Einsatz im Wüstensand
Autor: Sabine Ludwig
Bamberg, Donnerstag, 13. Sept. 2018
Im Norden von Mali sind unter anderem Soldaten aus Franken stationiert. Der UN-Einsatz gilt als gefährlichster weltweit. Wie kommt man damit klar?
Michl R. hat gerade eine Nachtschicht hinter sich. Jetzt blinzelt der Ansbacher in die sengende Sonne. Sein Haar ist noch feucht. "Zwei Minuten duschen, mehr ist nicht drin. Wenn jemand von uns zuviel von dem Nass verbraucht, wird das Wasser abgestellt." Die Regeln bei der Bundeswehr sind streng. Die Bedingungen, die das Leben im Wüstensand mit sich bringen, muss auch der Mittelfranke akzeptieren.
Der "Frankenstammtisch" hilft ihm dabei. Wie jeden Sonntag sitzt der Oberleutnant mit fränkischen Kameraden im Freien vor der Castor-Bar. Das muss sein, dieses bisschen Gefühl von Heimat. Das schweißt zusammen. Kameradschaft ist bei der Bundeswehr ein großes Thema, und es wird hier am Wüsten-Stammtisch auch im Kleinen zelebriert. Mit heimischen Würstchen, Salami und "Opa´s Weißem". Die Feldpost hat die Schmankerl gebracht. Geschickt von den Lieben daheim. Dazu Baguette aus der Kantine als Hommage an das französische Protektorat, zu dem Mali einst zählte.
Wie eine Trutzburg mit drei Kilometern Mauer und Stacheldraht ragt das deutsche Camp Castor aus dem roten Sand. Einen Steinwurf entfernt liegt die einst blühende Stadt Gao, die heute nur noch mit Patrouillen in geschützten Fahrzeugen angefahren wird. Temperaturen um die 40 bis 48 Grad gehören zum Alltag. Soldatenleben im Extremen.
Soldat Markus R. erinnert sich an frühere Einsätze. In ganz Europa ist der Streudorfer mit der Bundeswehr unterwegs gewesen, einige Male auf NATO-Ebene. Der Hauptfeldwebel absolviert in Mali seinen Dienst in der Zahlstelle von Camp-Castor. "Ich versorge die Kameraden mit Bargeld und leiste Zahlungen, die das Kontingent betreffen", sagt der begeisterte Cabrio- und Motorradfahrer. Was mag er an seinen Job? "Es ist jedes Mal eine neue Herausforderung, das gefällt mir. Ich kenne viele Kameraden aus früheren Einsätzen." Zugute kommt ihm, dass er ungebunden ist. Seine Großfamilie lebt in Gunzenhausen.
Ungebunden ist Stefan J. nicht mehr. Er freut sich schon auf seine Freundin. Ende September wird er sie wieder in die Arme schließen können. Verständnisvoll war sie damals am Militärflughafen Köln-Bonn, als der Fürther in die Wüste flog. Das schätzt er an ihr und vieles mehr. Und nächstes Jahr wird endlich geheiratet. Ganz sicher. Da wird ihm kein Einsatz mehr in die Quere kommen. Der Berufssoldat träumt vom Familienleben mit ein bis zwei Kindern.
Doch jetzt heißt es noch, sich in Geduld zu üben. Der Fürther koordiniert fünf Rettungsteams. Für den Fall der Fälle. Anfang 2018 gab es einige Angriffe auf Konvois und auch immer mal wieder Angriffe mit Mörserfeuer. Im April schlug eine von drei abgefeuerten Raketen in der Nähe des Super-Camps in Gao ein. Es gab weder Verletzte noch Tote. Auch in das UN-Camp bei Timbuktu haben insgesamt neun Selbstmordattentäter versucht, einzudringen. Sie wurden erfolgreich abgewehrt.
Bei einem Anschlag mit Verletzten gilt die 10-1-2-Regel. Das heißt, dass in zehn Minuten die Erste Hilfe durch Kameraden vor Ort erfolgen muss. Innerhalb der ersten Stunde muss die Behandlung durch einen Arzt geschehen, der mit dem MedVac-Hubschrauber, der im Camp zum Einsatz bereit steht, eingeflogen wird. Flankiert wird er von ein bis zwei Kampfhubschraubern, um die Evakuierung zu sichern. Innerhalb von zwei Stunden muss die chirurgische Versorgung in einem Militärkrankenhaus, beispielsweise im nahe gelegenen UN-Super-Camp stattfinden. Das ist das Szenario im Ernstfall, der jederzeit passieren kann. "Alle Sanitätseinsätze der Deutschen laufen über mich. Das gilt es zu koordinieren mit all dem nötigen Papierkram", betont der frühere Erlanger Waldorf-Schüler.