Der Frust mit dem Frost: Die Zeit läuft davon
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Montag, 07. Januar 2013
Wir erleben Rekordtemperaturen an Weihnachten und einen bislang zu warmen Januar. Die Waldpflege bräuchte jetzt dringend Kälte. Den Förstern läuft die Zeit davon.
Zart spitzt das erste Grün durch die Erde, ins Freie gelockt von den milden Temperaturen. "Im Moment herrscht draußen leichte Wachstumsstimmung, den Pflanzen fehlt die Winterruhe", sagt Georg Scheuring vom Bayerischen Bauernverband Bad Kissingen.
Nachdem der Dezember noch mit Frost und Schnee begonnen hat, war zu Weihnachten mit Rekordwerten mancherorts T-Shirt Wetter unterm Tannenbaum angesagt. "Vom Dezember weiß man ja, dass er auch Tauphasen hat", beruhigt Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst. In Deutschland sind ja grüne Weihnachten bekannt. Der Dezember war im Mittel mit 1,5 Grad Celsius etwas zu warm. Anders als zum Jahresstart bisher: "Der Januar ist bisher deutlich zu warm", meint Lux.
"Für die Bauern ist das kein Problem", sagt Scheuring, solange kein plötzlicher Frost Schnee einbricht. "Dann leiden die Pflanzen.
Scheuring erklärt, dass momentan vor allem spät gesäte Arten aus den Temperaturen ihren Vorteil ziehen, weil sie mehr Zeit zum Wachsen haben. "Weniger frostharte Arten, wie Raps, profitieren von dem Wetter". Außerdem haben die Temperaturen auch für viehhaltende Betriebe ein Gutes. Einfrierende Wasserleitungen in den Stallungen sind kein Thema und die Arbeitsabläufe angenehm.
Trotzdem hätte er nichts gegen ein paar ordentliche Frosttage einzuwenden, weil sonst die Wahrscheinlichkeit steigt, dass vermehrt tierische Schädlinge wie beispielsweise Blattläuse auftreten und die Bestände mit Virenerkrankungen infizieren. "Ein milder Winter muss sich nicht unbedingt in diesem Sommer verheerend auswirken, sondern erst 2014", sagt er. Ebenso sorgen die wenig winterlichen Temperaturen dafür, dass das Pilzbefall-Risiko steigt und das Unkraut sprießt. Der BBV-Geschäftsführer bleibt gelassen. "Das ist zwar ungünstig, aber damit kann man umgehen."
Generell hält Scheuring derartige Vorhersagen allerdings für verfrüht und sehr spekulativ. "Da ist im Moment noch alles offen, da kann noch alles passieren. Von spitzenmäßig bis katas trophal", relativiert er.
Da äußert sich Stadtförster Axel Maunz deutlicher. "Das milde Wetter ist ein großes Problem!" Grund dafür sind dringend nötige Pflegemaßnahmen im Stadtwald, die aufgrund des feuchten und warmen Wetters nicht, oder nur sehr eingeschränkt ausgeführt werden. "Es geht im Wesentlichen darum, den Wald fit für die Zukunft zu kriegen", sagt Maunz. Kranke und beschädigte Bäume müssen geschlagen und beseitigt, der Buchenbestand reguliert werden. "Die Pflege des Stadtforstes hat für uns oberste Priorität", sagt der Stadtförster.
Für die Pflegemaßnahmen hat er nur ein begrenztes Zeitfenster. "Laubhölzer wie die Buche müssen geschlagen werden, wenn sie keine Blätter tragen", sagt der Förster. Ansonsten steht der Baum im Saft und ist schlechter zu lagern. An eine weitere Verarbeitung oder wirtschaftliche Vermarktung ist dann nicht zu denken.
Es muss also im Winter sein, wenn das Holz trocken und der Boden durchgefroren ist. "Wir sind dringend auf den Frost angewiesen", drückt es Maunz aus. Um das geschlagene Holz zu verrücken und aus dem Wald zu holen, sind schwere Maschinen im Einsatz. Bei den derzeitigen Temperaturen würden diese in der feuchten und aufgeweichten Erde versinken. Der Förster steckt in der Klemme: "Wir wollen natürlich möglichst keine Bodenschäden verursachen". Momentan können also nur Bäume geschlagen werden, eine weitere Aufarbeitung findet nur vereinzelt statt. Das zieht einen ganzen Rattenschwanz an Problemen hinter sich her. Einmal abgesehen davon, dass die wichtigen Pflegemaßnahmen, die nicht unendlich aufgeschoben werden dürfen, nicht ausgeführt werden können. Zudem werden bestehende Vorverträge mit der Industrie nur bedingt erfüllt. Es kommt zu Lieferschwierigkeiten. "Die warten jetzt auf ihr Holz", sagt Maunz.
Gearbeitet wird jetzt dort, wo der Boden es erlaubt. "Besonders problematisch ist es an lehmigen, nassen Standorten. Besser eignen sich muschelkalkreiche Böden", führt er aus. Dort bleiben die Schäden überschaubar. Minusgrade kämen auch bei den Landwirten gut an. "Frost wirkt sich günstig auf die Bodenstruktur aus. Der Boden wird fein und krümelig. Das ist wie eine kostenlose Bodenbearbeitung im Mikrobereich", erläutert Landwirt Georg Scheuring. Er und Maunz dürfen sich Hoffnungen machen, sagt der Wetterdienst. "Bei uns treten die tiefsten Temperaturen immer erst später aus", sagt Lux. Sowohl der Januar, als auch der Winter sind noch nicht vorbei.