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Die Hatz nach dem Parkplatz auf der A7 in der Rhön: "Das ist Russisch-Roulette"


Autor: Steffen Standke

LKR Bad Kissingen, Dienstag, 05. Oktober 2021

Jeden Abend unter der Woche ereignet sich auf den Tank- und Raststötten Rhön Ost und West das gleiche Schauspiel. Trucker berichten vom täglichen Wahnsinn mit Zeitdruck, gewagten Lenkmanövern und dem Verlangen nach Ruhe.
Täglich gegen Abend suchen Brummifahrer auch an der A7-Rastanlage Rhön West ein Plätzchen für die Nacht. Ein anstrengendes Unterfangen.  Foto: Steffen Standke


Fernfahrer Jewgenij (Name geändert) schimpft: "Es ist jedes Mal eine Katastrophe. Jeden Abend." Was den Kasachen, der seit 20 Jahren in Berlin lebt, so aufregt, ist die ewige Parkplatzsuche an deutschen Autobahnen, wenn nach durchfahrenem Tag das (vorgeschriebene) Dienstende naht. Ein Dauerproblem, vor allem unter der Woche, auch auf den Rastanlagen Rhön Ost und West der A7.

Es ist Montag, gegen 19 Uhr. Die Dämmerung bricht herein. Mit ihr streben immer mehr Brummi-Fahrer auf die beiden Rastanlagen. Langsam navigieren sie ihre tonnenschweren Gefährte durch die geschlossenen Reihen von Lkw; manchmal bleiben zwischen den Lastern nur wenige Zentimeter. Links und rechts gehen die Blicke nach einer Lücke - oft vergebens.

Jewgenij hat sein Plätzchen für die Nacht gefunden, am Fahrbahnrand, quer hinter den schräg auf den offiziellen Parkflächen abgestellten 40-Tonnern. Kein Premium-Standort, aber immerhin. Anderen ist nicht soviel Glück beschieden. Viele durchqueren erst den Parkplatz, zwängen sich dann rückwärts irgendwo an den Rand.

"Ab 18 Uhr wird es auch hier schwierig, was zu finden", weiß der Kasache. Er hat bei Kassel in Nordhessen geladen, bringt seine Fracht ins oberfränkische Eggolsheim (Landkreis Forchheim). Keine weite Strecke. Doch da es nicht Jewgenijs erste Tour des Tages ist, hat er die maximale Lenkzeit erreicht.

Neun Stunden dürfen Brummifahrer pro Tag am Steuer sitzen. Am Stück dürfen sie höchstens viereinhalb Stunden fahren; dann müssen sie eine Dreiviertelstunde Pause einlegen. Danach darf's viereinhalb Stunden weitergehen. Worauf wieder 45 Minuten Ruhe folgen (Die Pausen lassen sich auch in 15- und 30-minütige Abschnitte aufteilen, zum Beispiel: zwei Stunden Fahrt, 15 Minuten Pause, 2,5 Stunden Fahrt, halbe Stunde Pause).

An zwei Tagen in der Woche darf die Fahrzeit eine Stündchen länger sein. Diese 60 Minuten können nach der zweiten 45-Minuten-Pause absolviert werden. Innerhalb eines 24-Stunden-Rhythmus muss eine mindestens elfstündige Ruhe eingehalten werden (unter Umständen Verkürzung auf neun Stunden möglich). Die wöchentliche Lenkzeit darf eine Stundenzahl von 56 Stunden nicht überschreiten. In zwei aufeinander folgenden Wochen liegt das Höchstmaß bei 90 Stunden. Es sind 45 Stunden zusammenhängende Wochenruhezeit einzuplanen.

Diese gesetzlichen Regelungen bringen Sicherheit. Weil weniger überarbeitete Fahrer die Straßen unsicher machen. Die Ruhezeiten schaffen aber auch eine starke Parkplatz-Nachfrage.

Kai Uwe Reimer tut sich den Stress - wenn möglich - nicht an. An diesem Montag hat sich der 62-Jährige aus Schleswig südlich von Flensburg seinen Platz schon gegen 16 Uhr gesucht. Da waren noch einige Parkflächen frei. "Eine Stunde später wird es aber eng", sagt er aus Erfahrung. Noch schlimmer sei es Richtung Frankfurt oder Hamburg. Da sei an Autobahnen ab 4 Uhr nachmittags alles dicht.

Der Mann aus Schleswig-Holstein arbeitet für eine deutsch-dänische Spedition. "Rhön West" hat er auf seiner Tour in die Nähe von Nürnberg angesteuert, "weil danach kein vernünftiger Parkplatz mehr kommt". Am nächsten Tag will er um 6.30 Uhr weiterfahren.

Reimer kann entspannt agieren, weil seine Spedition ihn seine Fahrten selbst planen lässt. Abfahrts- und Zielorte sind zwar vorgegeben. "Aber welche Route ich fahre und wann ich Pause mache, bestimme ich selber. Wer planen und rechnen kann, ist klar im Vorteil."

Diese Möglichkeit hätten aber viele - meist osteuropäische Kollegen - nicht, sagt der 62-Jährige. Diese würden zu weit schlechteren finanziellen Bedingungen fahren. Und sie wären doppelt so viel unterwegs. "Deutsche Fahrer sind Freitagnachmittag oder Samstagfrüh zu Hause, die anderen nicht", sagt Reimers. Insofern sei er ein schlechtes Fernfahrer-Beispiel.

Der Fernfahrer bevorzugte für Pausen und Übernachtungen Raststätten an der Autobahn. Weniger, weil man dort zur Toilette gehen, duschen und etwas essen kann. Man schläft dort ruhiger. "Je weiter weg von der Straße umso besser", sagt der Mann, der seit 18 Jahren Lkw fährt. Deswegen meide er kleine Parkplätze direkt an der Fahrbahn. Lärmschutz? Gibt es da nicht. Manchmal, wenn der Feierabend wegen einer Vollsperrung spät fällt und er keinen Parkplatz an der Strecke findet, fährt Reimer zu einem Autohof. Doch das koste pro Nacht zehn Euro. Das müsse ja nicht sein.

Corona-Krise verschärft Parkplatznot

Silvio Hiller hingegen nutzt gern den Autohof. Dort seien die sanitären Anlagen sauberer als an den Raststätten; das Duschen koste weniger.

Der 55-Jährige lenkt seit mehr als drei Jahrzehnten Lkw, fährt für die Rupbodener Spedition Kenner in Deutschland und den Nachbarländern. "Das Parkplatzproblem hierzulande wird immer schlimmer", sagt er. Die Corona-Pandemie habe es gar verstärkt. "Während der Krise war viel weniger Verkehr. Jetzt boomt der Online-Handel", sagt er. Während der Lockdowns habe man sich als Fernfahrer "wie ein Außerirdischer" gefühlt. Nichts habe offen gehabt: keine Toiletten, keine Duschen, keine Restaurants.

Die Rastanlage Rhön Ost und West sieht der Bad Brückenauer parktechnisch noch als "günstiger" an. Dort wurden die Stellflächen vor wenigen Jahren erweitert. In "Uttrichshausen" und "Riedener Wald" (auch A7) sei es viel enger und problematischer. Auch die A3 Richtung Frankfurt sei "eine Katastrophe". Und zwischen Stuttgart und Heilbronn sei schon um 15 Uhr kein Parkplatz mehr zu bekommen.

Da ist der 55-Jährige - wie Reimer - froh, nach Absprache auch auf Parkplätzen der Speditions-Kunden nächtigen zu dürfen. Industriegebiete seien hingegen immer öfter abgesperrt. Eines würde Hiller nie tun: sich in die Zufahrt einer Autobahn-Raststätte zu stellen. "Das ist Russisch-Roulette. Wenn einer da reinkracht, landest du im Knast."

Die Polizei achtet streng darauf, dass Ein- und Ausfahrten sowie Stand- und Seitenstreifen an Rastanlagen freibleiben. Das bestätigt Bernhard Meyer, Vize-Leiter der Verkehrspolizeiinspektion Werneck. Ansonsten gehe man mit Augenmaß vor. "Solange neu ankommende Lkw durchkommen, sind wir etwas kulanter." Das Thema fehlende Parkplätze werde nie vom Tisch sein.

Die Stellflächen an Autobahnen gehören ausgebaut. Da sind sich die Beteiligten einig. Allein: das dauert und kostet langen Verhandlungsatem und viel Geld.