Ehrenamtliche auf sensible Bereiche aufmerksam machen
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Mittwoch, 23. Oktober 2013
Auch ohne den laufenden Missbrauchs-Prozess sind Vereine und Verbände sensibilisiert. Im Landkreis werden die Führungszeugnisse für Ehrenamtliche voraussichtlich ab Januar zur Pflicht.
Heute werden in Schweinfurt die Plädoyers im Prozess gegen einen ehemaligen Rot-Kreuz-Jugendleiter gehalten, vielleicht fällt sogar bereits das Urteil. Ihm wird vorgeworfen, ihm anvertraute Kinder im Alter von 13 bis 15 Jahren sexuell missbraucht zu haben. Welche Konsequenzen hat das Rote Kreuz aus dem Fall gezogen und wie sieht es bei anderen Organisationen aus?
Aufklärung und offener Umgang
"Das Thema Schutz vor
sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt ist und bleibt mit hoher Priorität Gegenstand unseres Handelns", betont Thomas Stadler, Kreisgeschäftsführer beim Roten Kreuz in Bad Kissingen. Er berichtet von Beratungen und Schulungen auf allen Verbandsebenen. Da der angeklagte Jugendleiter selbst einen Leitfaden mit erarbeitete und vertrat, ist Stadler vorsichtig geworden: "Allein Richtlinien reichen nicht aus, gefordert sind insbesondere Aufmerksamkeit, Aufklärung und
gesellschaftliche Sensibilisierung." Aber er sieht auch die Grenzen: "Grundsätzlich ist man jedoch bei hoher krimineller Energie nie ausreichend gewappnet."
Das Rote Kreuz setze auf die Aufklärung aller Beteiligten, den offenen Umgang mit dem Thema und die Stärkung des Selbstbewusstseins der Kinder und Jugendlichen, "um ihnen damit Mut zu machen, versuchte und stattgefundene Übergriffe mitzuteilen." Konsequenzen gab es bei den Veranstaltungen: Zwar bleibe das Jugendrotkreuz, aber mit zunächst kleinerem Angebot: "Es ist wichtig, die Angebote der Jugendarbeit aufrecht zu halten und, um dies zu erreichen, die in der Jugendarbeit Aktiven vor einem Generalverdacht zu schützen."
Mit Ansage und vor der Gruppe
Auch Klaus Hofmann, dem Leiter der kirchlichen Jugendbildungsstätte Volkersberg, ist das Thema wichtig: "Unsere Hauptamtlichen haben ihre Führungszeugnisse längst abgegeben und wir hatten eine Präventionsschulung dazu." Seit er 2002 die Leitung übernommen hat, seien auch die insgesamt rund 100 Ehrenamtlichen immer wieder sensibilisiert worden. Schließlich gebe es im Hochseilgarten oder in der zirkuspädagogischen Arbeit zwangsläufig "sensible Momente": vom Check der Klettergurte bis zum Heben ans Trapez.
"Wenn möglich macht das bei uns immer ein gleichgeschlechtlicher Betreuer", sagt Hofmann. Noch wichtiger aber sei, dass alle Aktionen angekündigt werden, bei fehlender Rückmeldung werde explizit um Erlaubnis gefragt und: "Bei uns geht keiner mit einem Teilnehmer allein in irgendeine Ecke, sondern alles geschieht vor der Gruppe." Der Volkersberg will sich im Winter auch an der allgemeinen Lösung zur Vorlage der Führungszeugnisse beteiligen.
Mit diesem Thema beschäftigt sich gerade Kreisjugendpfleger Karl Englert (siehe auch Info-Kasten unten). "Im Moment können alle Vereine noch ganz ruhig bleiben", beruhigt er. In vier Regionalkonferenzen wurde in den vergangenen Wochen auf das Thema aufmerksam gemacht, im November sei eine Sitzung des Jugendhilfeausschusses vorgesehen. "Im Dezember/Januar schreiben wir dann voraussichtlich alle uns bekannten Vereine und Verbände an", kündigt Englert an.
"Über das Thema reden"
Allerdings betont der Kreisjugendpfleger auch, dass das Führungszeugnis oder freiwillige Erklärungen nicht reichen: "Ein Blatt Papier alleine hat keinen Wert, man muss über das Thema Sexualität einfach reden." Am Schweinfurter Missbrauchsprozess seien die Grenzen des Systems ablesbar: Der Angeklagte war nicht vorbestraft und hatte eine Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben.
Novelle Das neue Bundes-Kinderschutz-Gesetz ist bereits zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Unter anderem werden darin alle Akteure gestärkt, die sich für das Wohlergehen von Kindern einsetzen: von Eltern über Kinderärzte und Hebammen bis zum Jugendamt. Unterstützt wird der Aufbau von so gennanten Familienhebammen und der Netzwerke "Frühe Hilfe", zudem wurden einheitliche Standards in der Kinder- und Jugendhilfe festgeschrieben.
Führungszeugnis Für hauptamtliche Mitarbeiter der Jugendhilfe wurde das erweiterte Führungszeugnis gleich 2012 vorgeschrieben. Für Ehrenamtliche gab es lange Diskussionen, die zu unterschiedlichen Lösungen führten: Im Landkreis Bad Kissingen sollen die Kommunen die Zeugnisse bestellen, einsehen und eine Bestätigung für die Vereine ausstellen. Damit sollen Funktionäre von Bürokratie entlastet werden und der Datenschutz gewahrt bleiben.