Druckartikel: Eine noch nie erlebte Trockenheit

Eine noch nie erlebte Trockenheit


Autor: Heike Beudert

Bad Kissingen, Mittwoch, 17. August 2022

Wer von der Landwirtschaft lebt, muss mit Wetterunbilden rechnen. Warum sich diese Trockenphase sogar auf die Ernte 2023 auswirken kann.
An den sich einrollenden Blättern erkennt Claus Schmitt, dass dieser Apfelbaum unter der Trockenheit leidet. Auch Enkel Oskar schaut schon aufmerksam hin. Foto: Heike Beudert


Die ersten Äpfel, die in dieser Sommersaison in Schmitt´s Obstgarten geerntet werden, sehen aus wie gemalt. Rotbackig und prall liegen sie in den Körben. Claus Schmitt freut dieser Anblick, denn die Frühsorte scheint die lange Trockenheit noch recht gut weggesteckt zu haben. Doch nur wenige Meter entfernt stehen Apfelbäume, denen der Trockenstress deutlich anzusehen ist. Die Blätter rollen sich bereits ein, ein typisches Zeichen, dass der Baum Durst hat. Claus Schmitt sorgt sich um seine Obstbaumkulturen und steht mit seiner Sorge nicht alleine

Auch in Ramsthal wünscht sich die Winzerfamilie Neder nichts dringender als Regen. Es sind die jungen Weinstöcke, die unter dem fehlenden Regen sehr leiden. Im Obsthof Müller in Modlos ist das vor vier Jahren gebaute Regenrückhaltebecken zur Bewässerung der Sonderkulturen heuer erstmals bis auf den letzten Tropfen aufgebraucht. Und Hans Pfülb, Biolandwirt in Fuchsstadt, sorgt sich um die Kartoffelernte, um seine Soja- und Sonnenblumenfelder. "Jeden Tag, an dem es nicht regnet, wird es schlechter", ist sein Fazit.

Zurück in Schmitt´s Obstgarten. Hier erklärt Claus Schmitt, der Vorsitzender des Vereins unterfränkischer Obstbauern ist, dass die Ernte viel schwieriger ist als in normalen Jahren. Die Früchte reifen anders als gewohnt. Man müsse noch gezielter ernten als sonst. Auch vermag er nicht zu sagen, welchen Einfluss Dauerhitze und Trockenheit auf das Obst haben werden. Ihm stellt sich die Frage, ob die Lagerfähigkeit oder der Geschmack dadurch verändert sind.

Gießwasser gab es vor allem für die jungen Bäume, die gegen Trockenheit noch anfälliger sind. Aber für alle reicht es nicht, denn nicht alle Flächen sind mit einer Tröpfchenbewässerung versehen. Ob der Obstanbau künftig ohne Bewässerung überhaupt möglich ist, darüber wagt Claus Schmitt für die Dauerkulturen wie Äpfel noch keine Aussage.

Grundsätzlich sieht es für die diesjährige Ernte trotzdem ganz gut aus, meint Claus Schmitt. Bei den Dauerkulturen richtet sich sein Blick vielmehr in die Zukunft. Seine Sorge ist, wie die Bäume die Trockenheit kompensieren können. Denn in den nächsten Wochen entscheidet sich, wie die Blütenbildung im kommenden Jahr sein wird und das ist ein wichtiger Faktor für die Ernte 2023.

Ein solches Trockenjahr könne ein Baum vielleicht noch wegstecken, meint seine Frau Agnes Schmitt. Aber was ist, wenn die Sommer künftig regelmäßig so sind? Es brauche Sorten, die gut mit Trockenheit klar kommen."So eine Trockenheit haben wir so lange wir Landwirtschaft haben, noch nicht erlebt", sagen Agnes und Claus Schmitt unisono. Sie bewirtschaften seit mehr als 30 Jahren ihren Hof.

"Es ist frustrierend, aber unabänderlich", beschreibt Helga Neder die Situation in den Weinbergen ihrer Familie rund um Ramsthal. Es seien vor allem die jungen Rebstöcke unter zehn Jahren, die leiden. Ohne eine Bewässerung könnten die ganz neuen Pflanzen heuer nicht überleben, sagt Helga Neder. Dort, wo es am Nötigsten ist, bewässert die Winzerfamilie. Aber überall geht das nicht: Zu aufwendig und zu teuer. Besser sieht es bei den alten Rebstöcken aus. "Die bringen mich zum Erstaunen", sagt Helga Neder zu deren Durchhaltevermögen.

Über die Traubenernte wagt Helga Neder keine Prognose. Auch wenn der Sonnenschein eigentlich gut für die Trauben ist, nutzt dieser nur bedingt, wenn auf der anderen Seite die Feuchtigkeit fehlt. Denn für viele Öchsle brauche es auch Wasser. Sichtbar seien Trockenschäden vor allem am Bacchus.

Die Trockenheit sorgt im Weinberg für viel zusätzlichen Arbeitsaufwand, nicht nur durch die Bewässerung. So versucht die Winzerfamilie durch gezielte Pflegemaßnahmen, die Wachstumsbedingungen der Pflanzen in Hitzephasen zu verbessern. Die Landesanstalt für Gartenbau und Weinbau befasst sich bereits intensiv mit der Frage, wie Winzer dem Trocken- und Hitzestress im Weinbau neben einer Bewässerung gezielt entgegenwirken können. Ein Thema, das die Neders sehr beschäftigt.

Weniger getroffen hat das wüstenhafte Klima dieses Sommers bisher den Obsthof Müller in Modlos. Das liegt vor allem daran, dass die Erdbeerernte bereits länger abgeschlossen ist, sagt Jochen Müller. Apfelkulturen hat der Hof zwar auch, aber sie sind nicht ganz so umfangreich. Und Jochen Müller hat Bewässerungsmöglichkeiten sowohl für seine Erdbeeren, als auch für die Obstbäume geschaffen. Vor vier Jahren rang er sich durch, in den Bau eines Regenrückhaltebeckens zu investieren. "Ich bin sehr, sehr froh, diese Investition getätigt zu haben", sagt er heute. Seit Anfang August ist das Wasserbecken leer, das erste Mal in vier Jahren.

Nach mehr als zwei Monaten Trockenheit sorgt sich Hans Pfülb um die weitere Ernte dieses Jahres; alles, was nicht mehr von der Winterfeuchtigkeit profitieren konnte, werde jetzt von Tag zu Tag schlechter. Hans Pfülb hat noch eine weitere Sorge. Eigentlich sei in der Landwirtschaft jetzt die Zeit zum Ausäen, bei ihm im Biobau ist es der Rotklee als Zwischenfrucht. Daran sei nicht zu denken. Für alle Früchte, die noch heuer geerntet werden, hofft er jetzt inständig auf den angekündigten Regen. "Zehn Liter würden noch was retten".