Die Angst vor Wolfsrudeln in der Rhön
Autor: Steffen Standke
LKR Bad Kissingen, Mittwoch, 12. Januar 2022
Noch macht sich der Wolf in der Rhön eher rar. Doch besonders Nutztierhalter und Jäger fürchten, dass er sich stetig ansiedelt und ausbreitet. Welche Gefahren drohen und wie Experten sie einschätzen.
Eine sesshafte Wölfin in der Rhön. Dazu ein paar schwer nachzuweisende Durchwanderer. Das ist nichts, was Enno Piening Schweißperlen auf die Stirn treibt. Sorgen würde sich der Bad Kissinger Anwalt, der als unterfränkischer Vorsitzender des Jagdverbandes Bayern fungiert, erst, wenn sich zum Weibchen (Fähe) ein Rüde gesellen sollte. Und ein Rudel entsteht. Dann hätte das aus jagdlicher Sicht schwer zu kontrollierende Folgen. Ähnliche Sorgen treiben viele Nutztierhalter um.
"Wenn der Wolf sich festsetzt, verändert das das Verhalten des Wildes. Das erschwert die Bejagung dramatisch", ist Piening überzeugt. Sollte sich ein Wolfsrudel bilden, verenge das die Lebensräume. Das Rotwild, also Hirsch und Hirschkuh, ziehe sich dann mehr in den Wald zurück, sammle sich in größeren Verbänden, um dem großen Beutegreifer zu entgehen. Das zeigten Erkenntnisse aus Brandenburg, wo das Leben mit dem Wolf nicht mehr lustig sei.
Enno Piening kritisiert auch, dass das geschützte Tier sich überall ausbreiten dürfe, anders als das Rotwild, das nur in bestimmten Gebieten geduldet sei. Außerhalb derer muss es erlegt werden. Die Rhön sei eine vom Menschen geprägte Kulturlandschaft. Ziegen und Schafe werden eingesetzt, um die Kuppen vor Verbuschung oder gar Bewaldung zu bewahren. Solche Nutztiere seien leichte Wolfsbeute. Piening kennt selbst einen Wanderschäfer, der Angst vor weiterer Zuwanderung hat.
Fakt ist: Die Rhön stellt (noch) kein ausgesprochenes Wolfsland dar. Den ersten fotografischen Nachweis registrierte das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg laut seiner Monitoring-Übersicht erst am 22. Juni 2018. Ein zweiter folgte Mitte Juli desselben Jahres.
Der erste genetische Nachweis eines weiblichen Wolfes, einer sogenannten Fähe, gelang eine Woche später, am 23. Juli 2018, im westlichen Landkreis Rhön-Grabfeld. Das Tier, das von einem Elternrudel in Storkow/Brandenburg abstammt, erhielt die Bezeichnung GW1069f.
Da GW1069f am 19. März 2019 an einem Wildtierriss in der Rhön erneut genetisch erfasst wurde, stuften es die Wildtierexperten als standorttreu ein. Am 28. Februar 2020 gelang der letzte Gen-Beleg des Weibchens; seitdem fehlt von ihm jede Spur. So verlor die Wölfin nach Ende des Monitoringjahres 2020/21 am 30. April 2021 den Status der Standorttreue. Ob das Tier verendet oder weitergezogen ist, bleibt einem Sprecher des LfU zufolge unklar. Für Nachwuchs fehlen Belege.
Dafür tauchte am 30. Oktober 2021 eine andere Fähe in der nördlichen Bayrischen Rhön auf. GW1422f wurde genetisch nachgewiesen an Nutztierrissen. In Hessen war sie seit 2019, in Thüringen seit 2020 bekannt. Zu diesen eindeutigen Nachweisen kommen in jüngster Zeit immer wieder Sichtungen durchziehender Einzeltiere und mysteriöse Risse an Wald-und Nutztieren, bei denen sich der Wolf als Täter aber kaum faktenfest belegen lässt.