Preisbremse mit Haken
Positiv bemerkbar gemacht hat sich das 9-Euro-Ticket auch im eigenen Geldbeutel. Denn: Das Ticket dämpfte die Inflation deutlich. Das belegt eine Studie, die im August veröffentlicht wurde. Um Planwirtschaft handelt es sich allerdings nicht. "Der öffentliche Nahverkehr wird überall mit Steuermitteln subventioniert, er gehört zur Daseinsvorsorge und Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse, für wirtschaftliche Entwicklung und für soziale Gerechtigkeit", betont Manuela Rottmann (MdB/Grüne). Ohne solche staatlichen Eingriffe läge die Inflation noch um zwei Prozentpunkte höher, wie die Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) der Deutschen Presseagentur mitteilten. Gegenüber der Agentur betonen die Forscher, dass Entlastungen wie das 9-Euro-Ticket für die niedrigere Inflation ausschlaggebend sind. Allerdings hätten die Entlastungen mehrere Haken: Der damit verbundene hohe Verwaltungsaufwand, möglicherweise entstandene Finanzlücken bei den Verkehrsbetrieben und die steigenden Energiepreise könnten dazu führen, dass mit dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets nicht nur die Ticketpreise wieder ansteigen, sondern auch die Inflation - so die Bedenken der Wissenschaftler. Um die Inflationseffekte zu dämpfen, seien gezielte Einmalzahlungen wie die Heizkostenpauschale der richtige Weg, teilte Studienautorin Melinda Fremerey der dpa mit.Mit Informationen von dpa
Die Bilanz der Politiker
Für Manuela Rottmann (Grüne/MdB) ist es eine klare Sache: Das 9-Euro-Ticket ist ein Erfolg. Selbst nutzte sie das Ticket nicht, durch ihre Tätigkeit als Abgeordnete hat sie, wie auch Sabine Dittmar (SPD) und Dorothee Bär (CSU) eine Netzkarte. Dennoch ist sich Rottmann sicher: "Über 30 Millionen verkaufte Tickets zeigen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger einfachere und preislich attraktivere Nahverkehrstickets wünschen." Dafür muss laut ihr die Politik aber noch mehr als eine Weiche stellen. "Die bayerische Staatsregierung muss deutlich mehr in ein dichteres und schnelleres Nahverkehrsangebot bei uns im Landkreis investieren, damit mehr Menschen überhaupt eine Alternative zur Autofahrt haben. Günstige Tickets - alltagstauglicher Fahrplan: Beides gehört zusammen." Ihre Partei fordert deshalb ein Landesticket und ein Bundesticket.
Sabine Dittmar (SPD/MdB) war es leider nicht möglich, auf die Anfrage der Redaktion zu reagieren. Ihr Büro in Berlin verwies auf die verkehrspolitische Sprecherin Dorothee Martin. Ihr schwebt ebenfalls ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket vor. Sie könne sich vorstellen, ab dem kommenden Jahr den Nachfolger einzuführen. Zu welchen Konditionen? Das ist noch unklar.
Dorothee Bär (CSU/MdB) hat - wie die anderen Abgeordneten - ebenfalls selbst kein 9-Euro-Ticket gelöst. Eindrücke gewann sie über ihre Familie. Sie meint: "Viele haben das Ticket sehr gerne genutzt, entsprechend ausgelastet waren die Züge. Es zeigt, welche Chancen der ÖPNV auch auf dem Land bietet."
Das sagen die Arbeitsgeber
Manche Firmen in der Region wissen um die Krux der Mobilität im ländlichen Raum. Darunter beispielsweise SKF in Schweinfurt. Seit vielen Jahren unterstützt das Unternehmen den Öffentlichen Personennahverkehr. Azubis bekommen alle ÖPNV Tickets komplett erstattet. "Diese Tickets werden erfahrungsgemäß sowohl für den Weg von und zur Ausbildungsstätte als auch privat genutzt", teilt Holger Laschka, Pressesprecher am Standort Schweinfurt, mit. Ob die Parkplätze bei den Werken durch das 9-Euro-Ticket leerer geworden sind, lasse sich nicht sagen.
Bei der VR-Bank Bad Kissingen entschied sich der Nachhaltigkeitsausschuss dazu, den Mitarbeitern das 9-Euro-Ticket zu sponsoren. "Nachhaltigkeit ist für uns ein großes Thema", sagt Vorstand Jürgen Klubertanz, "wir haben ein Nachhaltigkeitsteam und überlegen fortlaufend, wo wir ansetzen können." Die Mitarbeiter der Bank nutzten das Ticket sowohl privat als auch für den Arbeitsweg.
Anders als die VR-Bank hat die Sparkasse Bad Kissingen den Mitarbeitern das 9- Euro-Ticket nicht zur Verfügung gestellt. "Aufgrund der Ausgestaltung kann das 9-Euro-Ticket nur vorübergehend zur CO2-Einsparung beitragen. Zudem ist aufgrund eines teilweise nur gering ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes ein praktikabler Umstieg für unsere Mitarbeiter nicht durchgängig gewährleistet", teilt Frank Lohmüller, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Bank, mit. Die Bank setzt vermehrt auf das Homeoffice. "Das mobile Arbeiten ist in der Sparkasse aktuell bei rund der Hälfte der Arbeitsplätze möglich. Durch die Nutzung dieser Arbeitsplätze wird ein CO2-Ausstoß für die Fahrt zur Arbeit gänzlich vermieden."
Homeoffice hat auch Siemens in Bad Neustadt angesetzt. Dort kann an drei von fünf Tagen von zu Hause aus gearbeitet werden - sofern es das Jobprofil zulässt. "Für unsere Mitarbeitenden im Schichtbetrieb passen Nahverkehrsverbindungen zwischen Bahn und ÖPNV nicht so optimal", teilt Bernhard Lott, Pressesprecher am Standort Bad Neustadt, mit. Das 9-Euro-Ticket mache sich deshalb auch kaum auf den Parkplätzen bemerkbar. Dass die Flächen leerer sind, erklärt er sich durch die Homeoffice-Regelung des Unternehmens. Bei ZF in Schweinfurt gibt es ebenfalls kein 9 Euro-Ticket für die Mitarbeiter. Stattdessen gibt es für die Menschen im Unternehmen Fahrradleasing oder Fahrtkostenzuschüsse für den Nahverkehr in der Ausbildung, teilt die Unternehmenskommunikation mit.
Das sagen die Pendler
Das 9-Euro-Ticket war eine gute Idee. Ich finde, man sollte das Ticket einen Ticken teurer machen und weiterhin aufrecht erhalten", sagt Sebastian Stefan. Der Oberfranke ist als Pendler aus dem Bamberger Raum mit dem Zug nach Schweinfurt unterwegs. "Außerdem sollte die DB wieder klassische Erhebungen machen, um zu erfahren, wann viele Pendler unterwegs sind. Das sind nach meiner Wahrnehmung vor allem die Stoßzeiten am Nachmittag und am Mittag. Am Morgen sind weniger Leute unterwegs." Seine Erklärung: "Das hängt wohl mit den verschiedenen Arbeitszeiten zusammen. Aber würde man dann zu den Stoßzeiten zwei Waggons mehr anhängen, wäre alles gut."
Elisabeth Lauer aus Oberbach muss in die Bank nach Bad Brückenau: "Am Anfang war es ein komisches Gefühl, an der Bushaltestelle zu stehen", man müsse zunächst eine gewisse Komfortzone verlassen, doch jetzt habe sie viel Freude. Mittlerweile legt sie auch ihren Frisörtermin so, dass er zum Busfahrplan passt. Kritischer sieht Lena Wilm aus Oerlenbach das Ticket. "Es war zu viel los. Oft kam man gerade noch in den Zug und hatte dann nur einen Stehplatz." Sie nutzte das Ticket meist privat für Fahrten nach Schweinfurt oder Würzburg. "Ich glaube, es war gut zu sehen, ob es mit den Öffentlichen klappt. Aber ich finde es hat nicht hingehauen."
Ausbau ist wichtig
Bei der Deutschen Bahn ist man sich einig: Das 9-Euro-Ticket ist ein großer Erfolg. "Bisher (Stand Mitte August) wurden bundesweit rund 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft - über 19 Millionen davon allein über die Verkaufskanäle der DB." Bei einer Befragung der Kunden zeigte sich, dass jeder fünfte die Bahnen und Busse des ÖPNV zuvor nicht oder kaum genutzt hat, teilt eine Sprecherin der DB mit. Sie meint: "Auch an den Zielen des Bundes gemessen hat das 9-Euro-Ticket einen erfolgreichen Marktstart hingelegt und entlastet finanziell viele Pendler." Im Vergleich zur Zeit vor Corona sind seit dem Start des 9-Euro-Tickets durchschnittlich rund zehn Prozent mehr Fahrgäste mit den Zügen und Bussen von DB Regio unterwegs.
Beliebt waren und sind besonders die Verbindungen zwischen den Metropolen sowie in die touristischen Regionen. Zu Teilräumungen/Räumungen (0,1 Prozent aller Zugfahrten) und Einschränkungen bei der Fahrradmitnahme ist es nur vereinzelt gekommen, teilt das Unternehmen mit. Die DB hatte zum 1. Juni mit rund 50 zusätzlichen Zügen rund 250 zusätzliche Fahrten und damit den Ausbau des täglichen Angebots um weitere 60.000 Sitzplätze im Regionalverkehr ermöglicht.
Und die Zukunftspläne
29 Euro soll das Landesticket laut den Grünen kosten.
49 Euro soll das Bundesticket der Grünen kosten.josch