Druckartikel: Eine "Festa Italiana" begeistert mit Barockmusik

Eine "Festa Italiana" begeistert mit Barockmusik


Autor: Christian Dijkstal

Bad Kissingen, Montag, 31. Dezember 2012

Ein Abend nur mit barocker Musik kann ja so langweilig sein. Kann. Muss aber nicht. Er kann auch das vollkommene Gegenteil sein: Ein Abend, der voll von Überraschungen ist. Ein Abend, der so spannend und abwechslungsreich ist, dass man sich wünscht, er würde nicht zu Ende gehen.
Dorothée Oberlinger und ihr Ensemble begeisterten die Zuhörer im Rossini-Saal. Foto: Dijkstal


Ein solcher Abend war der Freitagabend, an dem Dorothée Oberlinger und ihr fünfköpfiges Ensemble im Rossini-Saal im Rahmen des Kissinger Winterzaubers eine "Festa Italiana" feierten. Ein wirkliches Fest voller Farben, Formen, Figuren; ein immer mal wieder zügelloses, überschäumend lebendiges Fest; oft ein einziger Klangrausch und ein funkensprühendes Feuerwerk.


Intensiv und tiefgehend

Und doch war es keine auf vordergründigen Effekt angelegte Fête mit oberflächlichem Smalltalk: Das Protokoll dieser Feier hatte wirkungsvoll die Zeiten für leisere Töne und die Räume für das ernste, tief gehende Gespräch mit eingeplant. Sie wirkten umso intensiver.

Dass es ein Abend erstaunlicher Virtuosität und klanglicher Vielseitigkeit werden würde, verrieten die Musiker bereits in Heinrich Ignaz Franz Bibers eröffnender "Partita VI D-Dur" für zwei Violinen und Basso continuo. Ein bis ins Letzte ausgekosteter Beginn des Präludiums: eindringlich, mit sich endlos gedehnt anfühlenden Terzmotiven, die sich in unglaublich rasch gespielte Dreiklangsbrechungen verwandelten. Eine warme Spielweise und ein zu Beginn kühler Ton schufen faszinierende Kontraste.


Zwiegespräch der Violinen

In der Arie freute man sich an dem wunderbaren Zwiegespräch der beiden Violinen (Rüdiger Lotter und Chouchane Siranossian), der sachte und gleichsam mit weiser Miene vom Cello (Isolda Hayer) unterstützt wurde.
Die folgenden neun Variationen waren eine technisch mehr als anspruchsvoll darzustellende Anthologie unterschiedlichster Empfindungen und Klangcharaktere: Richtig großen Spaß machte das Zuhören beim witzigen, aufgeregten Schnattern der Violinen, beim wundervollem Wispern im Pianissimo, das sich zum Singen im zarten Mezzoforte entwickelte, und bei den hell aufleuchtenden Skalen von Streichern und Cembalo - zumal die Ausführenden selber beim Spielen meistens lächelten oder gar strahlten. Deutlich wurde, dass hier hochkarätige, sehr selbständige Musiker am Werk waren, die im Zusammenspiel zu einer perfekten Einheit wurden.

Sie blieb erhalten, als Dorothée Oberlinger in Giuseppe Sammartinis "Konzert für Blockflöte und Streicher D-Dur" als Solistin zum (mit Anja Kreynacke um eine Viola ergänzten) Ensemble kam. Lebendig war das Spiel der außerordentlich extrovertiert musizierenden Solistin; man musste sich an den Anblick der unablässig sich in Bewegung befindenden Spielerin gewöhnen, doch am Ende war deutlich, dass die detailreiche Wiedergabe und die lustvolle Ausführung der unzähligen barocken Spielereien sowie das gehäufte Maß an beeindruckend gemeisterter technischer Schwierigkeiten ohne dieses sichtbare Temperament nicht zu haben gewesen wäre.

Ein stiller, bewegter Flötenton konnte das Ergebnis sein, der mit den Streichern zu einem Klang verschmolz, dem er färbend zu einer glänzenden Krone verhalf. Singen konnte die Blockflöte, vom melancholisch vor sich hin hagelnden Cembalo begleitet, im Siciliano; im Staccato faszinierend hüpfen, vor Begeisterung fast hysterisch (aber immer ästhetisch) schrillen. In Georg Philipp Telemanns "Konzert für Blockflöte und Streicher C-Dur" mit seinem plötzlich eigenartig dunkel gefärbten Streichersatz konnte sie mit glucksenden Verzierungen schäumende Wasserspiele darstellen. Und bei so dicht gestaltetem Spiel bedeuteten Trugschlüsse endlich einmal wieder echte Überraschungen.


Mal wild, mal sanft

Doch nicht nur Dorothée Oberlinger glänzte als Solistin mit Instrumenten zwischen Sopranino und Bassblockflöte. In Erinnerung bleibt die atemberaubend wechselvoll gestaltete "Sonata op. 5 Nr. 3 C-Dur" für Cello von Francesco Saverio Geminiani. Das Cello wurde in den Händen von Isolde Hayer zu einem Erzähler, dem man aufmerksam lauschen musste. Ein launischer Erzähler: mal kultiviert wild, dann sanft; mal beruhigend, mal aus der Tiefe aufbrausend. Ein hoch virtuoses Musizieren, das mit der Cembalobegleitung des stets trocken-souverän und aufmerksam spielenden Florian Birsak wie aus einem Guss wirkte.

Und nicht vergessen darf man das lustig und ungemein frei gespielte Capriccio von Pietro Locatelli, bei dem Chouchane Siranossian perfekte Geigentechnik am Hochreck vorführte und zuletzt - den Ambitus der Violine nach oben komplett ausnutzend - das detailreich verarbeitete Motiv ihrer Kadenz im Flageolett bis zum d5 hinauf trieb. Für den Normalhörer sind das ungeahnte, kaum mehr hörbare Höhen. Doch das Schöne war, dass auch das keine reine Zirkusnummer, sondern das Ergebnis von Ehrgeiz und Spaß.

So erlebten die Zuhörer im vollen Saal einen begeisternden und belebenden Abend, von dem sicher niemand auch nur eine einzige Minute würde missen wollen.