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Die Störche in Hammelburg sind umgezogen


Autor: Markus Reeh

Hammelburg, Dienstag, 18. Juni 2013

Verwaist ist das Nest auf dem Mönchsturm. Das Paar hat sich auf dem Rathaus in Hammelburg ein neues Domizil gebaut. Der Nachwuchs entwickelt sich derweil in Regenstauf prächtig.
Auf einem Kamin des Rathausdaches haben sich die Störche ein neues Nest gebaut. Foto: Markus Reeh


Jochen Willecke weiß, was Meister Adebar und seine Gefährtin nicht wissen können. "Mit der Nachbrut, das wird nix mehr. Aber dass sie sich darum bemühen, ist ihnen halt angeboren", erklärt der Experte vom Bund Naturschutz (BN).

Eine erfolgreiche Befruchtung sei aus biologischen Gründen eigentlich nicht mehr möglich.

Und selbst wenn noch mal Küken schlüpften, wäre es Mitte bis Ende September zu spät, der Nachwuchs dann noch zu klein für den langen Flug in den Süden. "Eine zweite Brut hätte noch im April erfolgen müssen", macht Willecke deutlich.

Dass die Störche sich jetzt ein Nest auf dem Rathausdach gebaut haben, verwundert ihn nicht. "Schon im vergangenen Jahr sind sie immer mal wieder dort oben gewesen und haben Nistmaterial abgelegt", hat der Vogelfreund beobachtet. Doch das Domizil auf dem Kamin ist seiner Meinung nach nicht für ein Storchennest geeignet.

Zu klein sei die Fläche, meint Willecke und verweist darauf, dass die Nester normalerweise bis zu 1,50 Meter breit seien. Zudem befänden sich zwei Blitzableiter in der Nähe. Für ein tragfähiges Storchennest müsste zunächst eine Plattform als Unterbau errichtet werden. "Sonst wird das Nest beim ersten größeren Herbststurm weg geweht", ist sich Willecke sicher.


"70 Prozent haben nicht überlebt"


Im Übrigen sei er der Meinung, dass der männliche Storch bei seiner Rückkehr im nächsten Frühjahr das Nest auf dem Mönchsturm nicht ignorieren werde. "Ich bin weder Hellseher noch Wahrsager, aber ich glaube nicht, dass er gleich das Rathausdach ansteuern wird", meint der Hammelburger. An eine Traumatisierung der Tiere wegen des Verlustes ihrer Küken am Mönchsturm und der Einsätze der Feuerwehrdrehleiter glaubt Willecke nicht. "Als ihr Nachwuchs vor ein paar Jahren durch einen Schimmelpilz ums Leben gekommen ist, gab es eine vergleichbare Situation und da haben sie auch nicht das Nest gewechselt", betont der Experte.

Mit seinem Schicksal sei das Hammelburger Storchenpaar übrigens nicht allein. "Durch das nasse und kalte Wetter haben etwa 70 Prozent der Jungvögel nicht überlebt", weiß Willecke. So sei auch zu erklären, weshalb in jüngster Zeit vielerorts Störche beobachtet werden.


Verhalten ändert sich


Wenn sie keine Brut mehr zu betreuen hätten, änderten sie ihr Revierverhalten. Sie müssten sich dann nur noch um die Selbsterhaltung kümmern. Bei der Suche nach Futter streiften sie durch den gesamten Landkreis. "Und sie vergesellschaften sich dann auch", bestätigt Willecke entsprechende Beobachtungen von bis zu vier Vögeln in den Saalewiesen. Das Nest spiele nun eine untergeordnete Rolle. "Schlafen kann ein Storch auch auf einem Baum", unterstreicht der Fachmann.

Wer die Störche am Rathaus sehen möchte, hat meistens am Morgen Glück. "Während der heißen Stunden ziehen sie sich in die Saalewiese zurück, wo sie bei einem schönen Spazierung zu beobachten sind", berichtet Christian Fenn auf seiner Internetseite (www.storchencam.de), deren Kamera nun auf das Nest auf dem Rathaus gerichtet ist.

Christian Merz, ein ehemaliger Hammelburger, der jetzt in Regensburg lebt, hat am Sonntag die vom Mönchsturm geretteten Küken in der Vogelauffangstation in Regenstauf besucht. "Den drei Jungen geht es ausgesprochen gut. Alle sind fit, essen gut und wachsen stetig. Selbst der Nachzügler ist in Größe von den anderen Geschwistern fast nicht mehr zu unterscheiden", schreibt Merz im Gästebuch der Internetseite.
Die Jungen seien weitgehend sich selbst überlassen und hätten fast keinen Kontakt mehr zu Menschen. "Selbst zur Fütterung wird nur ganz kurz die Voliere betreten und die Nahrung von unten den Jungen in den Horst geworfen, sodass sie wenig Blickkontakt zu Menschen haben und nur ihre Artgenossen sehen können", schildert Merz. Um den versteckten Horst beobachten zu können, sei am Eingang der Voliere extra ein Spiegel angebracht worden.

Die Helfer der Station hätten anfangs noch gehofft, dass einer der großen Störche sich des Hammelburger Nachwuchses annimmt. Doch das sei nicht eingetreten. "Ziel ist es, die Jungen bis zur Abflugzeit Richtung Süden so groß und fit zu bekommen, dass sie ihren natürlichen Lebenszyklus von alleine fortsetzen können", weiß Merz.

Genug Nahrung in Wiesen

Die Voliere sei für erste Flugübungen groß genug, und in den angrenzenden Wiesen des Regentals gebe es genug Nahrung, wenn die jungen Störche freigelassen seien. Vorher sollten sie natürlich noch beringt werden. "Damit wir eventuell irgendwann erfahren, ob sie im nächsten Jahr Franken oder die Oberpfalz bevorzugen oder sich was ganz Neues suchen - denn eine regionale Prägung gibt es nicht", so Christian Merz.