Der Lohn kam früher in den Zylinder
Autor: Stefan Geiger
Oerlenbach, Sonntag, 26. Juni 2016
Die Achtklässler der Mittelschule absolvieren seit Februar in den verschiedensten Betrieben Praktika.
Die möglichst richtige Berufswahl treffen - dazu geben Schule und Betriebe wichtige Hilfestellungen. So läuft seit Februar für die 20 Achtklässler der Mittelschule Oerlenbach ein Praktikum, um zu testen, wo vielleicht der künftige berufliche Schwerpunkt liegen wird. Seit Jahren hat sich diese Maßnahme bewährt und wird von den Schülerinnen und Schülern gerne als Abwechslung zu Deutsch, Mathe und den weiteren Fächern des Schulalltags angenommen.
"Die Mädchen und Jungen haben alle ihren Testplatz selbständig gesucht, Bewerbungen geschrieben, sich vorgestellt und den Ablauf mit den Betrieben vorbesprochen. Im Februar lief zunächst ein einwöchiges Praktikum, um Einblicke in Beruf und Arbeit zu gewinnen. Diese vertieften sich in der Folgezeit bei einem weiteren beruflichen Test jede Woche", zog Klassleiterin Gundula Reuter eine Zwischenbilanz bei der Präsentation der Praktikumsberichte in der Aula der Schule. Dazu hatte jeder Teilnehmer seine Erkenntnisse als berufliche Lernaufgabe BLA in Wort und Bild sowie mit Arbeitsmitteln aus dem jeweiligen Beruf zusammengestellt.
In Vorbereitung und Abwicklung begleiteten neben der Klasslehrkraft noch die Sozialpädagoginnen Christina D'Andria in der Startphase und im weiteren Verlauf Iwona Weimann vom Berufsorientierungsnetzwerk Bonn die Jugendlichen, um die betrieblichen Erfahrungen zu fördern. "Dass nicht jeder gleich einen Traumplatz fand, ist selbstverständlich und wichtige Erfahrung in der Berufsfindung", merkte Frau Reuter beim Zwischenfazit im Beisein von Schulleiterin Sonja Then, vieler Eltern und einiger Betriebsinhaber an. Vier Mädchen wählten den Beruf Kinderpflegerin mit Praktika in Kindergärten, je zwei Jungs als Kfz-Mechatroniker bzw. Land- und Baumaschinenmechatroniker.
Noch Zeit für die Entscheidung
Am Praktikum nahmen auch die fünf Jugendlichen aus Asylbewerberfamilien teil, konnten aber wegen noch fehlender sprachlicher Kenntnisse keine Berichte vorstellen. Eingehend erläuterte Tom Matuschka seine Einblicke als Schornsteinfeger: "Ich arbeite im Betrieb meines Onkels, der einen Kehrbezirk im Landkreis Schweinfurt leitet, mit. Es macht mir großen Spaß, wenn wir Kamin und Heizungsanlagen reinigen und Abgase messen oder die Trockenheit von Brennholz bestimmen. Zum Kehren braucht man spezielle Handschuhe sowie Leine und Stoß, zum Öffnen der Kamintüre einen besonderen Schlüssel und zur Abgasbestimmung spezielle Messgeräte. Da gibt es keine Langeweile. Wichtig sind gute Leistungen in Mathematik, Physik/ Chemie sowie Werken/ Technik. In Unterfranken werden je Jahr 16 Lehrlinge genommen. Ich habe aber noch Zeit, um mich zu entscheiden." Auf die Frage zum Zylinder ergänzte er, dass dieser einst beim Betreten eines Hauses auf eine Treppe gestellt wurde: "In ihn legten die Bewohner den Lohn, meist Eier, für den Schornsteinfeger."
Es gibt keine Langeweile
Chiara Schnaus praktiziert bei Foto Post als Fotomedienfachfrau in Schweinfurt.
Sie ist total begeistert: "Ich fotografiere selbst gerne und kenne mich mit Kameras ganz gut aus. Ich kann mich kreativ entfalten und tausche mich mit Menschen gerne aus. Die Arbeit selbst ist sehr vielfältig von Passfotos über Familien- und Urlaubsaufnahmen bis hin zu Fotobüchern." Selbst hat sie ein Büchlein mit ihren beiden Hunden gefertigt und erläuterte diese Arbeit, die guten Umgang mit PC voraussetzt.
Emely-Christin Dienelt schnuppert bei AWG in Bad Kissingen-Garitz als Kauffrau im Einzelhandel. "Ich helfe bei Auspacken, Sichern und Einordnen in Regalen bzw. auf Kleiderstangen mit. Ich wurde prima aufgenommen. Es gibt keine Langeweile, vor allem, wenn ab Mittag immer mehr Kunden kommen", schilderte sie. Bastian Herterich zog es nach Euerdorf zur Firma Freddy Neumann: "Als Land- und Baumaschinenmechatroniker warten immer neue Aufgaben, die vor allem technisches Wissen und Können erfordern. Mathematik und Physik sind besonders wichtig. Vielleicht füge ich als Nächstes ein Kfz-Praktikum an", blickte er voraus.
Noch bis Ende des Schuljahres praktizieren die Achtklässler einmal je Woche in ihrem Betrieb, ehe sie ab Herbst eine zweite Testphase starten, um in 2017 möglichst zu wissen, wohin der berufliche Weg führt.