Die Freude am Umgang mit Tieren
Autor: Beatrix Lieb
Modlos, Sonntag, 28. April 2013
Karl Schneider hat sich mit seiner Berufswahl einen Traum erfüllt und ist offen für Neues. Wenn's nötig ist, geht er sogar mit der auserwählten Elli "Gassi".
Karl Schneider aus Wollbach strahlt diese innere Zufriedenheit aus, nach der sich heute so viele sehnen. Er hat viele Fans, alle weiblich und mit wohlklingenden Namen. Sie stehen in seinem Stall: Milchkühe. Ihm liegt die Landwirtschaft am Herzen. "Als Andreas Herleth zu mir kam und mich gefragt hat, ob ich bei der Kreistierschau mitmache, habe ich Ja gesagt", obwohl er sehr unter Zeitdruck stand - und obwohl diese Zusage mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden war.
Schneiders Kühe leben in einem "Laufstall", können sich also innerhalb des Stalles frei bewegen, sind nicht an einer Kette oder Leine festgemacht. Und im Sommer genießen sie ihr Leben auf der Weide. "Der Schneider-Hof war in den 1980er Jahren einer der ersten dieser Art", weiß Roland Wehner. Und der muss es wissen. Er ist Fütterungstechniker beim Landeskuratorium für tierische Veredelung in Bayern e.V., kurz Lkv Bayern. Und er kennt viele, sehr viele Ställe im Landkreis. Ebenso wie An-dreas Herleth vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt (Aelf).
Voller Körpereinsatz
Die Landwirtschaft liegt den beiden jungen Männern am Herzen: "Die Idee mit der Kreistierschau hatte ich seit langem. Sinn war, der Bevölkerung den Beruf des Landwirtes wieder näherzubringen", und das sei gelungen, ist Herleth stolz auf die weit über 1000 Besucher.
Das war im vergangenen Sommer in Bad Königshofen. "Landkreisübergreifend", sagt er, "muss man bei solchen aufwändigen, kostenintensiven Veranstaltungen denken." Bei Schneider traf er auf offene Kuhstalltüren, im wahrsten Sinne des Wortes. "Drei Wochen lang sind wir mit den Kühen Gassi gegangen", denkt er schmunzelnd an diese Zeit zurück. Von wegen "Gassi": da war voller Körpereinsatz gefragt, denn die Kühe waren das Laufen an der Leine nicht gewohnt - und wehrten sich heftig. Zum Glück half ihm sein Sohn Sebastian, mit dem zusammen er den Hof in Wollbach bewirtschaftet: "Da braucht man starke Männer."
Und sie haben es geschafft. Elli - so hieß die Auserwählte - ließ sich "zähmen". Jetzt hängt ihr Foto im Kuhstall, nebst Urkunde und einer "goldenen" Kuhglocke, die an dieses Ereignis erinnert. Elli war die Beste, die Schönste, die Brävste in ihrer Kategorie. Topmodel, sozusagen. Und wie zähmt man eine Kuh? "Das muss einem liegen", sagt Schneider einfach. Er habe Elektriker gelernt, aber schon bald gemerkt, dass ihm das keinen Spaß machte. Sein Traumberuf war Landwirt. Dafür haben er und seine Frau Monika viel auf sich genommen. Sie sind glücklich, so wie jetzt alles ist: "Wir sind immer zusammen."
Lieber Landwirt
Sie genießen die gemeinsamen Mahlzeiten, oft sitzen die Kinder und Enkelkinder am Tisch dabei. "Diese Werte gehen in der Gesellschaft verloren", sagt der Großfamilien-Fan. Man müsse neu lernen, das zu schätzen, ergänzt Roland Wehner. Andreas Herleth kann ihm da nur beipflichten. Er gibt demnächst seine Tätigkeit beim Aelf auf, um 100-Prozent-Landwirt zu sein. "Du bist dein eigener Herr", wissen alle um die Vorteile eines Landwirtes - und schieben die Vorurteile auf Seite: "Wer gut organisiert ist, kann abends um 18 Uhr Feierabend machen."
Die Landwirtschaft hat sich gewandelt. Wer heute einen Hof hat, hat ihn aus Überzeugung. Weil er in Einklang mit der Natur leben möchte, weil er Tiere mit dem selben Respekt behandelt wie Menschen, weil Beruf und Familie gut zu vereinbaren sind, weil die Kinder unbeschwert aufwachsen können, weil der Beruf vielseitig, abwechslungsreich, anspruchsvoll und spannend ist.
Im Moment laufe es gut für die Landwirtschaft, wissen die Fachmänner zu berichten, die große Trockenheit in Amerika steigere auch die Nachfrage in Deutschland. "Trotzdem ist der Preis nach wie vor das Problem", weiß Mario Hümpfer aus Großenbrach. "Wir sind an einem Punkt, wo ,Öko'nicht mehr so wachsen kann wie früher." Er ist "Öko-Spezialist", hat selbst einen ökologisch geführten Betrieb und einen Beraterjob beim Ökoverband Naturland. "Da bin ich flexibel", kann er seine Landwirtschaft gut mit seinem Job vereinbaren. Auch er stellt die gesellschaftlichen Werte seines Berufes in den Mittelpunkt. Deshalb war ihm kein Weg zu weit, kein Aufwand zu groß, um zusammen mit Herleth die Kreistierschau vorzubereiten.
Interesse wecken für den Berufsstand, das ist den jungen Männern wichtig. Weg von Klischees à la "Bauer sucht Frau". "Familienbetrieb heißt ja nicht, dass alle im Stall mithelfen müssen", erläutert Herleth. "Es heißt vielmehr, dass die Familie zusammenhält." Man müsse mit sich selbst, mit seinem Tun, seinem Leben zufrieden sein, dürfe die Verbindung zum Herrgott nicht verlieren, stellt Schneider klar. Seine Frau Monika nickt ganz selbstverständlich. Sie sieht das genauso, genießt die Unterhaltung, während sie schon das Mittagessen vorbereitet, alles in der großen, gemütlichen, modernen Küche. Und am Ende sagt Karl Schneider:"Ich bin der glücklichste Mensch, wenn ich jeden Tag auf meinem Hof sein kann." Und irgendwie überträgt sich das. Sogar auf seine Kühe.
Heuballen-Slalom mit Kühen und Rindern
Andere Landkreise machen das regelmäßig, in der hiesigen Region hatte es schon sehr lange keine Kreistierschau mehr gegeben. Sinn und Zweck ist, dass bei der Bevölkerung das Interesse an der Arbeit der Landwirte geweckt wird. "Wir können nichts dazu, dass es Gammelfleisch gibt", sagt Andreas Herleth aus Burgwallbach (Landkreis Rhön-Grabfeld), "wir können nur den Menschen zeigen, wie wir es machen."
Möglichkeiten, einen Hof zu führen, gibt es viele, beispielsweise die Milchwirtschaft. Hier steht die Aufzucht von weiblichen Rindern im Vordergrund, Haupteinnahmequelle hierbei ist die Milcherzeugung. Die männlichen Kälber werden verkauft, die weiblichen zur Nachzucht behalten. Oder man geht den Weg der Bullenzucht. Hierbei steht die Vermarktung von männlichen Tieren im Vordergrund: um sie als Zuchtbullen zu verkaufen oder der Fleischerzeugung zuzuführen.
Bei der Kreistierschau wollten die Verantwortlichen zeigen, dass man den Tieren auch mehr zutrauen kann, dass man sie etwas lehren kann. Einen geraden Gang an der Leine beispielsweise. Rund 40 Jungzüchter zeigten im vergangenen Sommer in Bad Königshofen, wie viel Freude und Begeisterung der Umgang mit Tieren machen kann. 50 Kühe wurden vorgeführt. Verantwortlich war der Rinderzuchtverband Franken.
Junges Tier - junger Mensch, älteres Tier - älterer Mensch, auf diesen einfachen Nenner kann man es bringen. Die noch jungen Tiere werden von Kindern - das jüngste war vier Jahre alt - an der Leine geführt. Sie laufen "Slalom" durch Heuballen. Ältere Tiere werden von den Junglandwirten (Altersgrenze 30 Jahre) geführt. Die Anforderungen sind da schon höher. Die Tiere müssen mit geradem Rücken laufen, sie müssen die Beine so stellen, dass das Euter für die Jury gut sichtbar ist. Da heißt es üben, üben, üben.
Drei Kategorien
Und weil Roland Wehner aus Oberleichtersbach über 30 Jahre alt ist, gilt er nicht mehr als Junglandwirt. Deshalb trat er an den Jungzüchter Michael Amtmann aus Windheim bei Wartmannsroth heran. Der war gerne bereit, Wehners Kuh zu führen, genauso wie die junge Ronja Müller, die wie Wehner in Modlos wohnt. Die Kreistierzuchtschau bietet also auch jungen Menschen die Möglichkeit, sich mit den Kühen und Rindern vertraut zu machen.
Andreas Herleth ist mit seiner Idee auf dem richtigen Weg: Nur wer sich mit Verstand und Verständnis den Nutztieren nähert, sich mit ihnen beschäftigt, kann diesen durchaus lernbereiten Tieren den entsprechenden Respekt entgegenbringen.
Die Tiere werden in drei Kategorien eingeteilt: ein Kalb, zwei Kalb, drei oder mehr Kalb. Auch werden sie nach Rassen getrennt: Fleckvieh, Schwarzbunte, Gelbvieh. "Elli" von Karl Schneider aus Wollbach (siehe Artikel oben) war beispielsweise Siegerin in der Kategorie drei oder mehr Kalb, Fleckvieh.
Die Preise sind nicht mit Geld dotiert. Es geht vielmehr um "die Ehre". Herleth: "Karl Schneider ist heute noch stolz auf diese Auszeichnung." Enttäuscht ist Schneider, "dass so wenige Landwirte aus unserem Landkreis sich an der Schau beteiligt haben". Viele hätten sich vor dem Training mit den Tieren - gedrückt: "Wir können nicht nur mit Worten unseren Berufsstand interessant machen, wir brauchen Taten."