Eine Brücke von Ost nach West
Autor: Björn Hein
Bad Bocklet, Donnerstag, 28. August 2014
Orthodoxer Gesang und jede Menge Wissenswertes über orthodoxe Traditionen erfuhren die Zuhörer eines Konzerts, das der St.-Daniels-Chor aus Moskau im Bad Bockleter Kursaal gab.
Die Kirchenmusik der orthodoxen Ostkirchen ist für westliche Ohren sehr reizvoll: Einerseits ist die religiöse Thematik vertraut, der dort praktizierte Gesang birgt aber für den Hörer immer wieder musikalische Überraschungen. Dem St.-Daniels-Chor aus Moskau, der im Kursaal in Bad Bocklet einen Auftritt hatte, gelang es dabei virtuos, den Besuchern den ganz besonderen Reiz des russischen Chorgesangs zu vermitteln.
Die Zuhörer erfuhren auch sehr viel interessantes über die orthodoxen Traditionen Russlands. Konzentrierte man sich im ersten Teil ganz auf die geistlichen Weisen, so war der zweite Teil des Konzerts der weltlichen Musik gewidmet und Romanzen, Operetten und Arien wurden eindrucksvoll interpretiert. Das Publikum würdigte die Darbietung mit viel Applaus und Bravo-Rufen.
Vladislav Belikov, der Leiter des Ensembles, wusste immer wieder interessante Informationen zu geben, an welchen Stellen des orthodoxen Gottesdienstes im Jahreslauf die entsprechenden Stücke gesungen werden. Dabei erläuterte er auch die eigentliche Bedeutung des Wortes "orthodox". "Dies bedeutet weniger rechtgläubig denn vielmehr, dass man glaubt, das man Gott gerade mit Liedern angemessen preist", so der Bariton.
Keine Konfessionsgrenzen
Und man spürte tatsächlich die orthodoxe Frömmigkeit im Saal, in die man unter anderem mit dem "Ave Maria" von Sergej Rachmaninoff mit hinein genommen wurde. Diese harmonische und sanfte Bearbeitung einer alten Klostermelodie zeigte auch, wie nah sich doch Ost- und Westkirchen im Glauben stehen. Konfessionsgrenzen sprengte das "Vater unser" oder auf russisch "Otsche Nasch", das in einer Bearbeitung von Rimski-Korsakov musikalisch interpretiert wurde.
Der St.-Daniels-Chor wirkt auf seiner Tour durch Deutschland übrigens auch bei katholischen und evangelischen Gottesdiensten mit, wie Belikov erläuterte. Fehlen durfte natürlich auch nicht der russische Kirchenklassiker "Ich bete an die Macht der Liebe" von Dmitry Bortnjanskyi, der in der russischen Übersetzung eigentlich "Glorreich ist unser Herr in Zion" heißt. Mit diesem Stück schlug das Quartett auch behände die Brücke zu den weltlichen Stücken, die sich nach der Pause anschlossen.
Hier beeindruckte unter anderem der 1. Tenor Pawel Klimeskov bei zwei Miniaturen von Rachmaninoff mit viel Gefühl in der Stimme und einer sehr deutlichen Aussprache, wobei Belikov ihn am Klavier begleitete. Sehr intensiv war auch das "Wolgalied" aus der Operette "Der Zarewitsch" von Franz Lehár. Man konnte die Sehnsucht in der Stimme des 2. Tenors Misha Seryshev regelrecht spüren, mit dem er das Schicksal des einsamen Soldaten besang, was das Publikum mit Bravo-Rufen belohnte.
Sergey Archangelskiy beeindruckte mit einem alten sibirischen Steppenlied aus seiner Heimat, das er sehr gefühlvoll zu interpretieren wusste. Fehlen durfte auch nicht der Estrada-Schlager "Moskauer Nächte", der 1955 von Wassili Solowjow-Sedoi komponiert wurde. Voller Sehnsucht aber auch mit viel Temperament wusste Seryshev diese Weise zu Gehör zu bringen. Volkslieder wie "Das einsame Glöcklein" und das "Es lebten einst zwölf Räuber" schlossen sich an.
Beim "Abendglöcklein" wurden lautmalerisch die klingenden Glocken nachgebildet, was sehr harmonisch klang und für andächtige Stille im Publikum sorgte, das vom Gesang schier gefesselt war. Fehlen durfte am Ende des Konzerts natürlich der traditionelle Segenswunsch "Auf viele Jahre" nicht und als Zugabe wurde das bekannte "Kalinka" von Iwan Petrowitsch Larionow gegeben, wobei das Publikum ausgelassen mitgeklatschte. Es war hervorragend, was das Quartett stimmlich leistete und auch die Vermittlung russischer Traditionen war etwas, das eine Brücke von Ost nach West baute.