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Ein Schatz in Bad Kissingens Salinenstraße


Autor: Werner Vogel

Bad Kissingen, Sonntag, 13. Sept. 2015

Der Tag des offenen Denkmals weckt ein vergessenes Stück Kurgeschichte aus dem Dornröschenschlaf. Das "Solereservoir" findet ein interessiertes Publikum.
Erwin Full erläutert beim Tag des offenen Denkmals die Pläne des Solereservoirs. Fotos: Werner Vogel


Geschichtsfreund Bernd May war erstaunt: "Da fährt man fast jeden Tag daran vorbei und ahnt nicht, welche Geschichte sich dahinter verbirgt". Freundin Silke Hartung ergänzt: "Schön, dass es den Tag des offenen Denkmals gibt". Wenn Kur auch als eine Art Industrie betrachtet werden kann, dann ist das versteckte Gebäude in der Salinenstraße 8 - das Solereservoir - ein Objekt, das gut zum Motto des Denkmaltages "Handwerk, Technik und Industrie" passt.


Eine ausladende Robinie und andere Bäume verdecken den Blick auf eine rund 50 Meter lange zweistöckige Scheune, die einst eine Tankstelle für Badewasser war. Die ansprechend gegliederte Frontseite ist mit zugehauenen Bruchsteinen gemauert, der Baukörper insgesamt harmonisch proportioniert. Die Fahrrinnen mit altem Kopfsteinpflaster sind noch zu sehen, und mächtige Eichenbalken stützen die Dachkonstruktion. Eine Treppe führt auf den Boden, wo einstmals große Bottiche für das Heilwasser standen.
Die Annahme, das Solereservoir sei von Friedrich von Gärtner errichtet worden, ist nicht haltbar. Der Bau wurde begonnen als der Kissinger Stararchitekt schon verstorben war. Die früher offene Halle ist - um sie auch heute wenigstens als Lager nutzen zu können - verbrettert und mit Toren verschlossen.
Erwin Full vom staatlichen Bauamt Schweinfurt öffnete die Tore für die mehr als 50 interessierten Besucher, die über die Dimension und den Gesamteindruck des Gebäudes staunten. Anhand von Plänen erklärt Full die Funktion des Gebäudes.


Nachtruhe wurde gestört

Das Solewasser für die Bäder in den Kurhäusern wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch mit Pferdefuhrwerk ursprünglich am ehemaligen Krugmagazin in der heutigen Kurhausstraße abgeholt. Pferdegetrappel und die eisenbeschlagenen Räder der an- und abfahrenden Fasswagen störten die Nachtruhe empfindlich. So wurde 1850/51 eine Abholstelle für die Sole außerhalb der damaligen Kurzone in der Salinenstraße errichtet. Die Sole wurde vom Hausener Schönbornsprudel mit Rohrleitungen in Bottiche auf den Scheunenboden gepumpt. Neun Zapfstellen konnten gleichzeitig angefahren werden. Die Sole wurde direkt in die darunter stehenden Fasswagen abgelassen. 150 Kubikmeter, der Bedarf für zwei Tage, wurde vorgehalten. Es gab umfangreiche Vorschriften, an die sich Kurhalter und deren Fuhrleute zu halten hatten. So durfte nur von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens getankt werden. Andererseits musste das Solewasser stets frisch in die Bäder eingefüllt werden, ein "Strecken mit Bachwasser" war bei strengen Strafen verboten.


Denkmal nur für 20 Jahre

Aber schon zwanzig Jahre später hatte das Solereservoir seine Bedeutung verloren. Mit der Errichtung des großzügigen Aktienbades, das die Kurhalter und die Kissinger Bevölkerung finanzierten, war für das aufstrebende Bad eine neue Zeit angebrochen. Das später Luitpoldbad genannte Badehaus war das modernste in Europa. Nach und nach gaben die Hotels Solebäder im eigenen Haus auf. Die Anlage war überflüssig. Ungläubiges Kopfschütteln, als Full erklärte, dass das Sole-Reservoir nur noch als Lager benutzt wird. "Ewig schade", meinte Eva Feichtinger, die mit einer kleinen Gruppe Kissinger Künstler noch lange im Hof stand. Mit Blick auf die ansprechende Atmosphäre in der Halle könnten sie und Malerkollege Wolfgang Kuhfuss sich eine Kunstausstellung darin vorstellen. Ehefrau Wiltrud Kuhfuss ergänzte: "Man müsste noch nicht mal die Blätter vom Boden fegen". Erwin Full gab der kleinen Gruppe den Ratschlag, doch mit dem Kissinger Büro der Immobilien Bayern zu reden. "In der Prinzregentenstraße werden die staatlichen Denkmäler verwaltet".

400 Besucher erkundeten den Schlachthof

Bad Kissingen — Die Anmeldelisten sind voll, da strömen noch immer Besucher, wollen Michael Wieden zuhören, der zur Nachmittagsführung vor dem großen Tor des Schlachthofs steht. Der Wirtschaftsförderer der Stadt weist vorsorglich auf die Eigenverantwortung der Besucher hin: Betreten auf eigene Gefahr!
"I want to visit this Church", soll ein amerikanischer Offizier seinen Fahrer angewiesen haben, als er in den 1950er Jahren am damaligen Schlachthof vorbeifuhr. Das im Volksmund "Ochsenkathedrale" genannte Bauwerk aus dem Jahr 1925 sei einzigartig in Europa, meint Wieden. Für die damalige Zeit außerordentlich weitsichtig gebaut, prägt es noch heute das Areal um die "Schlachthofkreuzung". Zwei 50 Meter lange Bauzeilen grenzen seitlich an den großen Innenhof.


Im Jugendstil

Die eigentlichen Schlachtkammern auf der Süd-, die, Kühlhäuser, Eislager und Wurstküchen auf der Nordseite, wurden mit einem 17 Meter hohen Dach zu einem einzigen, über die Maßen repräsentativen Gebäude im Jugendstil verbunden. Die Mauern wurden durch hohe Fenster unterbrochen. "Ein hoher Schornstein hätte auch nicht zum Ansehen des damaligen Weltbades gepasst", meint Wieden. Der Evangelist Lukas, Schutzpatron der Metzger, der in der kirchenschiffähnlichen Halle über das Wohl des Gebäudes wacht, konnte nicht verhindern, dass der Betrieb 2002 geschlossen werden musste und seither nur mit den Ausstelllungen "Terrakotta Armee" und "Körperwelten" und einer Musikveranstaltung öffentlich genutzt werden konnte.
Seit 2008 wird nach Nutzungskonzepten gesucht, die Umsetzung scheitert am fehlenden Geld. Ob ein von Wieden angedachtes "Institut für Chronobiologie" eine Lösung sein könnte, bleibt abzuwarten. kwv