Diamant aus Malta bei der "Mailänder Opernsoiree"
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Donnerstag, 27. Juni 2013
Joseph Calleja und Alex Penda bei der "Mailänder Opernsoiree"
Es war wohl auch ein bisschen Wiedergutmachung für den Geburtstagsopernabend für die beiden 200-Jährigen Verdi und Wagner. Aber die "Mailänder Opernsoiree" war vor allem die Begegnung mit einem der aufgehenden Sterne am Tenorhimmel: mit dem Malteser Joseph Calleja, der gerade eine kometenhafte Karriere in Europa und den USA hinlegt - wobei der Ausdruck natürlich falsch ist. Denn Kometen nimmt man erst wahr, wenn sie auf die Erde hinunterstürzen und verglühen.
Aber bei ihm geht's steil bergauf.
Hochglanz mit Anlauf
Im Großen Saal allerdings mit ein bisschen Anlauf. Denn er tat etwas, was eigentlich unverständlich ist. Es ist rätselhaft, woher der Glaube kommt, dass eione Operngala mit Mozart beginnen muss, oder sogar, dass man sich mit Mozart einsingen kann. Es gibt in der Vokalmusik vor dem 20. Jahrhundert kaum etwas schwereres als die Arien des Wiener Meisters, weil sie nicht so in die Stimmen hineinkomponiert sind, wie die Sängerinnen und Sänger das gerne hätten.
Nicht dass Calleja mit "Il mio tesoro" aus dem "Don Giovanni" größere Probleme gehabt hätte, aber er sang sehr vorsichtig, abtastend, weil durchaus euinige Stolperintervalle in der Partie eingebaut sind. Und Calleja ist auch nicht die Idealbesetzung für den Don Ottavio. Dazu ist seine Stimme nicht geradlinig, nicht leichtgewichtig, nicht naiv genug. Und man würde es ihm schon von seiner Statur her nicht abnehmen, dass er sich so von Donna Anna für ihre Rachepläne instrumentalisieren lassen würde, wie sie sich das vorstellt.
Zu Beginn das Schwerste
Aber mit dem Mozart-Einstieg hatte auch die Sopranistin Alex Penda ihre Probleme, für die es ausgerechnet die aberwitzig schwierige Arie der Vitella "Non più di fiori" aus "La clemenza di Tito" sein musste. Dass die Stimme fast bis in die mittleren Tenorlagen hinuntersteigen musste, kam ihr eigentlich entgegen - eines Morgens wird Alex Penda sicher als Mezzosopranistin aufwachen. Aber die Intervalle sind ungemein kompliziert - und so etwas als Eisbrecher singen zu müssen erfordert Drahtseilnerven. Schade, dass solche Leistungen nie die Bravos bekommen, die den mühelosen italienischen Schmachtfetzen so selbstverständlich zufliegen.
Dann wurde es italienisch
Naja, dann wurde es tatsächlich italienisch, als sei alles vorher nur ein Irrtum gewesen. Und da zeigte sich dann unverstellt, was für ein Diamant dieser Joseph Calleja ist. Er erinnert positiv und bedenklich an Rolando Villazón vor ein paar Jahren: positiv, weil er denselben idealen Stimmsitz etwas weiter hinten in der Goldkehle hat, was der Stimme Stabilität und in sich ruhenden Charakter gibt. Bedenklich, weil er, wie Villazón vor seiner erzwungenen Auszeit, fast ohne Stütze singt. Das macht die Stimme natürlich wunderbar manövrierfähig und elegant. Aber pünktlich zum Ende des Konzerts war sie so abgespannt, dass er keine Silbe mehr hätte singen dürfen. Hoffentlich ist er da vorsichtiger als sein Kollege aus Mexiko.
Positiv aber auch noch, weil er ein ebenso präziser Intonator ist, der keine Stimmbildnertricks nötig hat - und weil er so klar artikuliert, dass man die Texte auch versteht. Was manchmal auch nach hinten los ging, wenn er hörbar kleine Texthänger übernuschelte. Auf die Speisekarte der Trattoria Mezzaluna musste er allerdings nie ausweichen.
Was er mit Alex Penda gemeinsam hatte, war das star spielende Singen, die ausdrucksvolle, stark differenzierende Gestik und Mimik, die den Gesang unterstützten, mit der sie starke Gemütsschwankungen gestalteten: Joseph Calleja als Nemorino in seinem Verhältnis zu Adina oder als Ricardo in "Un ballo in maschera", der eine Freundschaft aufs Spiel setzen muss. Alex Penda als Violetta, die sich - zunächst gedanklich - in abgrundtiefer Trauer von Alfredo verabschiedet, oder als Gräfin Eboli, die plötzlich einen hysterischen Anfall bekommt.
Spielerisch starke Duette
Diese starke psychologisierend spielerische Komponente wurde natürlich in den Duetten verstärkt, die beide auskosteten: Das Aufeinandertreffen von Adina und Nemorino ist immer eine Steilvorlage. Einziger kleiner Schatten: Alex Pendas dunkel timbrierter Sopran hatte es naturgemäß nicht immer einfach, sich gegen Joseph Callejas strahlenden Tenor zu behaupten.
Ein schöner Einfall war der Abschluss des Konzerts: die vier wichtigsten Arien bzw. Duett aus Puccinis "Tosca zu kombinieren. So bekam man einen guten Eindruck von der Oper und die beiden Solisten hatten die Gelegenheit, dramatische Verläufe zu entwickeln. Sie taten das mit einer solchen Intensität, dass man sich wünschte, beide einmal in der ungekürzten Oper zu erleben.
Ein weiterer Garant für diesen spannenden Abend war das Orchestra dell'Accademia del Teatro alla Scala. Massimiliano Murrali am Pult verstand es deutlich besser als im Vorjahr Daniele Rustioni, die überwiegend jungen Leute zu einem kongenialen Partner (1. Klarinette!) mit Eigengewicht zu machen. Wann bekommt schon einmal bnei einer Operngala das Orchester für eine instrumentale Einlage so vuiele Bravos wie die Mailänder?! Als Zugabe gab's das Duett Violetta - Alfredo aus "La traviata", "Ch'io ti perdoni".