Der Herr der Register

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Burkhard Ascherl auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz. Foto: Thomas Ahnert
Burkhard Ascherl auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz. Foto: Thomas Ahnert

Vor 25 Jahren gab Stadtkantor Burkhard Ascherl sein Antrittskonzert an der neuen Schuke-Orgel der Herz-Jesu-Kirche.

Tatsächlich ist es ein Zufall, dass die Herz-Jesu-Gemeinde Bad Kissingen Ende September und Anfang Oktober ein Doppeljubiläum feiern kann: 25 Jahre Stadt- und Dekanatskantor Burkhard Ascherl und 25 Jahre Schuke-Orgel in der Stadtpfarrkirche. An so ein Zusammentreffen hatte vor einem Vierteljahrhundert niemand ernsthaft gedacht, auch wenn es im Nachhinein durchaus ein bisschen plausibel ist.

Denn Burkhard Ascherl wusste, als er sich damals auf die Stelle in Bad Kissingen bewarb, wo er hinkommen würde, wenn er als Nachfolger von Werner Bukowski die Stelle bekommen würde. Er wurde 1961 in Würzburg geboren, wuchs in Nüdlingen auf und legte in Münnerstadt sein Abitur ab. Von 1981 bis 1985 studierte er Katholische Kirchenmusik und Orgel bei Günther Kaunzinger in Würzburg. Nach dem Staatexamen legte er 1989 auch das Meisterklassendiplom ab. Seine erste Kantorenstelle bekam er unmittelbar nach dem Staatsexamen in Lohr. Aber nach drei Jahren folgte er dem Rat seines Lehrers und wechselte auf die Kantorenstelle der St.-Matthias-Gemeinde in Berlin-Schöneberg, der damals größten katholischen Gemeinde der Stadt. Dort war er nicht nur Organist und Chorleiter, sondern er hatte auch Lehraufträge an der Hochschule der Künste und der Kirchenmusikakademie.

Dort erlebten Burkhard Ascherl und seine Frau Brigitte nach einem Jahr den Fall der Mauer. Plötzlich war Berlin offen nach allen Seiten. Aber es zeigte sich immer mehr, dass Schöneberg nicht die Endstation sein sollte. "Wenn die Bäume grün werden, ist Berlin eine wunderbare Stadt. Aber im Winter ist sie trostlos", sagt Ascherl. Im "Grunde hat er sich dort wohl gefühlt, aber die musikalische Situation war auf Dauer nicht befriedigend, denn der Chor, den er vorfand, hatte seine Grenzen. Die Konkurrenz an leistungsfähigen Laienchören war groß, und die guten Leute gingen nicht unbedingt in den Chor von St. Matthias. Und fast alles, was er machen wollte, gab es bereits an anderer Stelle. Zudem war die Beachtung der Kirchenmusik in Berlin nicht allzu stark: "Der Berliner geht nicht gerne in die Kirche."

Leben in der Kleinstadt

So griff er zu, als Bad Kissingen lockte: "Das Leben in einer kleinen Stadt ist viel schöner", sagt er. Aber es waren auch andere Faktoren, zum Beispiel, dass Bad Kissingen trotz des kleinen Ortes eine A-Stelle war, dass seine Schwiegereltern in Garitz leben und dass in der Stadtpfarrkirche gerade eine völlig neue Orgel aufgebaut wurde - von der Berliner Orgelbaufirma Schuke. Er konnte sich also sozusagen an den gedeckten Tisch setzen. Eine Woche nach der Orgelweihe gab er am 17. Oktober 1993 sein Einführungskonzert.

Plötzlich war alles anders, plötzlich musste er sich umgewöhnen, etwa an die Absprache von Veranstaltungsterminen: "In Berlin war das egal, da passiert jeden Tag so viel, dass man keine Rücksichten nehmen kann." Aber er stellte auch sehr schnell fest, dass es in Bad Kissingen - schon wegen der Kurgäste - nicht so schwierig war, Publikum zu gewinnen, weil seine Angebote nicht untergingen. Vor allem aber merkte er, dass sein Amtsvorgänger und Werner Bukowski ihm ein bestens bestelltes Haus hinterlassen hatten: "Der Chor war einige Stufen besser als in Berlin." Der begrüßte seinen neuen Leiter mit freundlicher Neugier und fand ihn schnell sympathisch: "Meine Tendenz ging dahin, weniger oft aufzutreten und dafür mehr zu üben und langfristiger zu planen. Die Leute sollten sich sicherer fühlen."

Das Profil hat sich gewandelt

Das Konzept von Burkhard Ascherl ist aufgegangen: Wer einmal Mitglied der Kantorei ist, der bleibt auch. Das Profil des Chores hat sich vom Gottesdienstbegleiter zum Konzertchor gewandelt, auch wenn das eine das andere nicht ausschließt. Man muss gar nicht lange suchen, um sich an große Auftritte in den letzten 25 Jahren zu erinnern, an die Weihnachtskonzerte im Kissinger Winterzauber, an die prächtigen musikalischen Festgottesdienste zum Kissinger Sommer, an die gemeinsamen Konzerte mit dem Partnerchor aus Vernon, die seit dem Tod von Joseph Pistorio 2002 allerdings zunehmend schwieriger werden - und vor allem an die großen Oratorienaufführungen, die er im zweijährigen Rhythmus gemeinsam mit der Herforder Münsterchor und Stefan Kagl - ehemals Kantor an der Erlöserkirche - und mit der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach im Regentenbau veranstaltet.

Da werden dann die ganz großen Berge bezwungen, etwa die Requien von Brahms und Verdi, Mendelssohns "Paulus", Bruckners "Tedeum" oder Elgars "King Olaf". Wie fühlt man sich da, wenn man plötzlich vor einem 100-Stimmen-Chor und einem vollsinfonischen Orchester steht und diesen Dampfer in Schwung bringen soll? "In der ersten Zeit war es schwer, weil ich ein eher introvertierter Typ bin." Aber er hat es schnell geschafft, seine Leute zu begeistern und ihnen in der ungewohnten Zusammenarbeit mit einem Orchester Verlässlichkeit zu bieten - "das ist eine anstrengende, aber erfüllende Geschichte." Und ganz anders als an der Orgel: "Da ist man Solist auf einer Insel, wo man seine musikalischen Ideen zu verwirklichen versucht. Man muss alles alleine machen."

Natürlich hat auch Burkhard Ascherl das Problem fast aller Laienchorleiter: Seine Leute werden immer älter, Nachwuchs ist absolut rar. Deshalb hat er, gemeinsam mit seiner Frau Brigitte, zwei "Nachschub-Chöre" gegründet: den "JuLifa"-Chor, einen Projektchor für alle Altersklassen, und den Kinder- und Jugendchor der Städtischen Musikschule und der Herz-Jesu-Gemeinde, der jedes Jahr ein Kindermusical einstudiert und im Kurtheater aufführt. Das ist durchaus spektakulär und macht enorm viel Arbeit. Aber die Effekte für den Nachwuchs sind gering. Denn die jungen Leute kommen nach Ausbildung und Studium meistens nicht mehr nach Bad Kissingen zurück.

Da geht fast unter, dass Burkhard Ascherl auch als Organist viel bewegt mit Orgelkonzerten, auch mit Begleitung, und vor allem mit dem Kissinger Orgelzyklus, den er bei Amtsantritt von Regionalkantor Peter Rottmann übernommen und deutlich ausgeweitet hat. Und er gastiert selbst an den großen Orgeln in Europa und den USA. Und er hat bereits mehrere CDs eingespielt. Alles mehr oder weniger nebenbei, aber immer mit höchstem Qualitätsanspruch. Und dann ist da auch noch der Orgelunterricht. Schließlich muss auch da Nachwuchs ausgebildet werden.