Die Hilfswelle rollt
Autor: Heike Beudert
Bad Kissingen, Montag, 07. März 2022
Die Bilder der Flüchtlinge aus der Ukraine sind in den Medien allgegenwärtig. Helfer aus der Region berichten, wie sie die Situation an der polnisch-ukrainischen Grenze erlebt haben.
Der Krieg in der Ukraine erschüttert und entsetzt die Menschen. Im Landkreis und in der Region entstehen überall Initiativen, die versuchen, den Menschen in der Ukraine zu helfen, soweit es in ihrer Macht steht. Reinhold Heppt und Joachim Spieß aus Münnerstadt waren am Wochenende mit Hilfsgütern nach Polen gefahren. Für beide waren es äußerst bewegende Momente, die sie erlebt haben. Ähnliches berichtet Christof Herbert aus Querbachshof (Landkreis Rhön-Grabfeld), der mit seinem Bekannten Martin Woywod privat Hilfsgüter bis ins ukrainische Lemberg gefahren hat. Er erzählt erschüttert vom unendlich langen Strom der Flüchtlinge, der auf dem Weg nach Lemberg an ihrem Auto vorbeizog. Und er berichtet von ständigen Kontrollen, von Panzersperren und Sandsäcken. Angst habe er jedoch nicht gehabt, meint Herbert.
"Ich bin emotional zerschossen", sagt Reinhold Heppt, noch im Bann der vergangenen Tage. Die flüchtenden Menschen an der Grenze zu sehen, das habe ihn heftig berührt. "Du bist plötzlich mittendrin", hat er da festgestellt. Das habe ihn sehr getroffen. Aufmerksam wurde Reinhold Heppt in der vergangenen Woche auf einen Hilfeaufruf aus Gollmuthhausen im Landkreis Rhön-Grabfeld. Spontan entschloss er sich zur Mithilfe wie viele andere auch.
50 Tonnen Material
50 Tonnen Hilfsgüter kamen binnen weniger Tage zusammen, wurden sortiert und auf Autos verteilt. Reinhold Heppt bildete mit Joachim Spieß eine von gut 20 Fahrgemeinschaften. Die Hilfsgüter wurden in ein Lager der Caritas Polska gebracht, das ungefähr 90 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt. Die eigentliche Dramatik des Krieges und des damit verbundenen Flüchtlingsstromes offenbarte sich beiden erst in Przemysl, dem Ort, in dem in einem Einkaufszentrum ein Verteilungszentrum für Flüchtlinge eingerichtet ist. Es war vor allem die Masse an Menschen, Flüchtende wie Helfende, die Joachim Spieß so betroffen gemacht hat. Die beiden Münnerstädter hatten beschlossen, Flüchtlinge in ihrem jetzt leeren Transporter nach Deutschland zu bringen. Über Vermittler wurde Kontakt zu zwei Frauen mit drei Kindern hergestellt.
"Wir mussten erst einmal etwas Vertrauen aufbauen", sagt Reinhold Heppt. Schließlich sollten zwei Frauen mit Kindern zu zwei älteren Männern ins Auto steigen. Ein Telefonat mit einem deutsch sprechenden Verwandten in Deutschland brachte den Frauen die Sicherheit, dass sie mit gutem Gewissen das Mitfahrangebot annehmen können. Auch Christof Herbert und sein Freund konnten drei Frauen, darunter eine Schwangere, über die Grenze und von dort aus nach Deutschland bringen.
Spieß und Heppt kamen am Sonntag zurück. Da die Frauen mit ihren Kindern keine Möglichkeit mehr hatten, zu ihren Verwandten nach Aachen zu gelangen, übernachteten sie in Brünn bei Joachim Spieß und seiner Frau Anita Dietz. Dieser Abend mit den Geretteten war für Joachim Spieß ein "gutes Erlebnis", wie er sagt. Es sei schön gewesen, wie die Kinder lachten, meint er. Von der Fahrt sagt Joachim Spieß: "Wir waren eine gute Truppe". Und die Arbeit unterwegs habe abgelenkt von den Gefühlen, die über alle hereinbrachen.Die Frauen und ihre Kinder sind am Montag weitergereist. Joachim Spieß und seine Frau haben sie zum Bahnhof nach Würzburg gebracht. Am Nachmittag erreichte sie der Anruf, dass sie gut angekommen sind.