Druckartikel: Ein Hauch von heiler Welt

Ein Hauch von heiler Welt


Autor: Werner Vogel

Bad Kissingen, Montag, 15. Juni 2015

Mit Trachtentänzen, einem Theaterstück über alte Zeiten und Speisen wie anno dazumal wurde Dorfidylle im "Reitschwieser" Rathausgarten inszeniert.
Dorfgericht anno 1797 mit v.l. Günther Vogel, Ruth Stenzl, Eleonore, Andreas u. Veronika Richler und Ingeborg Willerding. Foto: Werner Vogel


"So schön kann Dorfleben sein", meinte Johann Schultze, Kurgast aus Hamburg, der die idyllische Atmosphäre rund um das Alte Rathaus von Reiterswiesen sichtlich genoss. Die kleine Anlage mit den zwei markanten Linden hinter dem Fachwerkgebäude mit fränkischem Spitzgiebel und Glockentürmchen aus dem Jahr 1703, wurde beim Dorffest des Heimatvereins wieder einmal zum lebendigen Dorfmittelpunkt.
Als die Kirchentüren nach dem Sonntagsgottesdienst aufgingen, wurden die Besucher mit Klängen der Feuerwehrkapelle zum kleinen Festplatz gegenüber der Laurentiuskirche geleitet. Da drehten sich die Paare der Tanzgruppe in fränkischer Tracht zu Schlamperer, Schecher und Wolgaster und auch sonst war viel zu sehen und zu erleben. Ein Hauch von heiler Welt wehte um Kirche, Rathaus und Dorfbrunnen.
Zum 12-Uhr-Läuten wurde die traditionelle Reitschwieser Linsenspitzersuppe serviert, bald rauchte auch der Dorfbackofen und Emil und Hubert Warmuth holten später knusprige und köstlich duftende Bauernlaibe aus der Glut, während sich interessierte Besucher von Günter Immler die Schätze aus der dörflichen Vergangenheit im Museum Heimatstube erklären ließen.
Am Dorfbrunnen zeigte Franziska Metz wie mühsam anno dazumal Wäsche gewaschen wurde, Lea, Marlies und Lina durften mit Omas alter Mühle Kaffee mahlen, später lauschte die ganze Kinderschar auf der Bühne Thomas Mac Pfeifer, der Geschichten aus seinen Büchern von Wintrich, dem Erdbeerfrosch, und seinen Freunden aus dem Regenwald vorlas und endlich erfuhren auch die alteingesessenen Reiterswiesener, wer die ominöse Luise von der Viehträ war, die im Mittelpunkt der historischen Gerichtsverhandlung stand, die das Ritanswiser Burgtheater aufführte.

Wer war Luise von der Viehträ?

Veronika Richler strahlte mit der Sonne um die Wette. Gerade konnte die 21 jährige Abiturientin aus Reiterswiesen viel Beifall für ihr überzeugendes Debüt als Schauspielerin einstecken: "Erst war ich irre aufgeregt, aber dann hat's riesig Spaß gemacht", fasste sie ihre Eindrücke zusammen. Damit hat die Schauspielerei, -auch Mutter Eleonore und Vater Andreas sind langjährige Darsteller auch beim Freilichtspiel auf Burg Botenlauben- ein weiteres Mitglied der Familie infiziert.
Die "Burgschauspieler" hatten ein Ereignis aus der Reiterswiesener Geschichte, den Einfall französischer Dragoner in das Dorf im Jahr 1796 mit Plünderungen und Brandschatzung, als Hintergrund für eine lustige Gerichtsverhandlung à la "Königlich Bayrisches Amtsgericht" ausgewählt, in dem einige der damals handelnden Personen rund um den heldenhaften Schultheißen Weißensehl auftraten. Gekämpft wurde zwar nicht, aber heftig-deftige Wortgefechte im "Reitschwieser" Dialekt zwischen dem "Schmied's Joffer", -"also, ich hätt a Klaache fürzubringe"- dem "Kiesel's Fräle", -"nuch nie hob ich öbbes gschtohle" und dem Richter- "halt' er sich zurück mit seinem Gefluche", sorgten für allerlei Turbulenzen, bis der ehrwürdige Freiherr von Erthal alles zu einem erträglichen Ende zusammenführte.
Andreas Richler als polternder Schultheiß, Günther Vogel, der den plappernden Dorfschmied darstellte, Veronika Richler und Ingeborg Willerding, die abwechselnd der armen Bauersfrau mal empörten und dann wieder tränenreichen Ausdruck gaben , Ruth Stenzl und Eleonore Richler als etwas einfältige Gänsemägde und aufmerksame Schöffen und dazu Bernhard Thomas als gütiger Freiherr von Erthal brachten mit großer Spielfreude zwei umjubelte Aufführungen vor der stimmungsvollen Kulisse des alten Rathauses auf die Bühne. Die geschichtliche Einführung zur Gerichtsszene "Luise von der Viehträ und die Franzosen" wusste Regisseur Werner Vogel mit Dokumenten aus dem Museum und Dachziegeln von 1797 aus dem Haus des Schultheißen Weißensehl zu untermauern.
Hilla Schütze aus Bad Kissingen gefiel die Symbiose aus historischem Ereignis und dessen Umsetzung am Originalschauplatz besonders gut. "Passender hätte man Stück und Spielstätte kaum zusammenfügen können", meinte sie. Dass das Geheimnis um die Luise vom Ortsteil Viehträ rund um die heutige Kiefernstraße so ganz anders als vermutet, gelüftet wurde, passte ins Bild des Stücks, das die gute alte Zeit ein wenig auf den Arm nahm. Man wurde den Verdacht nicht los, dass geklaute wurmstichige Mostäpfel damals für den Einzelnen genauso wichtig waren wie der historische Brand, der Gottseidank nur den Nachbarn getroffen hat. Menschlich halt, wie man sich die gute alte Zeit von 1797 eben so vorstellt.