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Die Windkraft kommt in den Landkreis Bad Kissingen


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Sonntag, 11. Mai 2014

Wenn es nach den Investoren geht, wird es bis 2020 im Landkreis Bad Kissingen 55 Windräder geben. Noch stehen die Gemeinden den Plänen weitgehend positiv gegenüber.
Transport eines Windradflügels. Foto: Thomas Malz/Archiv


Während zurzeit über die Suedlink-Stromtrasse durch den Landkreis heftig diskutiert und gestritten wird und mit Unterschriftenlisten der Bau verhindert werden soll, ist die Situation und Stimmung bei der Windkraft im Grunde genau umgekehrt: "Die Gemeinden im Landkreis stehen der Windkraft überwiegend positiv gegenüber", sagt Thomas Schoenwald, Leiter der Abteilung Bauen und Umweltschutz. Aber er kennt auch Gegenbeispiele. In Rannungen hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die neben den bestehenden Anlagen den Bau von weiteren Windrädern verhindern will. Und Meinungsverschiedenheiten gibt es in Rothhausen. Während der Thundorfer Gemeinderat dafür ist, sind die Bewohner im Ortsteil dagegen. Schoenwald: "Die würden die Anlage in voller Schönheit abkriegen." Bad Bocklet hat als Schutzregelung für Kurorte im Regionalplan auch ohne H10 schon einen Zwei-Kilometer-Abstand im Regionalplan durchgesetzt.

Die Vorschriften sind eingehalten

Die Beschwerden aus Bad Bocklet, die gegen die Anlage in Windheim laut wurden, hält man im Landratsamt allerdings nicht für gerechtfertigt. "Das ist alles geprüft, der Mindestabstand ist eingehalten", sagt Christian Metz, Sachbearbeiter Immissionsschutz im Landratsamt: "Die Anlage läuft im Moment im Testbetrieb, es sind noch Feineinstellungen erforderlich."

So hält sich auch die Zahl der anhängigen Gerichtsverfahren zurzeit in Grenzen. Die Gemeinde Bad Bocklet hat wegen ihrer drei Anlagen einen Antrag auf Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht gestellt, das demnächst entscheiden wird, ob die Klage überhaupt zugelassen wird. Und eine Anwohnerin am Schalksberg hat gegen die fünf Maßbacher Windräder Widerspruch eingelegt.

Der Landkreis zog vor Gericht

Andererseits sind der Landkreis Bad Kissingen und die Gemeinden an der hessischen Grenze auch selbst vor den Kadi gezogen. Denn im Main-Kinzig-Kreis werden Windkraftanlagen im Grenzbereich geplant, die auf die Gegebenheiten auf bayerischer Seite keinerlei Rücksicht nehmen. Schoenwald: "Auf deren Karten ist Bayern nur eine graue Fläche."

Ablehnen kann das Landratsamt einen Antrag nicht, wenn er den Vorschriften entspricht. Und es prüft auch nicht nach Wirtschaftlichkeitskriterien. "Die dürfen wir nicht heranziehen", sagt Metz' Kollege und Energieberater Dieter Fuchs. Dass beispielsweise die Stadtwerke Erlangen als Betreiber mit dem Ergebnis der Rannunger Anlage nicht zufrieden waren, interessiert das Landratsamt nicht. "Das lag wohl an einem Getriebeschaden, und außerdem war 2013 insgesamt ein eher windschwaches Jahr."

Das Ende der Fahnenstange

Wie viele Windkraftanlagen es eines Tages im Landkreis geben wird? Darauf geben Metz und Fuchs keine Prognose. "Wir können keine Obergrenzen festlegen", sagen sie. Aber wenn im Regionalplan bereits ausgewiesenen Flächen ausgeschöpft sind, sei ein Ende absehbar. "Wir sind ohnehin gut dabei", sagt Metz. Wenn die zurzeit geplanten Anlagen bis spätestens 2020 noch realisiert sind, werden es 55 Anlagen sein. Bei 1400 Windrädern in Bayern und 72 Landkreisen, also durchschnittlich 20 pro Kreis, gehört Bad Kissingen dann zu den Spitzenreitern.

Steigende Stromausbeute

Und die erzeugte Strommenge wird keine Kleinigkeit sein. "Die sechs Anlagen in Gauaschach und Ranngen haben 2013 zusammen 12850 Megawatt produziert", meint Fuchs. "Das ist Strom für 3000 Haushalte. "Wenn man bedenkt, dass die Stromausbeute der neuen Anlagen mit 3,5 Megawatt (bisher sind es 2 MW) über 50 Prozent größer ist, kann man sich ausrechnen, was dann unterm Strich steht."

Deshalb täten sich auch Landrat Thomas Bold und sein Rhön-Grabfeld-Kollege Thomas Habermann relativ leicht mit der politischen Begründung, die Landschaftsschutzgebiete der Rhön von Windkraftanlagen frei zu halten.

In der Grauzone der Gesetze

An sich könnte ja alles so einfach sein, wenn die gesetzlichen Bestimmungen passen würden. "Aber wir tun uns noch schwer, Anträge für Windkraftanlagen in ein Gerüst einzupassen, und neue Regelungen machen die Verfahren undurchsichtig. Die Genehmigungsbehörden müssen die Auswirkungen alleine austragen", sagt Thomas Schoenwald, Leiter der Abteilung Bauen und Umweltschutz. Das Problem: Als die heute gültigen Immissionsschutz- und Baurechtsgesetze erlassen wurden, hatte noch niemand die Windkraftanlagen auf dem Schirm. Und dann wurden sie priorisiert. Schoenwald: "Wenn jetzt neue Änderungen kommen, dann für Gesetze, die noch nicht funktioniert haben." Damit spielt er auf die in jüngster Zeit mitunter heftig diskutierte "H10-Regelung" an.

Anlagenhöhe mal 10

Was hat es mit H10 auf sich, einer Größe, die Ministerpräsident Horst Seehofer bereits im vergangenen Jahr ins Spiel gebracht hat? Bisher war Standard, dass Windräder in einem Mindestabstand von 800 bis 1000 Meter von der Wohnbebauung entfernt errichtet werden. Der Seehofer-Vorschlag, der Gesetzeskraft erhalten soll, zielt darauf, dass die Windkraftanlagen immer leistungsfähiger, aber damit auch immer höher geworden sind. Eine Anlage von 225 Metern Höhe (mit Rotorblatt) muss einen Abstand von 2,25 Kilometern einhalten.

Thomas Schoenwald ist nicht ganz unglücklich: "Wir dürfen die H10-Regelung bei laufenden Genehmigungsverfahren noch gar nicht berücksichtigen." Die Antragsteller wollten schließlich schnelle Bescheide, sonst können sie Schadensersatzforderungen stellen: "Dann würde sich die Arbeit auf Nebenkriegsschauplätze verlagern."

Noch gilt die alte Rechtslage

Deshalb werden alle Antragsverfahren, die bis zum 1. August beschieden werden - das ist der Stichtag, an dem Schoenwald die Rechtskraft der H10-Regelung erwartet - nach der jetzigen Rechtslage behandelt. Für Anträge, die vor dem Stichtag 4. Februar 2014 eingegangen sind, gilt ohnehin Vertrauenssschutz.

Zwei Problemfelder sind im Moment zu beackern: Die Gemeinden müssen sich festlegen, welche Flächen sie als Vorrangflächen ausweisen wollen, auf denen sie tatsächlich bauen wollen, und welche Flächen sie zu Vorbehaltsflächen erklären,m auf denen sie vielleicht einmal Anlagen errichten wollen. Dabei können sie auch die H10-Regelung unterschreiten, aber dann müssen sie einen Bebauungsplan aufstellen, und das ist eine Frage des politischen Willens und der politischen Diskussion. Alle anderen Flächen sind für die Windkraft dann gesperrt.
Das lässt sich nachträglich auch nicht so einfach ändern - und das ist das andere Problemfeld. Denn die Flächen werden auch verbindlich im Regionalplan eingetragen.

Der Ober sticht den Unter

Was passiert, wenn die Planungen einer Gemeinde mit den Festlegungen um Regionalplan kollidieren? "Das kommt darauf an", meint Schoenwald. "Die Gemeinden Rannungen, Wartmannsroth und Münnerstadt haben ihre Flächennutzungspläne vor zehn Jahren gemacht. Da konnten diese Festlegungen im Regionalplan schon früh berücksichtigt werden." Auch jetzt müsse der Regionalplan die Vorstellungen der einzelnen Gemeinden berücksichtigen. Was nicht ganz einfach ist bei 116 Gemeinden in den vier Landkreisen der Region mit der Stadt Schweinfurt. Denn andererseits müssen einheitliche Kriterien zur Anwendung kommen.

Im Ernstfall allerdings sticht der Ober den Unter, müssen sich die Gemeinden dem Regionalplan anpassen.

Begrenzte Verfahrensdauer

In einem hat sich der Gesetzgeber schon festgelegt: Die Verfahrensdauer für die Genehmigung von Anlagen sollte drei Monate nicht überschreiten. Bei besonderen Schwierigkeiten darf's auch mal sieben Monate dauern. "Dann können die Antragsteller uns wegen Untätigkeit verklagen", sagt Dieter Fuchs, Sachbearbeiter Immissionsschutz und Energieberater.

Ganz so schnell geht's freilich nicht. Denn die Prüfung kann sinnvollerweise erst beginnen, wenn die Unterlagen vollständig im Landratsamt vorliegen. Und darüber, was "vollständig"bedeutet, haben die Firmen nicht einheitliche Vorstellungen.

Aber eigentlich beginnt das Prüfungsverfahren schon viel früher. Denn eine Bewilligung ist nicht möglich ohne Artenschutzprüfung und ornitologisches Gutachten. "Das ist der größte, nicht ganz billige Brocken. Vor allem aber dauert die Prüfung ein Jahr, weil sie zweimal durchgeführt werden muss", sagt Fuchs. Deshalb wird sie schon nach den Vorgesprächen in die Wege geleitet, um das Verfahren nicht zu verzögern. Insgesamt müssen in jedem einzelnen Verfahren 30 Träger öffentlicher Belange gehört werden.

Verfahren hat sich eingependelt

Ansonsten, so Thomas Schoenwald, hat sich das Verfahren eingependelt: "Die Firmen halten sich von sich aus schon an die Vorgaben bei Lärmschutz, Schattenwurf und Abstand und kommen gar nicht erst mit Forderungen, die nicht umzusetzen sind. Sie wollen sich ja nicht unnötig Schwierigkeiten machen."

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