Die Menschen sind so dankbar
Autor: Stefan Geiger
Ebenhausen, Donnerstag, 02. Januar 2014
Sebastian Wetzel aus Ebenhausen hat nach dem verheerenden Orkan auf den Philippinen bei der medizinischen Versorgung der Menschen mitgeholfen. Die Bilder lassen ihn so schnell nicht los.
"Ich habe noch nie so zufriedene, dankbare und geduldige Menschen wie auf den Philippinen erlebt, obwohl dort am 8. November der Taifun wütete und gewaltige Schäden anrichtete." So fasst Sebastian Wetzel, der für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Deutschland in Fernost medizinische Hilfe leistete, zusammen. Am 23. Dezember kehrte er wohlbehalten zurück und konnte mit seiner Familie Weihnachten feiern.
Sebastian Wetzel ist seit vielen Jahren 1.
Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Ebenhausen. Vor zwölf Jahren schloss er sich dem Katastrophenschutz Deutschland an. Im Internet stieß er vor vier Jahren auf Hilfeleistungen im Ausland. "Die Dienste beeindruckten mich sehr und weckten Interesse selbst mitzumachen. Im Jahr darauf startete ich meine Ausbildung für Auslandsarbeit. Erste Station war vor einem Jahr im Nordirak, wo ich Flüchtlinge aus dem Irak medizinisch mitversorgte", erzählt er.
Lange Menschenschlange
In Deutschland zählt der ASB-Auslandsdienst etwa 60 Helfer. "Wir kennen uns durch Aus- und Weiterbildung untereinander recht gut und wissen, wer mit wem gerne zusammenarbeitet. So ergibt sich automatisch ein harmonisches Team", sagt Sebastian Wetzel.
Bereits wenige Tage nach der Katastrophe reiste ein ASB-Erkundungsteam auf die Philippinen, ehe auf der Insel Leyte in der Stadt Palo, fünf Kilometer südlich von Tacloban, ab 15. November der ASB eine Zeltambulanz einrichtete. "Im Camp leisteten wir vor allem Wundversorgung und Infekte der Atemwege und führten kleinere operative Eingriffe durch", beschrieb Wetzel seine Dienste im zehnköpfigen Team, das aus einem Einsatzleiter, einem technisch Verantwortlichen, einem Logistiker, einer Ärztin und sechs medizinischen Assistenten/innen besteht.
Die Crew war vom 4. bis 23. Dezember unterwegs. "Unsere Station befand sich neben der Kathedrale, die Sturm und eine sieben Meter hohe Flutwelle stark in Mitleidenschaft gezogen hatten. Das Dach war weggeschleudert worden.
Unser 1000 Quadratmeter großes Lager war eingezäunt. Vor dem Tor sammelte sich schon am frühen Morgen eine bis zu 30 Meter lange Schlange von Verletzten, um in Ruhe auf die Öffnung um 8 Uhr zu warten. Mit einheimischen Dolmetschern erfassten wir Personalien und Verletzungen, ehe in den Behandlungszelten die Versorgung lief. Das hat unseren Dienst sehr erleichtert", schildert er den Tagesablauf. Derweil kümmerte sich der technische Leiter mit weiteren Helfern um die Trinkwasseraufbereitung. Die Betroffenen waren für die Hilfe überausdankbar.
Kein Strom, kein Handynetz
Die Verletzungen haben sich die Menschen entweder beim Orkan oder später bei den Aufräumarbeiten zugezogen, wenn sie scharfkantige Bleche anfassen mussten oder in Nägel getreten sind. Auch kommen immer wieder Kinder mit Verbrennungen, weil bei offenem Feuer gekocht werden muss.
Die Stromversorgung war noch nicht wieder hergestellt. Internet und Handy funktionierten nicht. "Große Pausen hatten wir tagsüber nicht. Bis etwa 18 Uhr versuchten wir, alle Patienten in unserer Praxis, die wie bei uns in Deutschland ausgestattet war, zu behandeln. Im Anschluss kochten wir für uns und tauschten uns zu den Erkrankungen aus", rundete er den Alltag ab. Ab 19 Uhr herrschte in der bis zu 80 Prozent zerstörten Stadt Ausgangssperre.
Vergiftungen, Verbrennungen
"Wir erlebten ganz andere Krankheitsbilder als zu Hause", schildert Wetzel. "Vergiftungen rührten beispielsweise daher, dass Kinder aus Flaschen, in denen sich Benzin befand, tranken." Erschwerend hinzu kamen die hohen Temperaturen von über 40 Grad und die enorme Luftfeuchtigkeit.
Da das Camp zentral lag, lebte die Helfercrew mitten in der Katastrophe. "Die Einheimischen entwickelten von Tag zu Tag größeren Lebensmut", berichtet Sebastian Wetzel. Mit allen Kräften hätten sie den Wiederaufbau angepackt, obwohl vielerorts das Wasser noch hoch stand, und viele bei den nicht ungefährlichen Aufräumarbeiten nur Flip-Flops trugen. "Von Resignation war nichts zu spüren."
An den Wiederaufbau glauben alle, auch wenn einige Jahre vergehen werden, bis Systeme wie Schulen und Unis wieder funktionieren. Viele Menschen lebten von Landwirtschaft und vor allem Kokosnussbäumen. "Diese knickte der Orkan vielfach ab. Neue Bäume brauchen sieben Jahre, bis sie wieder Früchte tragen", erklärt Wetzel.
"Trotz aller Belastungen möchte ich den Einsatz nicht missen", resümiert Sebastin Wetzel. "In Plakaten und Briefen drückten die Bewohner ihren Dank wiederholt aus. Beim Abschied flossen Tränen. Jetzt heißt es, die vielen Erlebnisse und Eindrücke zu verarbeiten. Sie werden mich noch länger beschäftigen."
Lob zollte er Familie und seinem Arbeitgeber, der Firma Gulich`s Nachfolger in Eltingshausen, wo er als Groß- und Einzelhandelskaufmann arbeitet. Sie trugen den Auftrag mit. Und wenn wieder Not am Mann ist, werde er gerne wieder sein Können und seine Kraft für Menschen in Not einbringen.
Zusammenschluss Der Arbeiter-Samariter-Bund ASB ist Mitglied im Bündnis ADH, einem Zusammenschluss deutscher Hilfsorganisationen, die im Katastrophenfall ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam schnelle und effektive Hilfe zu leisten.
Finanzierung Die Mittel stammen aus Spenden von ADH, Mittel des Auswärtigen Amtes und Eigenmittel
Einsatzdauer Sobald lokale Behörden die medizinische Versorgung aus eigenen Kräften übernehmen können, endet der Dienst. Im Januar soll dies erreicht sein.
Qualifikation Die Mitarbeit ist freiwillig. Voraussetzungen für den Einsatz im Ausland sind Ausbildung in Krankenpflege und Rettungsdienst. Zur Vorbereitung gehören nicht nur fachspezifische Inhalte wie basismedizinische Versorgung und Trinkwasseraufbereitung, sondern auch Themen wie Sicherheit im Auslandseinsatz, Stressbewältigung, interkulturelle Kommunikation und Standards.