französische Chanson, erfunden, populär gemacht hat. Amélie Sandmann ist eine ausgezeichnete Diseuse, hat dafür genau die richtige Stimme und auch das Spieltalent. Sie bewies, dass "Tendrement" schon ein echter Schlager war und "La Diva de l'Empire" wie auch "Je te veux" schon alles hatten, was 100 Jahre später Edith Piafs "La vie en rose" und "Je ne regrette rien" zu ihren größten Welterfolgen machte.

Die weitaus meisten der Zuschauer waren geblieben bis zu diesem Endpunkt des musikalisch und kulturgeschichtlich Programms, das für die, die auch bei Musik gerne mitdenken, für ein überaus anregendes und vergnügliches Konzerterlebnis gesorgt hatte.