Eine Zukunft für Bad Kissingen ohne Kurgäste?
Autor: Edgar Bartl
Bad Kissingen, Mittwoch, 17. April 2013
Vor allem die kleinen Häuser haben große Probleme, ihre Betten zu füllen. Dumping- preise mancher Anbieter setzen ihnen schwer zu. Bad Kissingens Kurverein hat aber auch kein Patentrezept.
Heike van Heteren (Sanatorium Winterstein) machte ihrem Unmut Luft: "Die klassische Kur ist am Aussterben." Obwohl sie ihr Unternehmen auf den neuesten Stand gebracht hat und es zertifiziert ist, "kriegen wir Null von den Kassen". Die würden jeden Reha-Antrag "aus Prinzip" ablehnen. Also: "Wie sollen wir überleben? Wir haben keine Chance", konterkarierte sie eine Mut-mach-Rede von Oberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD) bei der Frühjahrsversammlung des Bad Kissinger Kurvereins.
Der tagte erstmals im noblen Ambiente des holzgetäfelten Sitzungssaals im Alten Rathaus. Dort ist die Uhr vor langer Zeit fünf vor zwölf stehen geblieben.
Falsch gestellte Weichen
Wenn 56 Prozent der Mitglieder zu einer solchen Veranstaltung kommen, ist das viel. Wenn ein Verein nur 16 Mitglieder hat, ist das allerdings recht wenig.
Und die Anwesenden konnten Heike van Heteren zwar zuhören, aber nicht helfen. Kay Blankenburg verwies darauf, dass der Niedergang der Kur 1995 mit der Gesundheitsreform eingeläutet worden und eine politische Entscheidung gewesen sei.
Der stellvertretende Vorsitzende Hans Markwalder, ein Schweizer, sagte, als er 1999 nach Bad Kissingen gekommen sei, habe er erkannt, dass die klassische Kur tot sei. Eine Ursache sei der Missbrauch von Sozialleistungen gewesen. Bad Kissingen habe vor 40 Jahren die Weichen falsch gestellt. Sein Wachstum sei zum Teil auf Sand gebaut gewesen. Dieses Rad könne man nicht zurück drehen.
Busreisen schalten Gang zurück
Für die Hotels sieht Hans Markwalder nur eine einzige Chance: Sie müssten ein Alleinstellungsmerkmal haben, um zu überleben: "Ohne geht nichts. Wer das nicht checkt, ist bald weg vom Fenster." Dabei zeichne sich schon der nächste gravierende Wechsel ab: Die Busreisen seien ein rückläufiger Markt. Über sein Haus, das Hotel "Sonnenhügel", sagte der Manager, dort gebe es einen "Investitonsstau, der sich gewaschen hat."
Auf Kritik war die Äußerung von Kay Blankenburg gestoßen, Bad Kissingen dürfe Übernachtungen nicht verramschen, sondern müsste sich über die Qualität definieren. Er sprach von einer Stadt im Auf- und Umbruch.
"Erpresserverhalten" der Gäste
Marinne Engels ("Saxonia") sagte, Billigpreise machten kleinen Häusern große Probleme. Hans Markwalder wandte ein, das Geld, das man investieren wolle, müsse zunächst verdient werden. Heike van Heteren beklagte das "Erpresserverhalten" der Gäste am Telefon, das um sich greife. Ralf Ludewig sagte, Bad Kissingen sei gut aufgestellt, weil Gesundheit und Sport ein boomender Markt sei. Das gehe aber derzeit an der Stadt vorbei, weil das in vielen Bereichen verschlafen worden sei.
Große Hoffnungen setzen alle auf die Aufnahme als UNESCO-Weltkulturerbe. Kay Blankenburg sagte, man sei hier auf einen guten Weg. Die Fußgängerzone könne nicht so bleiben, wie sie ist. Wenn man die Kanäle nicht saniere, "läuft irgendwann das Abwasser in das Heilwasser." Der Umbau werde peu á peu gehen, der Handel werde dabei aber eingebunden.
Vorsitzender Heinz Stempfle bezweifelte, dass Kurzfrist-Billigangebote über Discounter der richtige Weg sei, so würden keine Stammgäste gewonnen (Hans Markwalder sieht das anders). Mit dem UNESCO-Prädikat werde Bad Kissingen "nach Jahrzehnten der Abstinenz wieder auf die Weltkarte" gesetzt. Er appellierte, wie der OB, dem neuen Kurdirektor eine Chance, das richtige Handwerkszeug und ausreichende Mittel zu geben.
Hans Markwalder warf die Frage auf, ob das Kurstadt-Marketing zeitgemäß ist. Er wollte nicht ausschließen, dass der "Sonnenhügel" aus dem großen Bad Kissinger Katalog ausscheidet. Das stieß auf Befremden. Aus dem TUI-Katalogen hat der "Sonnenhügel" sich schon verabschiedet, weil die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen gestanden seien.
Wahlen: An der Spitze des Kurvereins gibt es keine Veränderung. Seit 40 ist Heinz Stempfle Vorsitzender, er bleibt es bis 2015, denn "es ist keiner da, der es machen will - aber maulen". Als "Vize" wurde Hans Markwalder bestätigt, als Schriftführerin Marianne Engels, als Beisitzerinnen Anna Krug und Denise Kunz.
Finanzen: Die Finanzen des 16 Mitglieder starken Vereins sind geordnet. Erwirtschaftet wurden 3000 Euro Gewinn. Auf der hohen Kante liegt eine Summe im fünfstelligen Bereich.